1 Allgemeines

1.1 Inhalt und Zweck der Vorschrift

 

Rz. 1

§ 27 AO lässt eine von den gesetzlichen Regeln abweichende Vereinbarung der Finanzbehörden über die örtliche Zuständigkeit zu. S. 1 macht den Übergang der Zuständigkeit vom Einvernehmen der beteiligten Finanzbehörden und der Zustimmung des Betroffenen[1] abhängig. S. 2-4 regeln die Voraussetzungen, unter denen diese Zustimmung als erteilt gilt.

[1] bzw. nach nunmehrigem Sprachgebrauch "der betroffenen Person"

1.2 Verhältnis zu anderen Vorschriften

 

Rz. 2

Durch eine Vereinbarung nach § 27 AO wird die Zuständigkeit einer an sich nicht zuständigen Finanzbehörde begründet. Hierdurch unterscheidet sich die Regelung von § 25 AO, der nur eine Vereinbarung zwischen mehreren nach dem Gesetz zuständigen Finanzbehörden erlaubt.

Im Unterschied zu § 26 S. 2 AO ist die Zuständigkeitsvereinbarung nach § 27 AO nicht auf den Abschluss eines bereits laufenden Verfahrens beschränkt, sondern gilt allgemein.

Für die Umsatzbesteuerung von Bund und Ländern[1] enthält § 18 Abs. 4g UStG Sonderregelungen, die die Übernahme der Besteuerung bestimmter Organisationseinheiten durch andere als die nach § 21 Abs. 1 AO örtlich zuständigen Finanzbehörden durch Anordnung der obersten Landesbehörde oder der von dieser beauftragten Landesfinanzbehörde des jeweiligen Landes, durch Vereinbarung zwischen den obersten Landesfinanzbehörden oder den von diesen beauftragten Landesfinanzbehörden mehrerer Länder ermöglichen.

[1] Vgl. § 2b UStG.

2 Anwendungsbereich

2.1 Örtliche Zuständigkeit

 

Rz. 3

§ 27 AO lässt nur Vereinbarungen über die örtliche, nicht dagegen über die sachliche Zuständigkeit zu.[1] Dies ergibt sich daraus, dass der Wortlaut der Vorschrift auf das Einvernehmen der örtlich zuständigen Finanzbehörde abstellt. Die sachliche Zuständigkeit kann nur aufgrund besonderer gesetzlicher Vorschrift, etwa auf der Grundlage des § 17 FVG, geändert werden.[2]

Vereinbarungen nach § 27 AO sind unzulässig, wenn sie über die örtliche Zuständigkeit hinausgehende Folgen hätten. Deshalb dürfen die Voraussetzungen für eine gesonderte Gewinnfeststellung nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, b AO (Auseinanderfallen der örtlichen Zuständigkeit für die gesonderte Feststellung und die Steuern vom Einkommen) durch eine Zuständigkeitsvereinbarung weder beseitigt noch herbeigeführt werden.[3]

Abweichende Zuständigkeitsvereinbarungen sind auch in Bezug auf die zentralen örtlichen Zuständigkeiten einzelner FÄ möglich, die durch die Umsatzsteuerzuständigkeitsverordnung für die Umsatzbesteuerung im Ausland ansässiger Unternehmen geschaffen wurden und die nach § 20a Abs. 1 AO bzw. § 22 Abs. 1 S. 2 AO auch für die ESt und die GewSt von Bedeutung sind. Bei Zuständigkeitskonzentrationen durch Rechtsverordnungen nach § 17 Abs. 2 S. 3 FVG ist zu unterscheiden: Soweit die Zuständigkeit einer Finanzbehörde auf einzelne Aufgaben beschränkt worden ist, kann ihr durch eine Vereinbarung nach § 27 AO keine Zuständigkeit für andere Aufgaben übertragen werden, weil ihr insoweit nicht nur die örtliche, sondern auch die sachliche Zuständigkeit fehlt. Soweit einer Finanzbehörde hinsichtlich einzelner Aufgaben die Zuständigkeit für die Bezirke mehrerer FÄ übertragen worden ist, bleibt die Rückübertragung auf ein FA mit gleicher sachlicher Zuständigkeit hingegen möglich.[4]

[1] Wackerbeck, in HHSp, AO/FGO, § 27 AO Rz. 4; Schmieszek, in Gosch, AO/FGO, § 27 AO Rz. 5; Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 27 AO Rz. 3; Klein/Rätke, AO, 16. Aufl. 2022, § 27 Rz. 3.
[2] S. hierzu auch die Abgrenzung durch BFH v. 21.4.1993, X R 112/91, BStBl II 1993, 649.
[3] BFH v. 16.5.1986, VIII R 325/84, BStBl II 1987, 195; BFH v. 10.11.1992, VIII R 100/90, BFH/NV 1993, 538; BFH v. 21.6.2007, IX B 5/07, BFH/NV 2007, 1628; Wackerbeck, in HHSp, AO/FGO, § 27 AO Rz. 11; Schmieszek, in Gosch, AO/FGO, § 27 AO Rz. 5; Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 27 AO Rz. 2.
[4] Schmieszek, in Gosch, AO/FGO, § 27 AO Rz. 5; a. A. Koenig/Pätz, AO, 4. Aufl. 2021, § 27 Rz. 6.

2.2 Steuerarten

 

Rz. 4

Zuständigkeitsvereinbarungen können für alle Steuern und unabhängig davon getroffen werden, ob es sich um einmalige oder laufend zu veranlagende Steuern handelt.[1] Dies gilt auch in Bezug auf die Festsetzung von Steuermessbeträgen für Realsteuern.[2] Das durch den Abschluss einer Zuständigkeitsvereinbarung möglicherweise gesteigerte Risiko der Mitteilung des Messbescheids an eine andere als die hebeberechtigte Gemeinde[3] steht dem nicht entgegen, weil die Mitteilung nach § 184 Abs. 3 AO keine Bindungswirkung hinsichtlich der Bestimmung des Steuergläubigers entfaltet.[4] Die Gemeinden haben keine Möglichkeit, auf den Abschluss einer entsprechenden Zuständigkeitsvereinbarung Einfluss zu nehmen.[5]

[1] Wackerbeck, in HHSp, AO/FGO, § 27 AO Rz. 6; Schmieszek, in Gosch, AO/FGO, § 27 AO Rz. 4.
[3] Schmieszek, in Gosch, AO/FGO, § 27 AO Rz. 5; Wackerbeck, in HHSp, AO/FGO, § 27 AO Rz. 12f.
[4] BFH v. 19.11.2003, I R 88/02, BStBl II 2004, 751, unter Aufgabe der gegensätzlichen Beurteilung in BFH v. 14.11.1984, I R 151/80, BStBl II 1985, 607.
[5] Wackerbeck, in HHSp, AO/FGO, § 27 AO Rz. 13.

3 Voraussetzungen einer Zuständigkeitsvereinbarung

3.1 Einvernehmen der Finanzbehörden

3.1.1 Beteiligte Finanzbehörden

 

Rz. 5

Die Zuständigkeitsvereinbarung setzt das Einvernehmen zw...

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