Rz. 9

§ 740 ZPO (Zwangsvollstreckung in das Gesamtgut)

(1) Leben die Ehegatten in Gütergemeinschaft und verwaltet einer von ihnen das Gesamtgut allein, so ist zur Zwangsvollstreckung in das Gesamtgut ein Urteil gegen diesen Ehegatten erforderlich und genügend.

(2) Verwalten die Ehegatten das Gesamtgut gemeinschaftlich, so ist die Zwangsvollstreckung in das Gesamtgut nur zulässig, wenn beide Ehegatten zur Leistung verurteilt sind.

Gem. § 1416 Abs. 1 S. 1 BGB wird das Vermögen des Mannes und das Vermögen der Frau durch die Gütergemeinschaft gemeinschaftliches Vermögen beider Ehegatten. Dieses Gesamtgut ist Gesamthandsvermögen der Ehegatten. Zum Gesamtgut gehört nach § 1416 Abs. 1 S. 2 BGB auch das Vermögen, das der Mann oder die Frau während der Gütergemeinschaft erwirbt.

 

Rz. 10

Nicht zum gemeinschaftlichen Vermögen gehören das Sondergut und das Vorbehaltsgut. Zum Sondergut zählen nach § 1417 Abs. 2 BGB die Gegenstände, die nicht durch Rechtsgeschäft übertragen und deswegen auch nicht gepfändet werden können. Hierzu gehören z. B. nicht pfändbare Gehaltsansprüche oder Beteiligungen an Personengesellschaften, wenn der Gesellschaftsvertrag die Übertragung verbietet.[1] Zum Vorbehaltsgut gehören gem. § 1418 Abs. 2 BGB die Gegenstände,

  • die durch Ehevertrag zum Vorbehaltsgut erklärt sind;
  • die ein Ehegatte von Todes wegen erwirbt oder die ihm von einem Dritten unentgeltlich zugewendet werden, wenn der Erblasser durch letztwillige Verfügung oder der Dritte bei der Zuwendung bestimmt hat, dass der Erwerb Vorbehaltsgut sein soll;
  • die ein Ehegatte aufgrund eines zu einem Vorbehaltsgut gehörenden Rechts oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung eines zum Vorbehaltsgut gehörenden Gegenstands oder durch ein Rechtsgeschäft erwirbt, das sich auf das Vorbehaltsgut bezieht.
 

Rz. 11

Jeder Ehegatte verwaltet sein Sondergut und sein Vorbehaltsgut selbstständig. Beim Sondergut geschieht dies für Rechnung des Gesamtguts,[2] beim Vorbehaltsgut für eigene Rechnung.[3] Die Vorschriften der in § 263 genannten §§ 740, 741, 743 und 745 ZPO gelten nur für die Zwangsvollstreckung in das Gesamtgut, sind also für die Vollstreckung in das Sondergut und das Vorbehaltsgut nicht anwendbar.[4] Die Vollstreckung in Gegenstände des Sonder- und Vorbehaltsguts ist, soweit Pfändbarkeit gegeben ist, nur wegen der Forderungen gegen den jeweiligen Ehegatten zulässig. Gegen die Vollstreckung in sein Sonder- oder Vorbehaltsgut wegen gegen den anderen Ehegatten gerichteter Ansprüche kann der betroffene Ehegatte gem. § 262 AO Widerspruch erheben.

 

Rz. 12

Bei der Zwangsvollstreckung in das Gesamtgut ist zu beachten, dass aus einem Leistungsgebot, das vor Eintritt der Gütergemeinschaft gegen den nicht oder nicht allein verwaltenden Ehegatten ergangen ist, nicht ohne Weiteres in das Gesamtgut vollstreckt werden darf. Hierzu ist ein besonderes Leistungsgebot entsprechend § 727 ZPO erforderlich, das dem anderen Ehegatten bekannt zu geben ist.[5] Entsprechendes gilt für die Vollstreckung in das Gesamtgut aus einem Leistungsgebot, welches vor Beendigung der Gütergemeinschaft rechtsbeständig geworden ist und nach Beendigung der Gütergemeinschaft vollstreckt werden soll.[6]

 

Rz. 13

Die in § 263 AO genannten Vorschriften zur Vollstreckung in das Gesamtgut[7] gelten nicht nur für die Vollstreckung in bewegliche Sachen, Inhaberpapiere und mit Blankoindossament versehenen Orderpapiere, sondern für jede Art der Zwangsvollstreckung[8] unter Berücksichtigung der sich aus § 741 ZPO ergebenden Besonderheiten.[9] Die Regelungen des § 740 ZPO gelten in entsprechender Anwendung des § 263 AO auch für die Vollstreckung gegen eingetragene Lebenspartner, sofern diese den gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft ausgeschlossen und im Lebenspartnerschaftsvertrag Gütergemeinschaft vereinbart haben.[10]

[1] Münch, in MüKo BGB, § 1417 BGB Rz. 4.
[4] Klein/Werth, AO, 16. Aufl. 2022, § 263 Rz. 6.; Koenig/Klüger, AO, 4. Aufl. 2021, § 263 Rz. 7.
[5] Klein/Werth, AO, 16. Aufl. 2022, § 263 Rz. 6.
[6] Klein/Werth, AO, 16. Aufl. 2022, § 263 Rz. 6.; s. auch § 743 ZPO; vgl. Rz. 21.
[8] Klein/Werth, AO, 16. Aufl. 2022, § 263 Rz. 6.; Koenig/Klüger, AO, 4. Aufl. 2021, § 263 Rz. 9.
[9] Zeller-Müller, in Gosch, AO/FGO, § 263 AO Rz. 22.
[10] Vgl. §§ 6, 7 S. 2 LPartG i. V. m. §§ 1416ff. BGB; Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 263 AO Rz. 21; Koenig/Klüger, AO, 4. Aufl. 2021, § 263 Rz. 9.

3.1.1 Verwaltung des Gesamtgutes durch einen Ehegatten (§ 740 Abs. 1 ZPO)

 

Rz. 14

Verwaltet im Fall der Gütergemeinschaft ausschließlich einer der Ehegatten nach § 1421 S. 1, 1. und 2. Var. BGB das Gesamtgut allein, so bedarf es gem. § 740 Abs. 1 ZPO für die Zwangsvollstreckung in dieses eines Urteils gegen den verwaltungsberechtigten Ehegatten. Für die Vollstreckung eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis sind also ein vollstreckbarer Verwaltungsakt und ein Leistungsgebot gegen diesen Ehegatten erforderlich, aber auch ausreichend.[1] Ein vollstreckbarer Verwaltungsakt und ein Leistungsgebot ge...

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