1 Allgemeines

 

Rz. 1

Die § 259 AO entsprechende Bestimmung fand sich zu Zeiten der Geltung der RAO in § 341 RAO.[1] Die Norm regelt die Mahnung, die den Vollstreckungsschuldner letztmalig an die Erfüllung seiner Schuld erinnern und die drohende Gefahr von Vollstreckungsmaßnahmen verdeutlichen soll. Ergänzende Ausführungen zur Verwaltungsauffassung zu § 259 AO findet sich in Abschn. 19 VollstrA.[2]

 

Rz. 2

Die Vorschrift ist im 6. Teil der AO angesiedelt, also in dem Teil der die Vollstreckung regelt, und zwar als Einleitungsvorschrift des Zweiten Abschnitts dieses Teils der AO, der sich mit der Vollstreckung von Geldforderungen befasst. Gleichwohl ist die Mahnung noch kein Teil der Vollstreckung, sondern eine grundsätzlich zu erfüllende Voraussetzung der Vollstreckung. "Vor Beginn der Vollstreckung" soll nämlich der Vollstreckungsschuldner i. d. R. gemahnt werden.[3] Das Gesetz spricht aber bereits zu diesem Zeitpunkt von dem "Vollstreckungsschuldner". Zutreffender wäre es indes, von dem potenziellen Vollstreckungsschuldner zu sprechen. Die Mahnung ist selbst nämlich keine Vollstreckungsmaßnahme, sondern noch Teil des im 5. Teil der AO geregelten Erhebungsverfahrens.[4] Für die Mahnung zuständig sind deshalb grundsätzlich die Kassen der Finanzbehörden. Nur wenn oder soweit eine Mahnung im Erhebungsverfahren unterblieben ist, können die Vollstreckungsstellen diese erledigen.[5] Die Aufforderung zur Zahlung, die der Vollziehungsbeamte vor der Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen gemäß Abschn. 24 Abs. 1 VollzA an den Vollstreckungsschuldner richtet, ist keine Mahnung, sondern eine Aufforderung i. S. d. § 290 AO.[6]

 

Rz. 3

Die Mahnung als Wiederholung der Zahlungsaufforderung des Leistungsgebots (vgl. Rz. 6) soll den Vollstreckungsschuldner vor unliebsamen, überraschenden Vollstreckungsmaßnahmen bewahren[7] und der Verwaltung darüber hinaus möglicherweise überflüssige Vollstreckungsmaßnahmen ersparen.[8]

[1] Zur Rechtshistorie der Bestimmung vgl. Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 259 AO Rz. 1ff.
[2] Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 259 AO Rz. 24.
[3] BFH v. 29.3.1972, II B 38/71, BStBl II 1972, 494; Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 259 AO Rz. 5; Klein/Werth, AO, 15. Aufl. 2020, § 259 Rz. 1; Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 259 AO Rz. 7; Koenig/Fritsch, AO, 3. Aufl. 2014, § 259 Rz. 2.
[4] Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 259 AO Rz. 7.
[5] Ebenso Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 259 AO Rz. 5.
[6] Entsprechend § 763 Abs. 1 ZPO, vgl. auch Seibel, in Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 763 ZPO Rz. 2ff.
[7] Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 259 AO Rz. 3.
[8] Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 259 AO Rz. 2.

2 Erforderlichkeit der Mahnung

 

Rz. 4

Die Mahnung soll nach dem Wortlaut des § 259 AO i. d. R. erteilt werden. Sie ist folglich keine zwingende Vollstreckungsvoraussetzung, sondern liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Finanzbehörde.[1] Nach dem Wortlaut der Bestimmung ist jedoch davon auszugehen, dass grundsätzlich eine Mahnung zu erteilen ist. Nur ausnahmsweise kann die Mahnung unterbleiben. Dies ist dann der Fall, wenn die Mahnung im Einzelfall den Erfolg der Vollstreckung gefährden würde oder der potenzielle Vollstreckungsschuldner bereits zuvor deutlich zum Ausdruck gebracht hat, dass er die Leistung nicht erbringen wird. Auch Abschn. 19 Abs. 3 VollStrA schreibt die Mahnung nicht in jedem Fall vor. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass die Mahnung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit regelmäßig als das geringste Mittel geboten sein wird, wenn nicht im Einzelfall besondere Umstände gegen eine Mahnung sprechen. Das Unterlassen einer Mahnung berührt jedoch die Rechtmäßigkeit der folgenden Vollstreckungsmaßnahmen nicht, wenn sie auf einer fehlerfreien Ermessensentscheidung beruht.[2] Das einfache Unterlassen einer Mahnung ohne das Anstellen von Ermessenserwägungen durch die Finanzbehörde ist allerdings ein Ermessensfehlgebrauch und führt damit zur Rechtswidrigkeit der darauf ohne Mahnung getroffenen Vollstreckungsmaßnahmen.[3] Auch wenn die Mahnung trotz Ermessensentscheidung ohne sachgerechten Grund unterbleibt, ist dies ermessensfehlerhaft.[4]

 

Rz. 5

Einer Mahnung bedarf es ferner nicht, wenn eine der in § 259 AO ausdrücklich genannten ersatzweisen Erinnerungen gegeben ist. Als Mahnung galt nach § 259 S. 2 AO a. F. bis zur Aufhebung dieser Sonderbestimmung durch das AmtshilfsRLUmsG v. 26.6.2013[5] auch der Postnachnahmeauftrag. Nach der aktuellen Fassung des § 259 AO ist dies nach § 259 S. 2 AO (ehemals S. 3) die Zahlungserinnerung vor Eintritt der Fälligkeit und nach § 259 S. 3 AO die allgemeine Erinnerung durch öffentliche Bekanntmachung.[6] § 259 S. 2 a. F. AO wurde aufgehoben, da der Postnachnahmeauftrag in dem automatisierten Vollstreckungsverfahren keine Bedeutung mehr hatte.

 

Rz. 6

Kleinbeträge, das sind Beträge unter 3,00 EUR, werden nicht gemahnt, Beträge von 3,00 EUR bis 9,99 EUR regelmäßig erst nach einem Jahr.[7] Eine Mahnung kann unterbleiben, wenn durch sie der Erfolg etwaiger Vollstreckungsmaßnahmen gefährdet würde oder wenn gegen den Vollstreckungsschuldne...

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