Rz. 36a

Bei einer Aufrechnung (§ 226) kann der Anspruch mit Wirkung für die Vergangenheit wegfallen. Die Aufrechnung hat nach § 226 Abs. 1 i. V. m. § 389 BGB Rückwirkungen auf den Zeitpunkt, in dem sich die Ansprüche aus der Sicht des Aufrechnenden zuerst aufrechenbar gegenüberstehen (vgl. § 226 Rz. 7a, 7b). Säumnis ist danach rückwirkend von dem Zeitpunkt an nicht mehr anzunehmen, in dem für den Zahlungspflichtigen die Aufrechnungsvoraussetzungen erfüllt waren. Mit der Aufrechnung entfallen rückwirkend die verwirkten Säumniszuschläge[1]. Die hiervon abweichende Auffassung, die den Gedanken des Abs. 1 S. 4 auf die Anrechnung anwenden will, verkennt die Trennung von Festsetzung und Erhebung sowie die Beschränkung von Abs. 1 S. 4 auf den Festsetzungsbereich. Die Rückwirkung gilt bei der Aufrechnung sowohl des Steuerpflichtigen als auch der Finanzbehörde. Da die Aufrechnungsvoraussetzungen der Fälligkeit der eigenen Forderung sowie der Entstehung der Forderung des Aufrechnungsgegners meist an unterschiedlichen Zeitpunkten gegeben sind, fallen auch die Zeitpunkte der ersten Aufrechenbarkeit und der Rückwirkung auseinander. Maßgebend ist also, wer aufrechnet: Dessen Situation für die Aufrechnung entscheidet über den Umfang der Rückwirkung. Rechnet z. B. das Finanzamt mit einer fälligen Steuerforderung gegen einen später fällig gewordenen Erstattungsanspruch des Steuerpflichtigen auf und war dieser bei Fälligwerden der Steuerforderung bereits entstanden, so wirkt die Aufrechnung auf den Zeitpunkt der Fälligkeit der Steuerforderung zurück. Würde in diesem Fall anstatt der Finanzbehörde der Steuerpflichtige aufrechnen, würde die Rückwirkung lediglich bis auf den Zeitpunkt der Fälligkeit seines Erstattungsanspruches eintreten.

 

Rz. 36b

Tritt bei einer Aufrechnung der Finanzbehörde die Rückwirkung der Aufrechnungswirkungen auf einen früheren Zeitpunkt als dem der frühesten Aufrechnungsmöglichkeit des Steuerpflichtigen ein, so kann die Rückwirkung für die Säumniszuschläge nur bis zu diesem späteren Zeitpunkt gehen. Der Zahlungspflichtige kann sich erst ab diesem Zeitpunkt wirtschaftlich als Nichtschuldner ansehen, so dass der Druckmittelcharakter der Säumniszuschläge nur bis dahin entfallen kann[2].

Durch Anfügen eines S. 5 an § 240 Abs. 1 durch das StBereinG 1999 ist mit Wirkung ab 30.12.1999 für den Fall des Anspruchserlöschens durch Aufrechnung ausdrücklich geregelt, dass die Säumniszuschläge unberührt bleiben, die bis zur Fälligkeit der Schuld des Aufrechnenden entstanden sind. Dies entspricht der hier bereits früher vertretenen Auffassung sowie der Verwaltungsauffassung[3]. Die Gesetzesänderung bringt aus hiesiger Sicht also nur eine Klarstellung, nachdem angeblich[4] durch das BFH-Urteil v. 3.5.1991, V R 105/86, BFH/NV 1992, 77 eine Rechtsunsicherheit eingetreten sei.

 

Rz. 37

Bei Steuererstattungen und Steuervergütungen, die sich aus Steueranmeldungen ergeben, tritt die Rückwirkung bei einer späteren Aufrechnung (Umbuchung oder Verrechnung) durch die Finanzbehörde auf den Tag des Eingangs der Anmeldung ein. Mit diesem ist die Erstattungs- bzw. Vergütungsforderung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt (§ 168) und damit fällig, wenn und sobald die Zustimmung der Finanzbehörde vorliegt. Da die Bearbeitung in den Finanzämtern manchmal recht verzögert stattfindet und deshalb die Zustimmung erst entsprechend spät vorliegt, dies aber dem Stpfl. nicht angelastet werden kann, lässt die Verwaltung den Tag des Eingangs der Voranmeldung als Fälligkeitstag gelten[5].

[1] Ebenso Tipke/Kruse, AO, § 240 Rz. 30; Schultz, in Beermann, AO, § 226 Rz. 16.
[2] Ebenso Schultz, in Beermann, AO, § 226 Rz. 19.
[3] Vgl. AEAO, zu § 240 Ziff. 2, VwA 1.
[4] Gesetzesbegründung zum Entwurf des StBereinG 1999 Art. 17, zu Nr. 17 u. 18.
[5] Vgl. AEAO, zu § 168 Nr. 9, VwA 1.

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