Rz. 10

Einzige tatbestandsmäßige Voraussetzung für den Erlass eines qualifizierten Mitwirkungsverlangens ist, dass seit Bekanntgabe der Prüfungsanordnung sechs Monate vergangen sind. Anders als ein einfaches Vorlageverlangen[1] kann ein qualifiziertes Mitwirkungsverlangen daher nicht bereits mit der Prüfungsanordnung verbunden werden.[2] Die Sechsmonatsfrist war im Regierungsentwurf des DAC 7-UmsG[3] noch nicht enthalten und wurde erst vom Finanzausschuss in die Vorschrift eingefügt. Sie soll dafür sorgen, dass kleine und mittlere Unternehmen nur noch ausnahmsweise in den Anwendungsbereich der Vorschrift fallen, weil Außenprüfungen bei ihnen oftmals innerhalb weniger Monate abgeschlossen werden.[4] Daneben stellt die Sechsmonatsfrist auch ein Indiz dafür dar, dass es sich bei dem qualifizierten Mitwirkungsverlangen um ein besonderes Instrument handelt, das erst zum Einsatz kommen soll, wenn ein einfaches Mitwirkungsverlangen nicht zum gewünschten Erfolg geführt hat.[5] Maßgeblich für den Beginn der Sechsmonatsfrist ist die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung. Wird der Zeitraum der Außenprüfung nachträglich erweitert und bezieht sich das qualifizierte Mitwirkungsverlangen allein auf den Erweiterungszeitraum, kommt es u. E. auf die Bekanntgabe der Erweiterungsanordnung an. Der Zeitpunkt der Bekanntgabe richtet sich nach § 122 Abs. 2, 2a, 4 und 5 AO.[6] Auf den tatsächlichen Beginn der Prüfung kommt es für den Lauf der Sechsmonatsfrist nicht an. Dies entspricht der Regelung für die Befristung der Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 S. 3 AO und soll die Fristberechnung vereinfachen und rechtssicher ausgestalten.[7] Allerdings ist nicht zu verkennen, dass die mit der Sechsmonatsfrist verbundenen Zwecke zumindest teilweise verfehlt werden können, wenn der tatsächliche Beginn der Außenprüfung – sei es auf Antrag des Stpfl., sei es aus verwaltungsinternen Gründen – hinausgeschoben wird.

 

Rz. 11

Das qualifizierte Mitwirkungsverlangen muss schriftlich oder elektronisch ergehen. Damit gelten für seinen Erlass die gleichen Formerfordernisse wie für den Erlass der Prüfungsanordnung nach § 196 AO. Wird diese Form nicht eingehalten, liegt kein qualifiziertes Mitwirkungsverlangen vor. Mündliche Mitwirkungsverlangen sind daher stets als einfache Mitwirkungsverlangen i. S. v. § 200 Abs. 1 S. 2 AO zu werten.

Außerdem muss das qualifizierte Mitwirkungsverlangen mit einer Rechtsbehelfsbelehrung nach § 356 AO versehen sein. Welche Folgen das Fehlen der vorgeschriebenen Rechtsbehelfslehrung hat, ist unklar. Die Gesetzesbegründung äußert sich dazu nicht. In der Literatur wird die Auffassung vertreten, dass eine fehlende oder fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung (lediglich) eine Verlängerung der Einspruchsfrist zur Folge habe; an die Stelle der Monatsfrist nach § 355 Abs. 1 S. 1 AO trete die Jahresfrist des § 356 Abs. 2 S. 1 AO.[8] Die mit dem qualifizierten Mitwirkungsverlangen verbundenen Rechtswirkungen würden demnach durch das Fehlen der vorgeschriebenen Rechtsbehelfsbelehrung nicht berührt. Dies entspräche der Rechtslage nach § 196 AO. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Beifügung einer Rechtsbehelfsbelehrung nach § 356 AO – wie sich aus dem Klammerzusatz am Ende des S. 1 ergibt – Teil der gesetzlichen Begriffsbestimmung des qualifizierten Mitwirkungsverlangens ist. Dies spricht u. E. dafür, dass bei Fehlen einer Rechtsbehelfsbelehrung überhaupt kein qualifiziertes Mitwirkungsverlangen vorliegt, das die in der Vorschrift genannten Rechtsfolgen auslösen kann. Eine eventuelle Nachholung der Rechtsbehelfsbelehrung kann die Wirkungen des qualifizierten Mitwirkungsverlangens erst von diesem Zeitpunkt an auslösen.

 

Rz. 12

Wie sich aus der Verwendung des Worts "kann" ergibt, liegt der Erlass eines qualifizierten Mitwirkungsverlangens im Ermessen der zuständigen Finanzbehörde. Dabei handelt es sich um die für die Durchführung der Außenprüfung zuständige Finanzbehörde. Im Regelfall ist dies die für die Besteuerung des Stpfl. zuständige Finanzbehörde[9], im Fall einer Auftragsprüfung gem. § 195 S. 2 AO die von dieser mit der Durchführung der Prüfung beauftragte Finanzbehörde.[10]

Bei der Ausübung des Ermessens ist zu berücksichtigen, dass zwar der Erlass des qualifizierten Mitwirkungsverlangens nach Abs. 1 in das Ermessen der zuständigen Finanzbehörde gestellt ist, die durch Abs. 2, 4 und 5 an die Nicht- oder Schlechterfüllung geknüpften Rechtsfolgen aber kraft Gesetzes eintreten.[11] Im Regelfall ist der Erlass eines qualifizierten Mitwirkungsverlangens daher erst dann ermessensgerecht, wenn ein vorangegangenes einfaches Mitwirkungsverlangen nicht zum gewünschten Erfolg geführt hat.[12] Für ein im Allgemeinen bestehendes "Stufenverhältnis"[13] spricht auch die Regelung des Abs. 1 S. 2, wonach der Erlass eines qualifizierten Mitwirkungsverlangens keiner weitergehenden Begründung mehr bedarf, wenn die Finanzbehörde den Stpfl. auf diese Möglichkeit hingewiesen hat und dieser seinen Mitwirkungspflichten dennoch nicht oder nicht hinreichend nachge...

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