1 Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen

1.1 Allgemeine Mitwirkungspflicht

 

Rz. 1

§ 200 Abs. 1 S. 1 AO enthält den in allgemeiner Form formulierten Grundsatz, dass der Stpfl. während des Außenprüfungsverfahrens bei der Feststellung der steuerlich erheblichen Sachverhalte mitzuwirken habe[1]. Die Bedeutung dieser Vorschrift ist unklar. M. E. ist sie als "Rahmen" aufzufassen für die einzelnen Mitwirkungspflichten, die im Gesetz geregelt sind; sie hat daher selbst keinen "vollziehbaren" Inhalt, sondern hat mehr die Funktion einer Verweisung auf die in der AO enthaltenen Mitwirkungspflichten, insbesondere also § 200 Abs. 1 S. 2 AO, aber auch §§ 93ff., 153 AO. Der Prüfer hat somit alle Befugnisse der §§ 93ff. AO. Insoweit hat § 200 Abs. 1 S. 1 AO keinen eigenständigen, über § 90 Abs. 1 AO hinausgehenden spezifischen Inhalt und ist daher überflüssig[2]. Vereinzelt wird jedoch die Ansicht vertreten, § 200 Abs. 1 S. 1 AO habe einen darüber hinausgehenden Inhalt. "Mitwirken" bedeutet danach "mitmachen, konstruktive Beiträge leisten", mit dem Prüfer gemeinsam ein Ziel anstreben[3]. Soweit mit diesen Formulierungen ausgedrückt werden soll, dass der Stpfl. über die in §§ 200 Abs. 1 S. 2, 93ff., 153 AO aufgeführten Pflichten noch weitere, im Gesetz nicht konkretisierte Pflichten dahin gehend habe, dass er gemeinsam mit dem Prüfer zu prüfen habe, den Prüfer also z. B. auf prüfungswürdige Bereiche aufmerksam machen müsse, kann dem nicht gefolgt werden. Der Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit erfordert es, dass die Pflichten des Stpfl. im Gesetz oder jedenfalls aufgrund des Gesetzes klar und eindeutig konkretisiert sind. Eine "Mitwirkungspflicht" in dem umschriebenen Sinn wäre weder konkret noch konkretisierbar. Der Stpfl. hat immer nur das zu tun, was das Gesetz oder aufgrund des Gesetzes konkretisiert von ihm verlangt wird, z. B. also die Steuererklärung nach § 153 AO zu berichtigen, wenn er erkennt, dass diese unrichtig ist, nicht aber den Prüfer auf die Möglichkeit einer anderen rechtlichen Würdigung hinzuweisen. Er hat Anfragen des Prüfers zu beantworten oder Unterlagen vorzulegen, nicht aber ungefragt alles mitzuteilen oder vorzulegen, was vielleicht für den Prüfer von Interesse sein könnte (abgesehen davon, dass dies schon aus praktischen Gründen unmöglich wäre). Diese Ansicht übersieht auch, dass kraft Gesetzes noch keine konkreten Pflichten des Stpfl. bestehen, sondern nur Pflichtigkeiten, die durch den Prüfer konkretisiert werden müssen (vgl. Rz. 2).

[1] Zu den Rechten und Mitwirkungspflichten des Stpfl. im Außenprüfungsverfahren vgl. Merkblatt des BMF v. 24.10.2013, IV A 4 – S 0403/13/10001, BStBl I 2013, 1264.
[2] Vgl. auch § 90 AO Rz. 2.
[3] Wenzig, StBp 1981, 73.

1.2 Auskunfts- und Vorlagepflichten

 

Rz. 2

Abs. 1 konkretisiert die in § 90 AO enthaltenen Mitwirkungspflichten des Stpfl. für die Außenprüfung. Die Vorschrift ist durch Gesetz v. 23.10.2000, BGBl I 2000, 1433 um die Pflicht, den Stpfl. bei der Nutzung der EDV-Anlage des Stpfl. zu unterstützen, erweitert worden; vgl. Rz. 8.

Nach § 90 AO hat der Stpfl. die steuerlich erheblichen Tatsachen zu offenbaren, nach § 200 Abs. 1 AO hat er Auskünfte zu erteilen, Aufzeichnungen, Bücher, Geschäftspapiere und andere Urkunden zur Einsicht und Prüfung vorzulegen und zum Verständnis der Aufzeichnungen erforderliche Erklärungen zu geben. Die Anforderung dieser Auskünfte bzw. der Vorlage der Urkunden steht im Ermessen der Finanzbehörde und muss sich im Rahmen des Notwendigen, Verhältnismäßigen, Erfüllbaren und Zumutbaren halten[1].

 

Rz. 2a

Zu den Vorlagepflichten gehört auch die Vorlage der steuerlichen Dokumentation der Verrechnungspreise und der Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, § 90 Abs. 3 AO.

Zu erfüllen ist die Verpflichtung zur Mitwirkung grundsätzlich von dem Stpfl., gegen den sich die Außenprüfung richtet[2], bzw. im Rahmen des § 80 Abs. 3 AO von seinem Bevollmächtigten[3]. Daher hat auch eine Personengesellschaft die Auskunfts- und Vorlagepflichten zu erfüllen, und zwar auch für die einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellungen, wenn sie Inhaltsadressat der Prüfungsanordnung ist.

 

Rz. 2b

Nicht zu den in §§ 93ff AO aufgeführten Pflichten gehört, dass Fotografieren von Betriebsräumen dulden zu müssen. Das Fotografieren geht mit seiner Erstellung dauerhafter Bilder über den Rahmen einer Betriebsbesichtigung hinaus. Da die Rechtsgrundlage für diesen Eingriff in den Bereich des Stpfl. fehlt, ist das Fotografieren nur mit Einwilligung des Stpfl. zulässig[4].

 

Rz. 3

Die Pflicht zur Vorlage von Büchern und anderen Aufzeichnungen bezieht sich nicht nur auf solche Urkunden, deren Führung gesetzlich vorgeschrieben ist und die aufbewahrungspflichtig sind, sondern auf alle Dokumente, die tatsächlich erstellt wurden und deren Inhalt steuerlich von Bedeutung sein kann[5]. Das FA muss im Interesse einer richtigen und gleichheitsgerechten Besteuerung alle vorhandenen Unterlagen auswerten können, unabhängig davon, ob ihre Erstellung gesetzlich vorgeschrieben ist oder ob sie freiwillig erstellt worden sind. Grundsätzlich müssen daher auch Aufsichtsrats- und Vorstandsprotokolle vorgelegt werden...

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