Rz. 20

Das BMF wird durch § 2 Abs. 3 AO ermächtigt, in den hier aufgeführten Fällen mit Zustimmung des Bundesrats Rechtsverordnungen zu erlassen, die die konkrete Anwendung dieser DBA-Bestimmung regeln.[1]

[1] So BT-Drs. 18/9536, 44.

6.1 Notifikation des Übergangs zur Anrechnungsmethode (§ 2 Abs. 3 Nr. 1 AO)

 

Rz. 21

Art. 22 Abs. 1 Nr. 5c DE-VG erlaubt es der Bundesrepublik Deutschland, nach Konsultation des anderen Vertragsstaates auf diplomatischem Weg Einkünfte oder Vermögen oder Teile zu notifizieren, auf die sie die eine Steueranrechnung nach § 22 Abs. 1 Nr. 3 DE-VG anwenden will. Dadurch wird eine Doppelbesteuerung durch Steueranrechnung vom ersten Tag des Kalenderjahres beseitigt, das dem Kalenderjahr folgt, in dem die Notifikation übermittelt wurde.[1] In der Praxis wurde den zahlreichen Notifikationsklauseln[2] bisher kein Gebrauch gemacht.

 

Rz. 22

Diese Verordnungsermächtigung des § 2 Abs. 3 Nr. 1 AO genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen. Erforderlich ist schon wegen Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG und der Wesentlichkeitstheorie[3] eine formell-gesetzliche Entscheidung durch den Gesetzgeber. Dem genügt die Verordnungsermächtigung nicht.[4] Unter Berücksichtigung dieser verfassungsrechtlichen Bedenken wäre eine auf § 2 Abs. 3 Nr. 1 AO gestützte Verordnung fehlerhaft und nichtig.

[1] Schönfeld-Ditz, DBA, 2. Aufl. 2019, Anh. 4 Rz. 204.
[2] Vogel/Lehner, DBA, 7. Aufl. 2021, OECD-MA 2014, Art. 23A, Art. 23B Rz. 176a.
[4] Oellerich, in Gosch, AO/FGO, § 2 AO Rz. 111; Musil, in HHSp, AO/FGO, § 2 AO Rz. 406ff.; Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 2 AO Rz. 43i und 43k; Vogel/Lehner, DBA, 7. Aufl. 2021, OECD-MA 2014 Art. 23A, Art. 23B Rz. 176 und 176a.

6.2 Erweiterung des Kassenstaatsprinzips (§ 2 Abs. 3 Nr. 2 AO)

 

Rz. 23

Die Kassenstaatsklausel ist nach Art. 18 Abs. 3 und 5 DE-VG auch für Löhne, Gehälter, Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen anzuwenden, die von bestimmten juristischen Personen des öffentlichen Rechts bzw. für das Goethe-Institut und für den DAAD geleistete Dienste gezahlt werden.[1] Voraussetzung ist, dass dies zwischen den beteiligten Behörden vereinbart wird. Die Einbeziehung erfolgt aufgrund einer Verständigungsvereinbarung.[2]

Die Regelung ist auf Löhne, Gehälter, Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen anzuwenden, die an natürliche Personen für Dienste gezahlt werden, die für das Goethe-Institut und für den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) geleistet werden sowie für andere ähnliche Einrichtungen, wenn dies zwischen den zuständigen Behörden vereinbart wird. Entsprechende Regelungen enthalten z. B. die DBA Albanien und Norwegen.[3]

 

Rz. 24

Es ist nicht abschließend geklärt, ob auch die Regelung des § 2 Abs. 3 Nr. 2 AO wegen des Verstoßes gegen Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG und gegen die Wesentlichkeitstheorie verfassungswidrig ist. Teils wird ein solcher Verstoß als noch zulässige Verordnungsermächtigung betrachtet[4], teils wird aber auch die Verfassungswidrigkeit angenommen.[5] Für die Zulässigkeit der Verordnungsermächtigung spricht, dass der Umfang der Erweiterung des Kassenstaatsprinzips schon durch § 2 Abs. 3 Satz 2 AO vorgegeben ist. Soweit die Verordnungsermächtigung den Rahmen des § 2 Abs. 3 Satz 2 AO überschreiten sollte, unterliegt sie der – ggf. zur Unanwendbarkeit führenden – gerichtlichen Kontrolle.

[1] BT-Drs. 18/9635, 44.
[2] So § 2 Abs. 3 Nr. AO im Anschluss an Art. 18 Abs. 3 und 5 DE-VG; Vogel/Lehner, DBA, 7. Aufl. 2021, Art. 19 Öffentlicher Dienst Rz. 44f.
[3] Vogel/Lehner, DBA, 7. Aufl. 2021, Art. 19 Öffentlicher Dienst Rz. 43.
[4] So Musil, in HHSp, AO/FGO, § 2 AO Rz. 412f.; Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 2 AO Rz. 43l und 43m.
[5] So Oellerich, in Gosch, AO/FGO, § 2 AO Rz. 123; Schönfeld/Ditz, DBA, 2. Aufl. 2019, Systematik Rz. 118.

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