Rz. 56

Außer durch die absolute Grenze für die Geltendmachung des Haftungsanspruchs nach § 191 Abs. 5 S. 1 AO[1] kann dieser auch nach § 191 Abs. 3 AO ausgeschlossen sein.[2]  Hieraus ergibt sich eine Befristung der Festsetzung des Haftungsanspruchs. Nach Ablauf dieser Haftungsfestsetzungsfrist können Haftungsbescheide weder erlassen noch zulasten des Haftungsschuldners geändert oder gemäß § 129 AO berichtigt werden.[3] Die Vorschriften über die Festsetzungsfrist für Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis[4] gelten entsprechend.

 

Rz. 57

Der Beginn der Haftungsfestsetzungsfrist ist nach § 191 Abs. 3 S. 3 AO an die Entstehung des Haftungsanspruchs geknüpft. Es müssen sämtliche haftungsbegründenden Tatbestandsmerkmale erfüllt (s. Rz. 9) und der "Primäranspruch" entstanden sein[5], auf die Festsetzung des Primäranspruchs kommt es indessen nicht an.[6]

Somit kommt es auch nicht auf den Fälligkeitszeitpunkt des Primäranspruchs an.[7]

Beginn der Haftungsfestsetzungsfrist ist der Ablauf des Kalenderjahres, in das die Entstehung des Haftungsanspruchs fällt.[8]

Die Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 bis 6 AO findet grundsätzlich auf den Haftungsbescheid keine Anwendung.[9] Jedoch soll die Anlaufhemmung der Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO bei Nichtabgabe der Steuererklärung gem. § 191 Abs. 3 S. 1 AO auch gegenüber dem Haftungsschuldner wirken, wenn dieser eine Steueranmeldung bzw. Steuererklärung abzugeben hat.[10]

Bei der Haftung nach § 69 AO ist für den Fristbeginn ohne Bedeutung:

  • der Zeitpunkt der Zahlungsunfähigkeit[11];
  • die tatsächliche Fälligkeit des Primäranspruchs.[12]
 

Rz. 58

Die Dauer der Haftungsfestsetzungsfrist ist abhängig von dem jeweiligen Haftungstatbestand. Sie beträgt grundsätzlich

  • bei der Haftung nach § 71 AO zehn Jahre,
  • bei der Haftung nach § 70 AO, sofern eine

    • Steuerhinterziehung[13] vorliegt, zehn Jahre,
    • leichtfertige Steuerverkürzung[14] vorliegt, fünf Jahre,
  • bei allen anderen Haftungstatbeständen vier Jahre.

Die Regelung ist abschließend.[15]. Maßgeblich ist allein die Inanspruchnahme nach den Haftungsnormen der §§ 70, 71 AO; unerheblich ist, sofern die Inanspruchnahme nach einer anderen Rechtsnorm erfolgt ist, dass eine Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt und damit die Inanspruchnahme nach §§ 70, 71 AO möglich gewesen wäre, somit beträgt die Festsetzungsverjährung bei einer Haftung nach § 69 AO vier Jahre, auch wenn der entsprechende Haftende eine Steuerhinterziehung begangen hat.[16]

 

Rz. 59

Für das Ende der Haftungsfestsetzungsfrist sind Ablaufhemmungen zu beachten. Hierbei ist zu differenzieren:

  • Ist der Primäranspruch[17] noch nicht festgesetzt, so endet die Haftungsfestsetzungsfrist nicht vor Ablauf der hierfür geltenden Festsetzungsfrist.[18] Damit muss zum einen das Ende der Haftungsfrist nach § 191 Abs. 3 S. 1 bis 3 AO ermittelt werden und zum anderen das Ende der Steuerfestsetzungsfrist nach §§ 170, 171 AO.[19] Die Tatbestände der Anlaufhemmung für die Steuerfestsetzungsfrist[20] wirken somit für die Haftungsfestsetzungsfrist als Ablaufhemmung.[21]  Auch die Tatbestände der Ablaufhemmung für die Steuerfestsetzungsfrist[22] greifen zudem verlängernd für die Haftungsfestsetzungsfrist ein.[23]  In diesen Fällen gilt also wieder die absolute Grenze des § 191 Abs. 5 S. 1 AO.[24]
 

Rz. 60

  • Ist der Primäranspruch[25] festgesetzt, so endet – mit Ausnahme der Haftung nach §§ 73, 74 AO[26] – nach § 191 Abs. 3 S. 4 Alt. 2 AO i. V. m. § 171 Abs. 10 AO die Haftungsfestsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe der Steuerfestsetzung.[27]  Der Steuerbescheid hat ausnahmsweise insoweit die Funktion eines Grundlagenbescheids.[28]  Für die Anwendung dieser zweiten Regelungsalternative kommt es nicht darauf an, ob der Primäranspruch vor oder nach Ablauf der regulären Festsetzungsfrist für den Erlass des Haftungsbescheids festgesetzt worden ist.[29] Insofern bestimmt § 191 Abs. 3 S. 4 Alt. 2 AO keinen absoluten zeitlichen Endpunkt der Festsetzungsfrist, sondern nur den frühesten Zeitpunkt des Verjährungseintritts.[30] Hinsichtlich des Beginns der Festsetzungsfrist hat diese Regelung keine Auswirkung.[31].
 

Rz. 61

[1] S. Rz. 52.
[2] Halaczinsky, Die Haftung im Steuerrecht, 4. Aufl. 2013, Rz. 626.
[3] § 191 Abs. 3 S. 1 i. V. m. § 169 AO; BFH v. 12.8.1997, VII R 107/96, BStBl II 1998, 131, 133; Halaczinsky, Die Haftung im Steuerrecht, 4. Aufl. 2013, Rz. 628; s. Rz. 32.
[5] S. Rz. 10–11a.
[6] Halaczinsky, Die Haftung im Steuerrecht, 4. Aufl. 2013, Rz. 632; Nacke, Die Haftung für Steuerschulden, 3. Aufl. 2012, Rz. 687; BFH v. 12.10.1999, VII R 98/98, BStBl II 2000, 486; BFH v. 12.10.1999, VII R 98/98, BStBl II 2000, 486; BFH v. ...

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