3.1 Entstehung (§ 38 AO)

 

Rz. 8

Der Haftungsanspruch ist gem. § 37 Abs. 1 AO ein selbstständiger Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis.[1] Er entsteht nach § 38 AO, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Haftung knüpft. Der Erlass des Haftungsbescheids[2] ist für die Entstehung des Haftungsanspruchs ohne Bedeutung, er verwirklicht lediglich nach § 218 Abs. 1 AO bescheidmäßig diesen Anspruch. Letzteres hat nur Bedeutung für die Fälligkeit und die verfahrensrechtliche Durchsetzbarkeit des Anspruchs.[3]

Für die Entstehung des materiellen Haftungsanspruchs bestehen zwei Voraussetzungen.

3.2 Haftungsnorm

 

Rz. 9

Erste Voraussetzung des materiellen Haftungsanspruchs ist, dass die Normerfordernisse der haftungsbegründenden Rechtsvorschrift erfüllt sind (beispielsweise §§ 69ff. AO).[1] Hierbei handelt es sich nicht um eine Ermessensentscheidung der Finanzbehörde i. S. v. § 5 AO, vielmehr ist diese zuvor von der Finanzbehörde im Zuge ihrer Amtsermittlungspflicht vorzunehmende Prüfung und Entscheidung voll wiederum durch die FG überprüfbar, lediglich die Entscheidung ob, in welcher Höhe und gegen wen ein Haftungsbescheid ergehen soll (Frage des Entschließungs- und Auswahlermessens), ist nur in den Grenzen des § 102 FGO finanzgerichtlich überprüfbar.[2]

Diese erste Voraussetzung bestimmt

  • die Person des Haftungsschuldners,
  • den Haftungsgegenstand,
  • die Haftungsart,
  • den Haftungsumfang, d. h. für welche Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (s. Rz. 10) gehaftet wird,
  • die Höhe der Haftung.[3]

Sind für den gleichen Lebenssachverhalt die Voraussetzungen mehrerer haftungsbegründender Rechtsnormen erfüllt, so kann die Behörde wählen, auf welche Haftungsnorm sie den Haftungsbescheid stützt.[4] Sie kann die Inanspruchnahme des Haftungsschuldners ggf. auch auf mehrere Haftungstatbestände gründen.

3.3 Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis

3.3.1 Existenz des Primäranspruchs

 

Rz. 10

Zweite Voraussetzung ist die Existenz eines einzelnen, bestimmten Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis[1], für den gehaftet wird.[2] Der Haftungsanspruch setzt zwingend die Existenz des Primäranspruchs voraus.[3] Er ist abhängig von diesem "Primäranspruch". Aus dieser regelmäßigen Akzessorietät des Haftungsanspruchs zu dem Primäranspruch[4] ergeben sich für die Geltendmachung Konsequenzen. Der den Primäranspruch festsetzende Steuerbescheid und der Haftungsbescheid stehen allerdings nicht im Verhältnis Grundlagen- zu Folgebescheid.[5]

3.3.2 Entstehung des Primäranspruchs

 

Rz. 10a

Der Haftungsanspruch selbst kann nur entstehen, wenn der Primäranspruch[1] entstanden ist.[2] Er kann auch grundsätzlich erst mit Entstehung des Primäranspruchs geltend gemacht werden, sofern die übrigen Haftungsvoraussetzungen erfüllt sind[3]; ausgenommen § 76 Abs. 2 AO für die Sachhaftung der verbrauchsteuerpflichtigen Waren, was damit zusammenhängt, dass es hier nur um ein dingliches Verwertungsrecht geht.[4]

 

Rz. 11

§ 191 Abs. 3 S. 4 und Abs. 5 AO stellen klar, dass die steuerliche Festsetzung des materiell existenten Primäranspruchs[5] für den Erlass des Haftungsbescheids nicht vorausgesetzt wird.[6] Es ist demgemäß unerheblich, ob eine Steuerfestsetzung vorliegt, eine vorliegende Steuerfestsetzung endgültig oder nach §§ 164, 165 AO bedingt bzw. bestandskräftig oder angefochten ist.[7] Unerheblich ist es also auch, dass eine festgesetzte Steuer gem. § 162 AO (ordnungsgemäß) geschätzt worden ist.[8]

Nicht vorausgesetzt wird demgemäß auch die Fälligkeit oder die Vollziehbarkeit des Primäranspruchs.[9] Die Aussetzung der Vollziehung des Primäranspruchs nach § 361 AO bzw. § 69 FGO hindert nicht die Verwirklichung des Haftungstatbestands und den Erlass des Haftungsbescheids[10] Anders verhält es sich aber, wenn es um die Haftung für einen Rückerstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO geht. Hier muss aufgrund formeller Bes...

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