Rz. 48

Abs. 5 bestimmt, dass "§ 171 Abs. 10 AO außer Betracht" bleibe. Das Verständnis dieser Bestimmung hat Schwierigkeiten bereitet.[1] Es ergibt sich jedoch aus dem Bezug, den das Wort "hierbei" herstellt. Nach Abs. 5 kann eine gesonderte Feststellung durchgeführt werden, auch wenn die Feststellungsfrist abgelaufen ist. Voraussetzung ist nur, dass die Festsetzungsfrist des Folgebescheids noch nicht abgelaufen ist. "Hierbei" ist dann § 171 Abs. 10 AO außer Betracht zu lassen. Nur wenn diese Bestimmung auf die "Festsetzungsfrist des Folgebescheids" bezogen wird, nicht auf den ganzen vorhergehenden Satz oder den ersten Satzteil, ergibt diese Regelung einen Sinn. § 181 Abs. 5 AO lässt eine gesonderte Feststellung zu, soweit die Festsetzungsfrist des Folgebescheids nicht entgegensteht. Nach § 171 Abs. 10 AO wird bei Ergehen eines Grundlagenbescheids die Festsetzungsfrist des Folgebescheids aber immer durchbrochen, kann also nie entgegenstehen. Es besteht hier die Gefahr eines "Zirkels": ein Grundlagenbescheid kann ergehen, soweit die Festsetzungsfrist des Folgebescheids nicht entgegensteht; diese steht aber wegen § 171 Abs. 10 AO nie entgegen, also kann ein Grundlagenbescheid immer ergehen, eine Verjährung tritt nie ein. Diesen Zirkel verhindert die Formulierung, dass § 171 Abs. 10 AO nicht anzuwenden sei. Sie bedeutet, dass (nur) bei der Prüfung, ob die Festsetzungsfrist des Folgebescheids noch durchbrochen und damit der Feststellungsbescheid noch erlassen werden kann, § 171 Abs. 10 AO nicht anzuwenden ist. Dagegen ist mit dieser Bestimmung nicht gemeint, dass bei der nach § 181 Abs. 5 AO ergehenden Feststellung § 171 Abs. 10 AO überhaupt nicht anwendbar ist.[2] Das würde bedeuten, dass u. U. ein Feststellungsbescheid ergehen könnte, weil die Festsetzungsfrist des Folgebescheids noch nicht abgelaufen ist, dann aber die Folgeänderung nicht mehr durchführbar ist, weil inzwischen die Festsetzungsfrist des Folgebescheids verstrichen ist und § 171 Abs. 10 AO nicht angewendet werden kann, etwa bei Erlass des Grundlagenbescheids kurz vor Ablauf der Festsetzungsfrist des Folgebescheids. Noch unbefriedigender würden die Ergebnisse, wenn der nach § 181 Abs. 5 AO erlassene Feststellungsbescheid angefochten wird und die im Rechtsbehelfsverfahren erzielte Änderung nicht mehr beim Folgebescheid berücksichtigt werden könnte, weil inzwischen die Festsetzungsfrist abgelaufen ist und § 171 Abs. 10 AO nicht angewendet werden kann. Diese Auslegung des § 181 Abs. 5 AO würde gegen das Prinzip des § 171 Abs. 10 AO verstoßen, dass nach dem zulässigen Erlass des Grundlagenbescheids mindestens 2 Jahre zur Umsetzung in den Folgebescheid zur Verfügung stehen müssen. Die Nichtanwendung des § 171 Abs. 10 AO gem. § 181 Abs. 5 AO bezieht sich daher nur auf die Zulässigkeit eines Feststellungsbescheids nach Ablauf der Feststellungsfrist. Ist der Feststellungsbescheid danach zulässig, richtet sich das weitere Verfahren nach den allgemeinen Regeln, also auch nach § 171 Abs. 10 AO.[3]

 

Rz. 49

Für die Frage, welche Steuern bei Ergehen des Feststellungsbescheids noch festsetzbar sind, kommt es auf den Zeitpunkt an, zu dem die Steuerverwaltung alles zur Bekanntgabe des Feststellungsbescheids an den Betroffenen Erforderliche getan hat. Es gilt § 169 Abs. 1 AO. Wenn der Feststellungsbescheid den Bereich der Finanzbehörde verlassen hat und daher geeignet ist, die Festsetzungsfrist zu wahren, greift die Wirkung des § 171 Abs. 10 AO ein, d. h., der Ablauf der Festsetzungsfrist für den Folgebescheid ist gehemmt, wenn sie in diesem Zeitpunkt noch nicht abgelaufen war.

[1] Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 181 AO Rz. 110ff.; Wefers, StuW 1997, 310.
[2] So auch Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 181 AO Rz. 19.
[3] Hierzu auch Wefers, StuW 1997, 310.

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