Rz. 141

Aus § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO ist die Lösung des Problems der Steuer- und Satzungsklauseln abzuleiten. Eine Steuerklausel liegt vor, wenn die Parteien eines Rechtsgeschäfts diesem die Bestimmung beifügen, es solle nur wirksam sein, wenn die von den Parteien übereinstimmend unterstellten steuerlichen Wirkungen einträten. Sollte die Finanzverwaltung aus dem Sachverhalt ungünstigere steuerliche Konsequenzen ziehen, sollte das Geschäft nicht gelten. Steuerklauseln werden benutzt, um nachteilige steuerliche Folgen eines Geschäfts zu vermeiden, wenn diese steuerlichen Folgen für die Beteiligten bei Vornahme des Geschäfts nicht sicher beurteilt werden können. Anwendungsfälle sind Geschäfte, bei denen die Finanzverwaltung eine verdeckte Gewinnausschüttung annehmen könnte, oder Unternehmenskaufverträge, deren steuerliche Behandlung unsicher ist.[1]

 

Rz. 142

Über die Rechtsnatur von Steuerklauseln bestehen Unklarheiten. Es ist grundsätzlich möglich, einem nicht bedingungsfeindlichen Geschäft eine Bedingung beizufügen. Für eine Steuerklausel ist eine aufschiebende Bedingung aber ungeeignet, da dann das Rechtsgeschäft, soweit die Bedingung reicht, unwirksam bleiben würde und die Verwaltung keine Veranlassung hätte, über die steuerlichen Folgen eines noch nicht wirksamen Geschäfts zu entscheiden. Überwiegend wird daher eine auflösende Bedingung angenommen.[2] Hiermit lässt sich jedoch das Problem der Steuerklauseln nicht systemgerecht lösen. Eine auflösende Bedingung entfaltet nach §§ 158, 159 BGB keine echte Rückwirkung, es entstehen nur schuldrechtliche Rückgewährpflichten (vgl. Rz. 93). Aus einer auflösenden Bedingung lässt sich daher eine steuerliche Rückwirkung nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO nicht ableiten. Die Gegenmeinung[3] lehnt die Annahme einer auflösenden Bedingung ab, da es sich um eine unechte Bedingung (Gegenwartsbedingung) handle; die Wirksamkeit des Geschäfts werde von der bestehenden steuerlichen Rechtslage abhängig gemacht, also nicht von einem objektiv ungewissen zukünftigen Ereignis. Die Rechtslage sei objektiv gewiss, wenn auch den Beteiligten unbekannt. M. E. führt diese Diskussion über die zivilrechtliche Einordnung aber nicht weiter. Es ist durchaus möglich, die Steuerklausel als unechte Bedingung zu formulieren ("unter der Bedingung, dass das Geschäft steuerlich … zu behandeln ist"), möglich ist aber auch eine echte Bedingung ("unter der Bedingung, dass das FA eine bestimmte steuerliche Folge anerkennt"; hier wird berücksichtigt, dass die Finanzbehörde auch eine unrichtige Ansicht vertreten kann).

 

Rz. 143

§ 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO lässt die Berücksichtigung einer steuerlichen Rückwirkung zu; die Lösung ist daher nicht einem zivilrechtlichen Begriff der Rückwirkung, sondern steuerlichen Grundsätzen zu entnehmen.[4] Regelmäßig wird sich zwar die steuerliche Rückwirkung mit der zivilrechtlichen decken; das ist jedoch nicht begriffsnotwendig. So wie eine zivilrechtliche Rückwirkung nicht anerkannt wird, wenn die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis bestehen lassen, kann ebenso in Fällen, in denen die Beteiligten ein wirtschaftliches Ereignis herbeiführen, das einen früheren Zustand wiederherstellt, eine steuerliche Rückwirkung nach Treu und Glauben anerkannt werden. Genau genommen handelt es sich nicht um eine echte Rückwirkung, da der im Steuerrecht maßgebliche "tatsächliche Zustand" nicht rückwirkend wiederhergestellt werden kann. Es handelt sich um die Wiederherstellung eines Zustands in der Gegenwart, nicht für die Vergangenheit, der aus besonderen Gründen die gleichen Wirkungen beigelegt werden, die bestünden, wenn eine echte Rückwirkung eingetreten wäre.

 

Rz. 144

Die Rspr. hat es bisher abgelehnt, eine solche steuerliche Rückwirkung aus Treu und Glauben anzunehmen. Die ältere Rspr. des BFH hatte sich allerdings durchaus in diese Richtung entwickelt.[5] Danach konnte angesichts der Kompliziertheit des Steuerrechts die steuerliche Rückwirkung einer solchen bei Vertragsabschluss vereinbarten Steuerklausel nicht verneint werden, wenn Manipulationen ausgeschlossen waren, sich der Vorgang steuerlich noch nicht ausgewirkt hatte und die Beteiligten sich in einem Ausmaß über die steuerliche Behandlung geirrt hatten, dass angenommen werden musste, dass sie bei Kenntnis der steuerlichen Folgen das Geschäft nicht geschlossen hätten.

 

Rz. 145

Jedoch hatte der BFH wiederholt Bedenken gegen diese Rspr. geäußert[6] und anschließend diese Rspr. ausdrücklich aufgegeben.[7] Der BFH führt aus, dass die Besteuerung an tatsächliche wirtschaftliche Vorgänge anknüpft, die, wenn sie sich einmal ereignet haben, grundsätzlich ebenso wenig mit steuerlicher Wirkung ungeschehen gemacht werden können, wie umgekehrt Vorgänge für die Besteuerung fingiert werden dürfen. Ausnahmen hierfür bedürften einer Grundlage im Gesetz. Die ältere Rspr. habe die Rückgängigmachung von Geschäftsvorfällen auf (persönliche oder sachliche) Billigkeitserwägungen gestützt; diese dürften aber nicht zu einer Rückgängigmachung von Geschäfts...

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