4.1 Aufhebung oder Änderung

 

Rz. 234

Als Rechtsfolge bestimmt § 173 Abs. 1 AO, dass die Steuerfestsetzung aufzuheben oder zu ändern ist. Zu den Begriffen "Aufhebung" und "Änderung" vgl. Rz. 16. Die Aufhebung und Änderung der Steuerfestsetzung hat von Amts wegen zu erfolgen, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen. Auch bei Aufhebung oder Änderung zugunsten des Stpfl. ist kein Antrag erforderlich. Die Aufhebung oder Änderung nach § 173 AO steht nicht im Ermessen der Finanzbehörde. § 173 Abs. 1 AO drückt dies eindeutig dadurch aus, dass die Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern "sind".[1] Die Pflicht zur Änderung ist sachgerecht, da die Richtigstellung sachlich unrichtiger Steuerfestsetzungen nicht im Ermessen der Steuerbehörde stehen sollte.

 

Rz. 234a

Auch wenn die Voraussetzungen des § 173 AO vorliegen, kann die Änderung des Steuerbescheids zu Lasten des Stpfl. nach Treu und Glauben unzulässig sein, so dass die Finanzbehörde ihre Forderung nicht mehr verfolgen kann. Angesichts des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung kann der Grundsatz von Treu und Glauben aber allenfalls in Sonderfällen die Festsetzung der gesetzlich entstandenen Steuer verhindern. Das ist der Fall, wenn das Vertrauen des Stpfl. in ein bestimmtes Verhalten der Finanzbehörde nach dem allgemeinen Rechtsgefühl in so hohem Maße schutzwürdig ist, dass die genannten Grundsätze demgegenüber zurücktreten müssen. Zusätzlich ist erforderlich, dass der Stpfl. im Vertrauen auf das Verhalten der Verwaltung disponiert hat. Ein solcher Fall liegt vor, wenn die Finanzbehörde und der Stpfl. zur endgültigen Erledigung eines Rechtsstreits übereinstimmend die Hauptsache für erledigt erklärt bzw. der Stpfl. den Rechtsbehelf zurückgenommen hat, dann die Finanzbehörde den Fall aber wieder aufgreift und erneut einen den Stpfl. belastenden Steuerbescheid über dieselben Sachverhalte erlässt.[2]

Angesichts der engen Voraussetzungen des Tatbestands von Treu und Glauben ist es andererseits kaum denkbar, dass dieser Grundsatz eine Änderung der Steuerfestsetzung zugunsten des Stpfl. verhindert. So wird die Finanzverwaltung kaum "schutzwürdig" i. d. S. sein; auch erscheint eine "Disposition im Vertrauen auf das Verhalten des Stpfl." durch die Finanzbehörde als ausgeschlossen.

[1] Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 173 AO Rz. 104.

4.2 Umfang der Aufhebung bzw. Änderung

 

Rz. 235

Sachlich erstreckt sich der Umfang der Aufhebung oder Änderung nur soweit, als die bekannt gewordene Tatsache oder das Beweismittel reichen. Es tritt im Gegensatz zur Rechtslage nach der RAO keine Gesamtaufrollung des ganzen Steuerfalls ein. Deshalb sind auch die von der Rspr. zur RAO entwickelten Bagatallgrenzen für die Änderung (Tatsachen von einigem Gewicht) nicht mehr anwendbar.[1] Der Wortlaut des § 173 Abs. 1 AO, wonach der Steuerbescheid zu ändern ist, "soweit Tatsachen…" regelt unzweideutig, dass steuerliche Folgerungen nur aus den neuen Tatsachen gezogen werden können. So kann im Rahmen einer Änderung nach § 173 Abs. 1 AO nicht zusätzlich berücksichtigt werden, dass ein Benennungsverlangen nach § 160 AO nicht erfüllt wurde. Neue Tatsachen können nur solche sein, die bereits bei Wirksamwerden des Steuerbescheids vorlagen, aber unbekannt sind. Ein Benennungsverlangen vor diesem Zeitpunkt ist der Finanzbehörde naturgemäß nicht unbekannt. Ein danach erfolgtes Benennungsverlangen lag im maßgeblichen Zeitpunkt noch nicht vor. Die Nichterfüllung des Benennungsverlangens ist daher keine "neue Tatsache" i. S. d. § 173 AO. § 173 AO und § 160 AO sind unabhängig voneinander, so dass § 160 AO nicht im Rahmen des § 173 AO angewandt werden kann.[2] Möglich ist nur eine Saldierung im Rahmen des § 177 AO. Zeitliche Schranke für die Änderung ist der Ablauf der Festsetzungsfrist nach § 169 AO.

4.3 Kleinbetragsregelung

 

Rz. 236

Sowohl bei Änderungen zuungunsten als auch bei Änderungen zugunsten des Stpfl. war für die Zeit vom 1.1.1987 bis 31.12.1993 die Kleinbetragsregelung des § 173 Abs. 1 a. E. AO anzuwenden. Diese Vorschrift wurde durch Gesetz v. 19.12.1985, BStBl I 1985, 735 mit Wirkung ab 1.1.1987 eingefügt und durch Gesetz v. 21.12.1993, BStBl I 1994, 50 mit Wirkung ab 1.1.1994 wieder gestrichen. Vgl. hierzu BFH v. 24.3.1992, VIII R 33/90, BStBl II 1992, 869, 872. Grund für die Streichung war, dass sich herausgestellt hatte, dass die Kleinbetragsregelung nicht die erhoffte Verwaltungserleichterung gebracht hatte. Der Sachbearbeiter konnte bei der maschinellen Veranlagung die betragsmäßigen Auswirkungen nicht ohne Weiteres erkennen. Die Steuerfestsetzung musste also erst durchgerechnet werden, bevor entschieden werden konnte, ob diese besondere Kleinbetragsregelung anzuwende...

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