Rz. 191

Diese Vorschrift zieht die Konsequenz aus der Regelung, dass die steuerliche Handlungsfähigkeit nach § 79 Abs. 1 Nr. 1, 2 AO an die bürgerlich-rechtliche Geschäftsfähigkeit anknüpft. Ist der Stpfl. nicht geschäftsfähig, ist er steuerlich auch nicht handlungsfähig. Hat eine solche Person keinen gesetzlichen Vertreter, können Verwaltungsakte ihr auch nicht wirksam bekannt gegeben werden. Die Festsetzungsfrist endet daher nicht früher als 6 Monate nach dem Zeitpunkt, zu dem der Stpfl. geschäftsfähig wird bzw. einen gesetzlichen Vertreter erhält.

 

Rz. 192

Durch Gesetz v. 12.9.1990, BStBl I 1990, 622 ist Abs. 11 mit Wirkung ab 1.1.1992 auf Betreuungen i. S. d. § 1903 BGB ausgedehnt worden. Durch dieses Gesetz sind die Vormundschaften über Volljährige und Pflegschaften in Betreuungen umgewandelt worden. Nach § 1903 BGB kann das Vormundschaftsgericht anordnen, dass der Betreute zur Abgabe von Willenserklärungen der Einwilligung des Betreuers bedarf. Ohne diese Einwilligung sind Verfahrenshandlungen des Betreuten nach § 79 Abs. 2 AO nicht wirksam. Verwaltungsakte müssen daher dem Betreuer bekannt gegeben werden. Ist der Betreuer jedoch gestorben, weggefallen oder aus rechtlichen Gründen an der Vertretung des Betreuten verhindert, sieht Abs. 11 eine Ablaufhemmung bis 6 Monate nach dem Zeitpunkt vor, in dem entweder der Ermittlungsvorbehalt nach § 1903 BGB aufgehoben wird oder ein zur Vertretung des Betreuten fähiger Betreuer vorhanden ist.

 

Rz. 192a

Die Vorschrift gilt nur für natürliche Personen. Juristische Personen können zwar handlungsunfähig sein, nicht aber geschäftsunfähig oder beschränkt geschäftsfähig.[1] Der Gegenmeinung ist zuzugeben, dass eine Ausdehnung auf Gesellschaften zweckmäßig wäre. Das hätte der Gesetzgeber leicht durch Verwendung des Begriffs des gesetzlichen Vertreters erreichen können, hat er aber nicht getan. Möglich wäre nur eine analoge Ausdehnung der Vorschrift auf juristische Personen. Dem steht m. E. jedoch der klare Wortlaut mit der Bezugnahme der Vorschrift auf geschäftsunfähige oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Personen entgegen. Dadurch entsteht bei der AG eine Lücke, wenn weder Vorstand noch Aufsichtsrat besetzt sind und damit mangels vertretungsberechtigter Personen eine Bekanntgabe von Steuerbescheiden nicht möglich ist. Erforderlich ist dann eine Bestellung durch das Gericht, §§ 85, 104 AktG. Bei der GmbH besteht diese Problematik nicht, da bei ihr die Gesellschafter nach § 35 Abs. 1 S. 2 GmbH in diesem Fall vertretungsberechtigt sind. Bei Personengesellschaften können eine Vertretung nach § 183 AO erreicht oder Steuerbescheide an alle Gesellschafter bekannt gegeben werden.

[1] A. A. Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 171 AO Rz. 99; Banniza, in HHSp, AO/FGO, § 171 AO Rz. 227; Paetsch, in Gosch, AO/FGO, § 171 AO Rz. 181.

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