3.1 Systematische Stellung

 

Rz. 5a

Gegenüber dem regelmäßigen Beginn der Festsetzungsfrist nach Abs. 1 enthalten Abs. 2-7 verschiedene Tatbestände der Anlaufhemmung. Dadurch soll vermieden werden, dass die Festsetzungsfrist zu laufen beginnt und damit ablaufen kann, bevor die zuständige Finanzbehörde von dem Steuerfall Kenntnis erlangt. I. d. R. ist die Anlaufhemmung nicht unbegrenzt, sondern soll nur die Bearbeitungsfrist für die Finanzbehörde verlängern; Ausnahme ist z. B. § 170 Abs. 3 AO. Besteht eine Anlaufhemmung nach anderen Vorschriften, wie z. B. § 175 Abs. 1 S. 2 AO, tritt diese neben die Ablaufhemmungen des § 170 Abs. 3 AO im Ergebnis mit dem jeweils späteren Zeitpunkt; im Ergebnis gilt die längere Anlaufhemmung.[1]

3.2 Abgabe von Steuererklärungen und Steueranmeldungen, Anzeigen, Abs. 2

3.2.1 Zweck der Regelung

 

Rz. 6

Ist eine Steuererklärung oder Steueranmeldung abzugeben, tritt nach § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO für Besitz- und Verkehrsteuern und Realsteuern eine Anlaufhemmung bis zum Ablauf des Kalenderjahrs ein, in dem die Erklärung oder Anmeldung abgegeben wird. Damit soll verhindert werden, dass der Stpfl. durch verspätete Abgabe der Erklärung oder Anmeldung bei der Finanzbehörde die für die Steuerfestsetzung zur Verfügung stehende Zeit verkürzen kann. Gleiches gilt für die Pflicht, eine Anzeige zu erstatten. Die Anlaufhemmung setzt den Lauf der Festsetzungsfrist für eine bestimmte Steuer für einen bestimmten Vz. gegen einen bestimmten Stpfl. voraus. Anzeigen, die nicht in diesem Sinne der Festsetzung einer bestimmten Steuer dienen, führen also nicht zur Anlaufhemmung. Dies gilt insbesondere für die Pflicht zur Anzeige einer grenzüberschreitenden Steuergestaltung nach §§ 138d ff. AO.

Zu den Fällen, in denen eine Pflicht zur Abgabe einer Steueranmeldung oder einer Steuererklärung sowie zur Erstattung einer Anzeige besteht, vgl. Rz. 25ff.

3.2.2 Anwendungsbereich

 

Rz. 7

Die Regelung des Abs. 2 über den Beginn der Festsetzungsfrist gilt nicht für Verbrauchsteuern. Hierbei handelt es sich um Massenverfahren, bei denen die Steuer unmittelbar nach Verwirklichung des verbrauchsteuerpflichtigen Sachverhalts oder monatlich angemeldet und entweder überhaupt nicht oder sofort geprüft wird. Eine Anlaufhemmung erübrigt sich somit. Anders ist die Situation jedoch bei der Stromsteuer. Hier ist die Steueranmeldung für ein Jahr bis zum 31.5. des Folgejahrs abzugeben, wobei die Frist auch noch verlängert werden kann. Es ist auch zu erwarten, dass die Steueranmeldungen einen erheblichen Prüfungsbedarf aufwerfen werden, da die Stromsteuer, anders als die anderen Verbrauchsteuern, komplizierte Befreiungstatbestände enthält. Der Ablauf der Festsetzungsfrist schon am 31.12. des Folgejahrs ließe daher keine ausreichende Zeit für die notwendige Überprüfung der Steueranmeldungen. Daher ist für die Stromsteuer die Anlaufhemmung des Abs. 2 für anwendbar erklärt worden. Diese Regelung ist durch Gesetz v. 22.12.1999 eingeführt worden und gilt für alle bei Inkrafttreten des Gesetzes am 30.12.1999 noch nicht abgelaufenen Festsetzungsfristen.[1]

Gleiche Überlegungen gelten seit der Änderung der Vorschrift durch das Energiesteuergesetz[2] für die Energiesteuer auf Erdgas. Die Steueranmeldungen für die Energiesteuer auf Erdgas sind jährlich für jedes Kj. abzugeben, und zwar bis zum 31.5. des jeweiligen Folgejahres. Die Fristen für die Abgabe der Steueranmeldungen für die Steuern auf Erdgas und Strom sind daher identisch, sodass auch die Regelungen über den Beginn der Festsetzungsfrist identisch sein sollten. Das wird durch die Regelung erreicht. Auch für die Besteuerung von Erdgas erhalten die Finanzbehörden dadurch ausreichend Zeit, die Steueranmeldung zu überprüfen und die Steuer ggf. festzusetzen.

 

Rz. 8

Für Zölle gilt die Regelung über die Anlaufhemmung nicht, da der ZK vorrangig ist.[3] Die Erwähnung der Zölle in Abs. 2 S. 2 ist daher durch Gesetz v. 20.12.2001, BStBl I 2002, 4, 14 gestrichen worden.

 

Rz. 9

Die Anlaufhemmung gilt nicht für die Festsetzung der InvZul, obwohl hierauf nach § 155 Abs. 4 AO die Vorschriften über die Steuerfestsetzung sinngemäß anzuwenden sind. Einmal ist die InvZul keine "Steuer"; die Verweisung in § 155 Abs. 4 AO besagt nicht, dass die InvZul wie eine (Besitz- und Verkehr-)Steuer zu behandeln ist. Außerdem besteht für den Berechtigten keine Verpflichtung, über die InvZul eine Steuererklärung oder eine Anzeige abzugeben. Ob er einen Antrag stellt, liegt in seinem Belieben.[4] Entsprechendes gilt für die Forschungszulage nach FZulG.

 

Rz. 10

Aus dem europäischen Recht ergibt sich keine besondere Anlaufhemmung. Verstößt eine Steuerfestsetzung gegen europäisches Recht einschließlich der Grundfreiheiten, kann die Korrektur nur innerhalb der nach nationalem Recht zu berechnenden Festsetzungsfrist erreicht werden. Diese Festsetzungsfrist ist unter Anwendung des § 170 AO zu berechnen. Es besteht keine europarechtliche Anlaufhemmung bis zu dem Zeitpunkt, zu dem der EuGH die Streitfrage entschieden und der Stpfl. hiervon Kenntnis erlangt hat.[5]

[2] V. 15.7.2006, BGBl I 2...

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