Rz. 79

Bei der ErbSt ist es keine sachliche Unbilligkeit, wenn eine bestimmte Personengruppe in eine ungünstigere Steuerklasse eingereiht ist. Das gilt auch für Verlobte, wenn ein Verlobter nach Bestellung des Aufgebots stirbt, und zwar auch dann, wenn eine frühere Eheschließung wegen Verzögerungen in der behördlichen Bearbeitung unterblieben ist. Wenn das Gesetz als Anknüpfungszeitpunkt für die günstigere Steuerklasse den Zeitpunkt der Eheschließung wählt, nicht den der Bestellung des Aufgebots, müssen die hierin im Einzelfall liegenden Härten als vom Gesetzgeber gewollt hingenommen werden.[1]

Ebenfalls keine sachliche Unbilligkeit liegt vor, wenn ErbSt entsteht, weil bestimmte gesetzliche Voraussetzungen für die Steuerbefreiungen nicht vorliegen. Hat der Gesetzgeber die Steuerbefreiung bewusst von dem Vorliegen bestimmter Tatbestandsmerkmale abhängig gemacht, ist es nicht ermessensfehlerhaft, eine Billigkeitsmaßnahme in Fällen zu verweigern, in denen diese Tatbestandsmerkmale nicht vorliegen.[2]

 

Rz. 80

Keine unbillige Härte liegt auch darin, dass das mit der ErbSt belastete Vermögen später verloren geht oder sich sein Wert vermindert. Das ist eine Folge des Stichtagsprinzips, die hingenommen werden muss.[3]

Keine sachliche Unbilligkeit liegt auch vor, wenn das übergegangene steuerbegünstigte Vermögen innerhalb der Sperrfrist veräußert werden muss und daher ErbSt nachzuerheben ist. Das gilt auch bei einer Nachlassinsolvenz. Die Veräußerung durch den Insolvenzverwalter ist dem Erben zuzurechnen. Die Regelung des ErbStG, dass eine niedrige Bewertung des übergegangenen Vermögens bzw. ein Absehen von der Erhebung der ErbSt nur dann eintritt, wenn dieses Vermögen nicht innerhalb eines bestimmten Zeitraums veräußert wird, stellt nicht darauf ab, aus welchen Gründen die Veräußerung erfolgt und ob sie freiwillig oder gezwungen ist. Die Folgen dieser Wertentscheidung des Gesetzgebers müssen von dem Stpfl. hingenommen werden.[4]

 

Rz. 81

Keine sachliche Unbilligkeit liegt schließlich vor, wenn der Wert des übertragenen Vermögens durch den Zuwendungsempfänger geschaffen worden ist, der aufgrund einer Zwangslage an der Bildung eigenen Vermögens gehindert worden ist (Geschäftsführer einer GmbH, dem die GmbH-Anteile geschenkt werden). Aufgrund der Wertentscheidung des Gesetzgebers sind bei der ErbSt (SchenkungSt) die Motive des Zuwendenden und die näheren Umstände der Zuwendung ohne Bedeutung.[5]

[1] BFH v. 23.3.1998, II R 41/96, BStBl II 1998, 396; BFH v. 23.3.1998, II R 26/96, BFH/NV 1998, 1098; a. A. FG Baden-Württemberg v. 4.10.1984, IX 345/82, EFG 1985, 249; FG Hamburg v. 15.12.1995, II 46/94, EFG 1996, 732; zu Fallgruppen vgl. Kapp, DStZ 1988, 46.
[2] FG München v. 25.7.2018, 4 K 1028/18, EFG 2018, 1723, Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, AZ beim BFH II B 80/18.
[3] FG Nürnberg v. 24.1.1991, VI 180/87, EFG 1991, 548; BFH v. 30.8.2017, II B 16/17, BFH/NV 2017, 1611 zur Schenkungsteuer; hierzu auch Rz. 65.

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