Rz. 23

Die Voraussetzungen der Schätzung sind auch erfüllt, wenn der Stpfl. weitere Auskünfte verweigert oder sonstige Mitwirkungspflichten nicht erfüllt. In diesem Fall wäre ihm die weitere Aufklärung möglich, er lehnt es aber ab, seine Mitwirkungspflichten zu erfüllen. In diesem Fall liegt also eine objektiv und subjektiv schuldhafte Verletzung der Mitwirkungspflichten vor. Gleiches gilt, wenn der Stpfl. keine Steuererklärung oder nur unvollständige Steuererklärungen abgegeben hat. Er ist zur Abgabe der Steuererklärungen auch dann verpflichtet, wenn seine Geschäftsunterlagen beschlagnahmt worden sind.[1] Gibt er aus diesem Grund keine Steuererklärung ab, liegt darin ein Verstoß gegen seine steuerlichen Pflichten, der das FA zur Schätzung berechtigt. Schuldhaft ist nur die Verweigerung einer zumutbaren Mitwirkung. Wann ein Mitwirkungsverlangen unzumutbar wird, ist nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen.[2]

 

Rz. 24

An sich berechtigt die schuldhafte Verletzung der Mitwirkungspflichten allein die Finanzbehörde nicht, von der Schätzungsbefugnis Gebrauch zu machen. Sie muss vielmehr ihre eigenen Ermittlungsmöglichkeiten in zumutbarem Umfang einsetzen. Allerdings ist das Maß der Zumutbarkeit in dem Fall der schuldhaften Verletzung der Mitwirkungspflichten durch den Stpfl. geringer als wenn der Stpfl. aus objektiven Gründen seine Mitwirkungspflichten nicht erfüllen kann. Die Finanzbehörde muss in diesem Fall zwar die Ermittlungen anstellen, die sie ohne große Schwierigkeiten anstellen kann, kann aber umfangreiche, kostenintensive und schwierige Ermittlungsmaßnahmen unterlassen.

Eine praktisch besonders wichtige hierher gehörende Fallgruppe liegt vor, wenn der Stpfl. seine Steuererklärungspflichten verletzt. Gibt der Stpfl. keine Steuererklärungen ab, ist die Schätzung i. d. R. zulässig, weil die Finanzbehörde dann keine Anhaltspunkte für eine sinnvolle Ermittlungstätigkeit besitzt. Die Finanzbehörde muss nicht erst das Erzwingungsverfahren nach §§ 328ff. AO durchführen; Erzwingung der Abgabe der Steuererklärung und Schätzung stehen gleichgeordnet nebeneinander, sodass die Finanzbehörde je nach Lage des Falls das angemessenere Verfahren auswählen kann.[3] Auf keinen Fall muss die Veranlagungsstelle die Bücher des Stpfl. anfordern, um auf diese Weise die Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln. Der hiermit verbundene Arbeitsaufwand wäre unverhältnismäßig, sodass er der Finanzbehörde nicht zuzumuten ist. Andererseits kann es der Finanzbehörde zuzumuten sein, Geschäftspartner des Stpfl. nach dem Umfang der Umsätze mit ihm zu befragen, wenn es sich um verhältnismäßig wenige Unternehmen handelt.

 

Rz. 25

Hat der Stpfl. die Versicherung an Eides statt verweigert, ergibt sich die Berechtigung der Finanzbehörde zur Schätzung daraus, dass die Versicherung nach § 95 Abs. 1 AO schon das letzte Mittel zur Feststellung der Besteuerungsgrundlagen ist. Es ist daher regelmäßig davon auszugehen, dass weitere zumutbare Ermittlungsmöglichkeiten nicht bestehen.

 

Rz. 26

Der Behörde steht die Befugnis zur Schätzung auch zu, wenn der Stpfl. bei Auslandsbeziehungen seine erweiterten Mitwirkungs- und Ermittlungspflichten nach § 90 Abs. 2 AO nicht erfüllt.[4] Zu diesen Pflichten vgl. § 90 AO Rz. 33ff. Die Verletzung der Pflichten nach § 90 Abs. 2 AO kann schuldhaft oder schuldlos sein. Wegen der Schwierigkeit der Ermittlungen bei einem der Finanzbehörde nicht bekannten Sachverhalt ohne Mitwirkung des Stpfl. soll der Finanzbehörde eine eigene Ermittlungstätigkeit i. d. R. nicht zuzumuten sein, wenn der Stpfl. schuldhaft oder schuldlos seine gesteigerten Mitwirkungspflichten bei Auslandsbeziehungen nach § 90 Abs. 2 AO verletzt. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass den Stpfl. anstelle der Finanzbehörde die Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts treffe.[5] M. E. ist dies jedoch in dieser Allgemeinheit nicht richtig. Soweit die Finanzbehörde Ermittlungsmöglichkeiten hat, muss sie davon in zumutbarem Umfang Gebrauch machen. Zu berücksichtigen sind dabei insbesondere die Möglichkeiten des internationalen Auskunftsverkehrs. Soweit hierfür der Finanzverwaltung klar umrissene Rechtsinstitute zur Aufklärung zur Verfügung stehen, z. B. nach dem EU-AmtshG, muss die Behörde die Auskunft anfordern. Sie darf dann nicht allein unter Berufung auf die Verletzung der Mitwirkungspflicht des Stpfl. von der Schätzungsbefugnis Gebrauch machen.

 

Rz. 27

Verletzt der Stpfl. seine Mitwirkungspflichten, ist jedoch die Pflicht der Finanzbehörde zur Vornahme eigener Ermittlungen reduziert. Durch die Verletzung der Mitwirkungspflichten sinkt die Grenze der Zumutbarkeit für Ermittlungen der Finanzverwaltung. Sie braucht dann keine aufwendigen und im Ergebnis unsichere Ermittlungen anzustellen, sondern kann sich mit der Ermittlung von Indizien für die Höhe der Einkünfte des Stpfl. begnügen und darauf ihre Schätzung gründen. Sie kann in diesem Rahmen auch von allgemeinen Erfahrungswerten, wie Richtsätzen, ausgehen. Es müssen aber auch dann konkrete Anhaltspunkte f...

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