4.1 Vermutungen

 

Rz. 26

Im Normalfall entsteht die Steuerschuld, wenn die verbrauchsteuerpflichtige Ware aus dem Steuerlager entfernt wird, ohne dass sich ein weiteres Steueraussetzungsverfahren oder Zollverfahren anschließt oder die Ware im Steuerlager zum Verbrauch oder zur Verwendung entnommen wird. Da diese Sachverhalte im Umfang der festgestellten Fehlmenge nicht in den Büchern erfasst sind und erst bei der Bestandsaufnahme in Erscheinung treten, einer Besteuerung also noch nicht zugeführt sind, wird durch § 161 AO die Vermutung aufgestellt, dass die Fehlmenge auf solchen Umständen beruht, die eine Steuerschuld auslösen. Die gesetzliche Vermutung des § 161 S. 1 AO ermöglicht es, von steuerschuldbegründenden Sachverhalten als Ursache der Fehlmenge auszugehen, soweit diese vom Stpfl. nicht widerlegt werden. Es genügt eine Glaubhaftmachung der steuerunschädlichen Umstände, d. h. ein geringerer Grad von Wahrscheinlichkeit – eine überwiegende Wahrscheinlichkeit – als beim Strengbeweis; Zweifel gehen zulasten des Stpfl.[1]

 

Rz. 27

Für die Frage, "wann" der die Fehlmenge verursachende steuerschuldbegründende Sachverhalt verwirklicht wurde, enthält S. 2 eine widerlegbare Vermutung.

 

Rz. 28

Der Bestandsaufnahme können nicht nur Zeiträume unterworfen werden, die innerhalb der für Verbrauchsteuern geltenden einjährigen Verjährungsfrist liegen. Beträgt der Zeitraum mehrere Jahre und lassen sich bestimmte Fehlmengen auf einzelne Kalenderjahre verteilen, so beginnt die Verjährung für die Steueransprüche mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Fehlmengen entstanden sind. Die bei einer Bestandsaufnahme ermittelten Fehlmengen können dann zu unterschiedlichen Zeitpunkten verjähren. Lassen sich dagegen genaue Feststellungen über die in den einzelnen geprüften Kalenderjahren angefallenen Fehlmengen nicht treffen, so gilt nach § 161 S. 2 AO die Steuer als erst im Zeitpunkt der Bestandsaufnahme entstanden.[2] Dies gilt auch, wenn die Fehlmengen erst später errechnet oder korrigiert werden.

4.2 Widerlegung der Vermutungen

 

Rz. 29

Der Stpfl. kann die gesetzlichen Vermutungen des § 161 AO widerlegen, indem er glaubhaft macht, dass die Fehlmenge nicht auf steuerschuldbegründenden Umständen in seiner Person beruht bzw. die Steuer nicht im Zeitpunkt der Bestandsaufnahme entstanden ist. Die Glaubhaftmachung von Tatsachen dient, wie der Beweis, der Überzeugungsbildung, lässt jedoch einen geringeren Grad an Wahrscheinlichkeit genügen. Eine Tatsache ist nach allg. A. glaubhaft gemacht, wenn sie überwiegend wahrscheinlich ist.[1] Die Ausführungen des Stpfl. zu den Fehlmengen müssen die Verursachung der Fehlmengen durch bestimmte Umstände zum Gegenstand haben und durch ihre überwiegende Wahrscheinlichkeit der Behörde bzw. dem Gericht die Überzeugung verschaffen, dass sie zutreffen. Nicht ausreichend ist die abstrakte Möglichkeit des Vorliegens nichtsteuerschuldbegründender Umstände.[2] Stehen der festgestellten Fehlmenge Mehrmengen einer anderen Warengruppe gegenüber, so genügt nicht allein der pauschale Hinweis, dass Fehl- und Mehrmengen auf Vertauschen oder Verwechseln zurückzuführen sind.[3] Decken sich Fehl- und Mehrmengen zahlenmäßig bei sich ähnelnden Warengruppen, so ist überwiegend wahrscheinlich, dass eine Steuer für die Fehlmenge nicht entstanden ist. Konkrete Angaben über Zeitpunkt und Vorgang des Vertauschens können vom Stpfl. nicht verlangt werden, da der Vorgang des Vertauschens i. d. R. unbemerkt abläuft. Erforderlich ist die Angabe konkreter, das Steuerlager des Stpfl. betreffende Umstände, z. B. das Auslaufen von Flüssigkeiten aus undichten Gefäßen, Verdunstungen, Gewichtsverlust durch Eintrocknen, längere Zeit gleichbleibender Verarbeitungsverlust etc. Diese Umstände müssen glaubhaft gemacht werden, wozu alle Beweismittel in Betracht kommen. Die Glaubhaftmachung verlangt keinen Strengbeweis. Die Behörde muss nicht voll überzeugt werden, es genügt ein erhebliches Maß an Wahrscheinlichkeit, ohne dass nicht auch mit der Möglichkeit des Gegenteils noch gerechnet werden dürfte.[4] Ob allein die Angaben des Stpfl. für die Glaubhaftmachung genügen, ist im Weg der freien Beweiswürdigung zu beurteilen.

 

Rz. 30

Werden die gesetzlichen Vermutungen in § 161 AO vom Stpfl. entkräftet, kommt eine Steuererhebung hinsichtlich der Fehlmenge nur in Betracht, wenn nunmehr die Finanzbehörde die Entstehung und den Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld nachweist. § 161 AO entbindet die Finanzbehörde nicht von der Verpflichtung des § 88 AO, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln.

 

Rz. 31

Kann der Stpfl. nicht glaubhaft machen, dass die Fehlmenge auf Umständen beruht, die eine Steuerschuld nicht begründen, und lässt sich der Sachverhalt auch nicht von Amts wegen aufklären, so wird nunmehr vermutet, dass hinsichtlich der Fehlmenge eine Verbrauchsteuer im Zeitpunkt der Bestandsaufnahme entstanden ist. Bei Beweislosigkeit entfällt – abweic...

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