Rz. 38

Während § 261 AO das Institut der Niederschlagung für den Bereich der Erhebung enthält, eröffnet § 156 Abs. 2 AO die entsprechende Möglichkeit für den Festsetzungsbereich. Die Festsetzung der Steuer bzw. ihre Änderung kann danach unterbleiben, wenn feststeht bzw. nach der Neuregelung zu erwarten ist, dass die Erhebung keinen Erfolg haben wird oder die Kosten der Festsetzung und die Kosten der Erhebung außer Verhältnis zu dem festzusetzenden Betrag stehen werden. Das gilt auch dann, wenn der Betrag über dem Kleinbetrag des Abs. 1 liegt; die Höhe des betroffenen Betrags ist nicht begrenzt. "Betrag" ist die Steuerforderung, die nach Anrechnung der Steuerabzugsbeträge, geleisteter Vorauszahlungen und sonstiger Zahlungen verbleibt.[1] Der Begriff der Festsetzung ist auch auf die Berichtigung nach § 129 AO zu beziehen.[2] Die Vorschrift ist durch Gesetz v. 18.7.2016 neu gefasst worden.[3] Die Neufassung gilt für Steuern, die nach dem 31.12.2016 entstehen.[4]

 

Rz. 39

Der Unterschied zu Abs. 1 besteht darin, dass von Abs. 2 nur Einzelfälle erfasst werden, während Abs. 1 eine generalisierende Regelung ermöglicht. Das Unterbleiben der Steuerfestsetzung nach Abs. 2 ist ebenso wie die Niederschlagung ein innerbehördlicher Vorgang, der keine Außenwirkung entfaltet. Die Steuerschuld erlischt nicht. Bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist[5], die durch das Absehen von der Steuerfestsetzung nicht gehemmt wird, kann die Steuerfestsetzung jederzeit nachgeholt werden. Zu Fällen des Absehens von der Steuerfestsetzung bei der KSt, wenn das Einkommen einer kleineren Körperschaft offensichtlich 500 EUR nicht übersteigt, vgl. R 31.1 Abs. 1 KStR.

 

Rz. 40

Wenn der Steuerbetrag, von dessen Festsetzung nach Abs. 2 abgesehen werden soll, 25.000 EUR übersteigt, hat das FA die Genehmigung der OFD einzuholen. Der Steuerbetrag kann geschätzt werden.[6] Für die Berechnung des Betrags sind jede Steuerart und jeder Veranlagungszeitraum für sich zu rechnen. Bei Steuerarten ohne bestimmten Veranlagungszeitraum, wie die LSt und KapESt, ist auf das Kj. abzustellen. Bei Steuern, die an einen bestimmten Vorgang anknüpfen, wie die ErbSt und GrErwSt, richtet sich die Ermittlung der Betragsgrenze nach jedem einzelnen Steuerfall.

 

Rz. 41

Die Erfolglosigkeit der Einziehung braucht auch nach der bisherigen Regelung nicht im strengen Sinn "festzustehen". Es genügt, wenn bei sorgfältiger Prüfung die Erfolglosigkeit mit großer Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann. Bei der Änderung des Abs. 2 durch das Gesetz v. 18.7.2016 ist die Formulierung dahin geändert worden, dass es genügt, wenn die Erfolglosigkeit zu erwarten ist; eine sachliche Änderung ist damit nicht verbunden. Die Vorschrift ist etwa in dem Fall anwendbar, dass bereits Vollstreckungsversuche wegen anderer Steuerforderungen oder auch durch private Gläubiger erfolglos geblieben sind, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgelehnt oder das Insolvenzverfahren mangels Masse eingestellt worden ist oder die eidesstattliche Versicherung nach § 284 AO abgegeben wurde. Es muss sich immer um eine voraussichtlich dauernde Erfolglosigkeit der Einziehung handeln. Besteht die Möglichkeit, dass später die Einziehung doch noch möglich wird, ist die Steuer festzusetzen und ggf. zu stunden. Dauernde Erfolglosigkeit kann z. B. feststehen bei hohem Alter des Stpfl., Fällen der beschränkten Erbenhaftung usw.

 

Rz. 42

Ob die Kosten der Steuerfestsetzung und der Einziehung außer Verhältnis zu dem Steuerbetrag stehen, ist von Fall zu Fall zu entscheiden. Für diese Fälle sieht Abs. 2 S. 2 vor, dass die obersten Finanzbehörden bundeseinheitliche Weisungen erteilen, in welchen Fällen die Kosten außer Verhältnis zu dem festzusetzenden Betrag stehen. Durch diese Weisungen wird die einzelfallbezogene Wirtschaftlichkeitsbetrachtung nach Nr. 2 durch eine Gesamtbetrachtung von Fallgruppen ersetzt. Als Beispiele nennt die Begründung des Gesetzentwurfs Kontrollmitteilungen, die nicht einer bestimmten Person zugeordnet werden können oder nach abstrakter Risikobewertung nicht "aufgriffswürdig" sind.[7] Zuständig ist der BMF für die Steuern, bei denen dem Bund die Verwaltungshoheit zusteht, und die obersten Finanzbehörden der Länder für die übrigen Steuern. Soweit die Länder die Steuern im Auftrag des Bundes verwalten, d. h. soweit die Ertragshoheit ganz oder teilweise dem Bund zusteht, sind diese Weisungen im Einvernehmen mit dem BMF zu erteilen. Im Interesse der Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung dürfen diese Weisungen nicht veröffentlicht werden, wenn dadurch diese Grundsätze gefährdet werden könnten. Damit soll verhindert werden, dass der Stpfl. seine Verhältnisse so gestaltet, dass er unter diese Regelung fällt.

[1] BT-Drs. 18/7457, 90.
[2] Rz. 12.
[3] BGBl I 2016, 1679, 1694.
[6] Gleichlautender Ländererlass v. 17.12.2015, S 0457, BStBl I 2015, 1097.
[7] Hierzu BT-Drs. 18/7457, 90.

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