Rz. 165

Nach Nr. 4 Buchst. c) führt eine Funktionsverlagerung zu einem Kennzeichen. Definiert ist dies als grenzüberschreitende Übertragung oder Verlagerung von Funktionen, Risiken, Wirtschaftsgütern oder sonstigen Vorteilen innerhalb von verbundenen Unternehmen. Zum Begriff der verbundenen Unternehmen Rz. 170. Auffällig ist, dass in Anhang IV Teil II E 3 der Richtlinie v. 25.5.2018 (a. a. O.) von einer "gruppeninternen" Übertragung gesprochen, nicht aber auf die Definition des "verbundenen Unternehmens" Bezug genommen wird. Ein sachlicher Unterschied zwischen den verschiedenen Formulierungen dürfte aber nicht bestehen. Das Kennzeichen ähnelt der Definition der Funktionsverlagerung in § 1 Abs. 3 S. 9 AStG; allerdings ist § 138e Abs. 2 Nr. 4 Buchs. c) AO weiter gefasst, da auch die Verlagerung einzelner Wirtschaftsgüter oder sonstiger Vorteile erfasst wird. Es kann daher auch die Verlagerung eines einzigen Wirtschaftsguts zu einer Mitteilungspflicht führen, wenn sich dadurch das EBIT des abgebenden Unternehmens mindert.[1] Die Vorschrift überschneidet sich zum Teil mit Nr. 4 Buch. b), da immaterielle Werte und Rechte Wirtschaftsgüter sind, ihre Verlagerung also auch unter Buchst. c) fällt.

 

Rz. 166

Die Grenzüberschreitende Übertragung kann auf Einzelübertragung, aber auch auf Gesamt- oder Teilrechtsnachfolge beruhen. Damit werden auch grenzüberschreitende Verschmelzungen und Spaltungen erfasst. Verschmelzungen oder Aufspaltungen sollen nicht zu einem Kennzeichen führen, da dann kein Unternehmen zurückbleibt, das dem EBIT-Test unterworfen werden könnte.[2] M. E. führt aber eine teleologische Auslegung zu einem anderen Ergebnis. Wenn das übertragende Unternehmen durch die Verschmelzung oder Aufspaltung wegfällt, reduziert sich sein EBIT in den nächsten drei Jahren nicht nur um 50 %, sondern um 100 %. Es ist kein Argument ersichtlich, warum die Abspaltung, bei der nur ein Teil des Gewinnpotentials übertragen wird, zu einem Kennzeichen führen soll, die Aufspaltung und Verschmelzung, bei der das gesamte Gewinnpotential übertragen wird, aber nicht.

 

Rz. 167

Die Übertragung oder Verlagerung führt allerdings nur dann zu einem Kennzeichen, wenn der Gewinn des übertragenden oder verlagernden Unternehmens deutlich gemindert wird. Das ist der Fall, wenn der durchschnittliche jährliche Gewinn vor Steuern und Zinsen (EBIT) über einen Zeitraum von 3 Jahren nach der Übertragung weniger als 50 % des Gewinns (EBIT) beträgt, der ohne die Übertragung aus der Sicht des Zeitpunkts der Übertragung erwartet werden konnte.[3] Unter "Gewinn" ist nicht der steuerpflichtige Gewinn zu verstehen, sondern das handelsrechtliche Ergebnis, da "EBIT" kein steuerrechtlicher Begriff ist. M. E. führt dies zu einer unangemessenen Ausdehnung der Mitteilungspflicht, da es um die Verlagerung von Besteuerungspotential geht, nicht um die Verlagerung steuerfreier Gewinne. Bei der Ermittlung des EBIT ist das Handeln eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters zu unterstellen. Ohne dass dies im Gesetz ausdrücklich gesagt wird, muss von dem durchschnittlichen Gewinn des 3-Jahres-Zeitraums ausgegangen werden.[4]

 

Rz. 168

Sind mehrere Übertragungen erfolgt, sind diese m. E. zusammenzufassen. Bemerkenswert ist, dass anders als in § 1 Abs. 3 S. 9 AStG nur auf die Gewinnmöglichkeiten des abgebenden Unternehmens abzustellen ist, also die ggf. höheren Gewinnerwartungen des aufnehmenden Unternehmens nicht einzubeziehen sind. Es liegt also kein Kennzeichen vor, wenn der Gewinn des abgebenden Unternehmens nach der Übertragung noch 50 % oder mehr beträgt, selbst wenn das aufnehmende Unternehmen aus den übertragenen Wirtschaftsgütern einen wesentlich höheren Gewinn erzielt, also erhebliches Gewinnpotential in das Ausland transferiert worden ist. Die Grenze von 50 % führt dazu, dass bei der Übertragung von Geschäftsbereichen durch Großunternehmen kein Kennzeichen vorliegt, da ein einzelner Geschäftsbereich kaum mehr als 50 % des Gewinns (EBIT) eines Großunternehmens ausmachen wird.

 

Rz. 169

Ebenfalls erfasst wird die Übertragung auf eine Betriebsstätte. Die Vorschrift ist auf Übertragungen auf eine Betriebsstätte sinngemäß anzuwenden. Daher ist in diesem Fall für die Prüfung der Grenze von 50 % der Gewinn (EBIT) der Betriebsstätte außer Betracht zu lassen.[5] Das gilt sowohl für die Ermittlung des Gewinns des Unternehmens ohne und mit Berücksichtigung der Übertragung, da sonst der Vergleichsmaßstab verzerrt würde.

[1] Zu einem Beispiel Krüger/Schnitger, DB 2020, 2422, unter VII 1.
[2] So Krüger/Schnitger, DB 2020, 2422, unter V 1, 2.
[3] BMF v. 29.3.2021, IV A 3 – S 0304/19/10006:010, BStBl I 2021, 582, Rz. 190.
[4] So auch BMF v. 29.3.2021, IV A 3 – S 0304/19/10006:010, BStBl I 2021, 582, Rz. 190 a. E.
[5] BR-Drs. 489/19, 41.

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