Rz. 6

Der Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts ist nur aus den in Abs. 2 aufgeführten Gründen möglich. Die Aufzählung der Widerrufsgründe in Abs. 2 ist daher abschließend.

 

Rz. 7

Nach Nr. 1 ist der Widerruf zulässig, wenn er im Gesetz[1] oder rechtmäßig im Verwaltungsakt[2] vorbehalten worden ist. Ein Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 AO kann dabei nicht in einen Widerrufsvorbehalt umgedeutet werden.[3] Ein rechtswidriger Widerrufsvorbehalt ermöglicht den Widerruf zwar nach dem Wortlaut des Gesetzes, die Ausübung wäre aber ermessensfehlerhaft. Zum Ermessen vgl. Rz. 10.

 

Rz. 8

Nr. 2 ermöglicht den Widerruf bei Nichterfüllung oder nicht rechtzeitiger Erfüllung einer Auflage. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob den Begünstigten oder seinen Vertreter ein Verschulden an der Nichterfüllung der Auflage trifft; dies ist ggf. bei der Ausübung des Ermessens zu berücksichtigen (vgl. Rz. 10). Der Nichterfüllung der Auflage steht ein schwerer Verstoß gegen die Auflage gleich.[4]

Zur Wirkung einer Auflage vgl. Pahlke, in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 120 AO Rz. 8. Der Widerruf ist auch nicht davon abhängig, dass die Behörde die Durchsetzung der Auflage mit Zwangsmitteln[5] erfolglos versucht hat. Allerdings wird die Behörde i. d. R. ermessensfehlerhaft handeln, wenn sie den Verwaltungsakt widerruft, ohne die Erfüllung der Auflage angemahnt und dem Stpfl. eine Nachfrist gesetzt zu haben. M. E. muss sie dem Stpfl. dabei auch den Widerruf des Verwaltungsakts androhen.

 

Rz. 9

Nach Nr. 3 ist der Widerruf auch bei einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse möglich (neu eingetretene Tatsachen), nicht jedoch bei nachträglich bekannt gewordenen Tatsachen, die bereits bei Erlass des Verwaltungsakts vorlagen (insoweit könnte aber ein rechtswidriger Verwaltungsakt vorliegen), nicht bei einer Änderung der rechtlichen Verhältnisse und auch nicht bei einer Änderung in der Beurteilung durch die Finanzbehörde. Tatsachen können dabei auch Steuerbescheide darstellen, die in anderen Verwaltungsakten zugrunde zu legen sind.[6]

Die neu eingetretenen Tatsachen müssen entscheidungserheblich und in diesem Zusammenhang gewichtig sein. Kein Widerruf ist erforderlich, wenn dem Verwaltungsakt (z. B. einer Zusage oder verbindlichen Auskunft) bestimmte Tatsachen zu Grunde gelegen haben und diese Tatsachen sich ändern; dann wird der Verwaltungsakt gegenstandslos, ohne dass es eines Widerrufs bedarf.[7]

Haben sich die tatsächlichen Verhältnisse geändert, ist der Widerruf davon abhängig, dass bei einem Bestehenbleiben des Verwaltungsakts das öffentliche Interesse gefährdet wäre; es genügt nicht, dass der Widerruf im öffentlichen Interesse liegt, er muss vielmehr zur Abwehr einer konkreten Gefährdung des öffentlichen Interesses erforderlich sein. Das öffentliche Interesse erfordert nicht nur eine gleichmäßige Anwendung der Gesetze, sondern berücksichtigt auch das fiskalische Interesse des Staates; eine Gefährdung liegt aber nicht schon bei jedem Abweichen von diesen Grundsätzen vor. Ist dem Stpfl. z. B. eine Steuer rechtmäßig gestundet worden und wird er danach vermögend, sodass die Stundung ungerechtfertigt erscheint, stellt die jetzt eingetretene Ungleichbehandlung mit anderen Stpfl., die bei gleicher Vermögenslage keine Stundung erhalten hätten, und der verzögerte Eingang des Steuerbetrags beim Fiskus allein noch keine Gefährdung des öffentlichen Interesses dar. Es muss auch berücksichtigt werden, wie hoch der gestundete Betrag ist und welche Zeit die Stundung nach der Stundungsverfügung noch läuft. Erst wenn erhebliche Beträge oder Beträge für einen längeren, mehrmonatigen Zeitraum gestundet sind, kann eine Gefährdung des öffentlichen Interesses vorliegen, die einen Widerruf erfordert. In anderen als Stundungsfällen ist das öffentliche Interesse immer dann gefährdet, wenn die Gefahr besteht, dass ohne den Widerruf die gesetzlich entstandene Steuer nicht oder nicht vollständig erhoben werden kann.

[4] Kopp/Ramsauer, VwVfG, 21. Aufl. 2021, § 49 VwVfG Rz. 38.
[6] BFH v. 12.11.2013, VII R 28/12, BFH/NV 2014, 339. Zum Begriff der Tatsachen vgl. G. Frotscher, in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 173 AO Rz. 10ff.
[7] Kopp/Ramsauer, VwVfG, 21. Aufl. 2021, § 49 VwVfG Rz. 40.

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