Rz. 13

Seitens des Empfängers setzt die Bekanntgabe den Zugang beim Betroffenen voraus. Der Verwaltungsakt ist dem Empfänger zugegangen, wenn er mit Willen des Bekanntgebenden in verkehrsüblicher Weise derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass unter regelmäßigen Umständen damit gerechnet werden kann, dass der Empfänger von ihm Kenntnis erlangt. Ebenso wie bei § 130 BGB ist eine tatsächliche Kenntnisnahme durch den Empfänger nicht Voraussetzung; es genügt der Zugang des Verwaltungsakts und damit die Möglichkeit der Kenntnisnahme.

Die Bekanntgabe setzt voraus, dass der gesamte Verwaltungsakt einschließlich der Gründe in den Machtbereich des Empfängers gelangt. Fehlen eine oder einige Seiten des Verwaltungsakts, liegt noch keine (vollständige) Bekanntgabe vor.[1] Machtbereich des Empfängers ist sowohl seine Wohnung als auch sein Geschäftslokal[2] sowie sein Postfach; die Einlegung in das Postfach genügt also, und zwar auch, wenn die Sendung an die Wohnanschrift adressiert ist.[3] Ein Gelangen in den Empfängermachtbereich liegt regelmäßig vor, wenn die Sendung entsprechend den postalischen Vorschriften übergeben wird.[4] Voraussetzung hierfür ist, dass die Sendung nach den entsprechenden Vorschriften übergeben worden ist. Wird hiervon abgewichen, etwa indem die Sendung im Treppenhaus niedergelegt wird, und sei es auch mit Zustimmung des Empfängers, ist keine Bekanntgabe erfolgt, wenn die Sendung verloren geht.[5]

 

Rz. 14

Gelangen in den Machtbereich des Empfängers bedeutet, dass die Sendung der Verfügungsgewalt unbefugter Dritter entzogen ist.[6] Bekanntgabe ist auch erfolgt, wenn die Sendung bei einem Mehrfamilienhaus in einen für alle Mitbewohner des Hauses bestimmten Briefschlitz eingeworfen wird, wenn diese Form offenkundig für das von dem Stpfl. bewohnte Haus die für die Bekanntgabe von Briefen übliche Weise darstellt. Dies gilt auch dann, wenn hinter dem Briefschlitz kein Behältnis zur Aufnahme der Briefe angebracht ist.[7] Nicht zugegangen ist die Sendung, wenn sie in eine Wohnung gelangt, über die der Stpfl., z. B. wegen Umzugs, keine Verfügungsmacht mehr besitzt. Auf Kennen oder Kennenmüssen der Finanzbehörde kommt es dabei nicht an.[8]

Teilweise wird erwägt, einen absichtlich verhinderten Zugang als Steuerhinterziehung anzusehen.[9] M. E. ist diese Auffassung zu weit. Aus einem derartigen Verhalten des Stpfl., das sich nur auf das Verfahren bezieht, können keine Rückschlüsse auf eine etwaige materielle Steuerpflicht geschlossen werden. Bereits nach den allgemeinen Grundsätzen kann in derartigen Fällen einer mutwilligen Zugangsverweigerung ein Zugang fingiert werden. Die Finanzverwaltung hat zudem verschiedene Möglichkeiten, eine Bekanntgabe eines Verwaltungsakts zu erreichen, auch wenn der Zugang verhindert wird (z. B. öffentliche Bekanntgabe). Daher ist es auch aus praktischen Gesichtspunkten nicht notwendig, die Zugangsverweigerung als Straftat zu behandeln.

Zur Sonderregelung für die Bekanntgabe von einheitlichen Feststellungen vgl. G. Frotscher, in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 183 AO Rz. 1ff.

 

Rz. 15

Für die Frage, ob und zu welchem Zeitpunkt die Sendung dem Empfänger zugegangen und daher eine Bekanntgabe erfolgt ist, ist die Verkehrssitte entscheidend. Zugang bedeutet, dass der Verwaltungsakt so in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass er die Möglichkeit der Kenntnisnahme hat. Die Aushändigung einer schriftlichen Erklärung an den Empfänger bedeutet den Zugang im Zeitpunkt der Übergabe. Andererseits genügt es niemals, dass der Betroffene vom Inhalt einer schriftlichen oder elektronischen Erklärung erfährt, ohne dass sie ihm formell bekannt gegeben wird (vgl. Rz. 11).

Ein Brief ist dem Empfänger zugegangen, wenn er in den Briefkasten seiner Wohnung gelangt[10], wenn und sobald mit der Leerung des Briefkastens zu rechnen ist, also nicht nachts. Ist der Empfänger länger abwesend (z. B. aufgrund einer Haftstrafe), hat er dafür zu sorgen, dass ihm die Post weitergeleitet wird.[11] Wird eine Sendung in ein Postfach eingelegt oder postlagernd adressiert, ist eine Bekanntgabe erfolgt, sobald mit der Abholung gerechnet werden kann[12], also nicht kurz vor Schalterschluss oder am Wochenende.[13]

 

Rz. 16

Zugegangen ist eine Sendung auch, wenn das Schriftstück aufgrund einer mit dem Empfänger vereinbarten Lagerung bei der Post zur Abholung bereitgehalten wird, unabhängig davon, ob und wann der Empfänger es tatsächlich abholt.[14]

Die Sendung geht auch zu, wenn sie einem Empfangsboten übergeben wird (z. B. Haushaltsangehörige, kaufmännische Angestellte im Gewerbebetrieb usw.), und zwar auch dann, wenn der Empfangsbote die Erklärung vorsätzlich oder fahrlässig falsch, verspätet oder überhaupt nicht übermittelt.

 

Rz. 17

Bei Bekanntgabe in elektronischer Form ist der Verwaltungsakt zugegangen, sobald die für den Empfang bestimmte Einrichtung des Empfängers die Datei in einer für den Empfänger bearbeitbaren Weise aufgezeichnet hat.[15] Ein per Telefax oder Computerfax übermittelter Verwaltungsakt ist ...

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