5.1 Allgemeines

 

Rz. 30

Nach Abs. 1 können die deutschen Finanzbehörden zwischenstaatliche Amtshilfe nach Maßgabe des deutschen Rechts in Anspruch nehmen. Für die deutschen Finanzbehörden ist in diesen Fällen eine völkerrechtliche Vereinbarung oder eine entsprechende andere Grundlage nicht erforderlich.[1] Entsprechendes gilt, wenn der im Abkommen oder in der sonstigen Grundlage geregelte Auskunftsaustausch sich nicht auf den von der Auskunft betroffenen Bereich (z. B. andere Steuern) erstreckt, und für die sog. Kulanzauskünfte.[2] Als subjektives Recht anzusehende schutzwürdige Interessen der betroffenen Personen stehen einem ohne Bestehen einer völkerrechtlichen Verpflichtung ergehenden Amtshilfeersuchen einer deutschen Finanzbehörde nicht entgegen.[3] Der Gesetzgeber geht, wie die Regelung des § 117 Abs. 3 AO für den umgekehrten Fall sehr deutlich zeigt, vom Fehlen eines solchen subjektiven Rechts der betroffenen Personen aus. In der Verwaltungspraxis werden allerdings Amtshilfeersuchen bisher meist nur beim Bestehen entsprechender völkerrechtlicher Grundlagen gestellt. Dennoch enthält das Merkblatt des BMF zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Informationsaustausch in Steuersachen[4] unter 1.3.5 Ausführungen zu solchen Amtshilfefällen. Die Aufnahme eines Auskunftsaustauschs mit Ländern, mit denen ein Abkommen nicht besteht, soll allerdings auf Fälle von besonderer Bedeutung beschränkt werden.[5] Das Bestehen und der Inhalt eines Abkommens, einer Rechtsvorschrift des ausländischen Staates auf der Basis von Völkerrecht oder supranationalem Recht (z. B. EG-Richtlinie) oder einer sonstigen Rechtsvorschrift des ersuchten Staates entscheidet lediglich über die Verpflichtung dieses Staates, der deutschen Finanzbehörde die erbetene Auskunft zu geben.

Ein Ersuchen um Amtshilfe durch deutsche Finanzbehörden nach dem EUAHiG[6] scheidet abweichend von der Rechtslage nach dem bis zum 31.12.2012 geltenden EGAmtshG nicht aus, weil das EUAHiG seit dem 1.1.2013 sowohl die Gewährung von Amtshilfe an andere EU-Staaten als auch das Ersuchen um Amtshilfe an die anderen EU-Mitgliedstaaten nach der EU-Amtshilferichtlinie regelt. Ein deutsches Ersuchen konnte sich unter der Geltung des EGAmtshG bis zum 31.12.2012 auf der Grundlage der EG-Richtlinie nur auf das nationale Recht des anderen EU-Mitgliedstaates stützen. Nunmehr sind Ersuchen in erster Linie auf das EUAHiG zu stützen. Allerdings bietet dieses nur einen Mindeststandard auf EU-Ebene. Bilaterale Verträge, insbesondere DBA, sind i. d. R. weitreichender und daher bevorzugte Rechtsgrundlage.[7]

[1] Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 117 AO Rz. 8.
[2] Hendricks, in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 117 AO Rz. 19; Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 117 AO Rz. 41.
[3] Baranowski, DStZA 1975, 298.
[4] Letzte Fassung v. 23.11.2015, BStBl I 2015, 928.
[6] Vgl. NG 3.
[7] Klein/Rätke, AO, 13. Aufl. 2016, § 117 Rz. 17.

5.2 Voraussetzungen

5.2.1 Allgemeine Voraussetzungen

 

Rz. 31

Die Inanspruchnahme der zwischenstaatlichen Amtshilfe durch deutsche Finanzbehörden geschieht nach Maßgabe des deutschen Rechts.[1] Die Amtshilfevorschriften der §§ 111ff. AO sind daher entsprechend anwendbar. Danach darf nur die zur Durchführung erforderliche Amtshilfe gefordert werden.[2] Das ist der Fall, wenn die deutsche Finanzbehörde aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen im Inland oder aus staatsrechtlichen Gründen im Ausland die Ermittlungen nicht oder nur mit wesentlich größerem Aufwand als die ersuchte Behörde des zu ersuchenden Staates vornehmen könnte.[3] Daher müssen die inländischen Erkenntnisquellen im Rahmen des Zumutbaren weitgehend ausgeschöpft werden, bevor das Amtshilfeersuchen gestellt wird.[4] Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist wie bei inländischen Ermittlungen zu beachten. Bei der Entscheidung ist auch die Gefahr eines unverhältnismäßigen Schadens für den inländischen Beteiligten zu berücksichtigen. Die Vorschriften in §§ 90ff. AO, insbesondere §§ 93 Abs. 1 S. 3, 7 AO, sind zu beachten. Der ersuchte ausländische Staat ist dagegen nicht Dritter i. S. d. § 93 Abs. 1 S. 3 AO.[5] Die Auskunft kann nicht nur im Fall eines Ersuchens in Anspruch genommen werden, sondern auch aus spontanen oder im vereinbarten automatischen Verfahren gegebenen Auskünften.[6]

Die Einleitung eines steuerlichen Straf- oder Bußgeldverfahrens[7] steht dem Auskunftsaustausch grundsätzlich nicht entgegen.[8] § 393 Abs. 1 S. 1 lässt nämlich das steuerliche Verfahren neben dem straf- oder bußgeldrechtlichen Ermittlungsverfahren selbstständig weiterlaufen.[9] Diese Vorschrift ist fast immer auf Fälle anzuwenden, in denen bei der Trennung der Verfahren erhebliche Schwierigkeiten bestehen. § 393 Abs. 1 AO geht daher nicht ins Leere[10], sondern seine Anwendung bereitet die üblichen Schwierigkeiten. Im Steuerstrafverfahren selbst kommt lediglich die Einholung von Informationen zur Erforschung der Steuerhinterziehung lediglich auf dem Weg der Rechtshilfe in Strafsachen in Betracht.[11] Sofern ein TIEA[12] nach dem TIEA-MA abgeschlossen wurde, er...

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