3.1 Büroräume

 

Rz. 9

In aller Regel ist die Geschäftsleitung am Ort des kaufmännischen Zentralbüros bzw. des Büros des Geschäftsführers anzunehmen, nicht in der technischen Zentrale.[1] Eine Kapitalgesellschaft muss am Ort der Geschäftsleitung nicht notwendigerweise eigene Büroräume unterhalten.[2] Das gilt insbesondere dann, wenn die entscheidenden Beschlüsse von mehreren gleichberechtigten Personen getroffen werden (i. d. R. nur eine Geschäftsleitung, wenn die für die Willensbildung hinsichtlich der laufenden Geschäfte bedeutsamste Stelle ermittelt werden kann[3]), aber auch bei nur einem vertretungsbefugten Geschäftsführer einer GmbH.[4] Werden keine Büroräume unterhalten, ist der gewöhnliche, laufende Treffpunkt der mehreren gleichberechtigten Personen für die Beschlussfassung entscheidend. Es spricht eine Vermutung dafür, dass die Geschäftsleitung von der oder den hierfür satzungsgemäß berufenen Person(en) ausgeübt wird.[5] Die Beweislast für hiervon abweichende Verhältnisse hat deshalb derjenige, der sich auf solche beruft. Im Einzelfall kann/können auch eine/mehrere andere Personen als die satzungsmäßig berufenen Geschäftsführer die Leitungsmacht faktisch innehaben. Hierfür kommen z. B.

  • beherrschende Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft,
  • handelsrechtlich bestellte Vertreter (z. B. Prokuristen), oder
  • Mitglieder des Aufsichtsrats in Betracht.[6]

Eine faktische – von der gesellschaftsrechtlich vereinbarten Geschäftsführung abweichende – Geschäftsführung, liegt allerdings nur (ausnahmsweise) vor, wenn der Dritte die dem Geschäftsführer üblicherweise obliegenden Aufgaben an sich zieht und die Tagespolitik des Unternehmens durch seine Entscheidungen dauerhaft bestimmt.[7] Dies setzt voraus, dass sie den laufenden Geschäftsgang nicht nur beobachten, kontrollieren und fallweise beeinflussen, sondern ständig in die Tagespolitik der Gesellschaft eingreifen und dauernd die im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erforderlichen Entscheidungen von einigem Gewicht selbst treffen.

[3] Rz. 2.
[5] Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 10 AO Rz. 3; Wassermeyer/Kaeser, DBA, Art. 4 MA Rz. 99; a. A. Birk, in HHSp, AO/FGO, § 10 AO Rz. 16; Koenig/Koenig, AO, 3. Aufl. 2014, § 10 Rz. 5.
[6] RFH v. 2.7.1936, III A 86/36, RFHE 39, 305.
[7] BFH v. 17.7.1968, I 121/64, BStBl II 1968, 695; FG Rheinland-Pfalz v. 14.3.2005, 4 K 1590/03, EFG 2005, 981; aufgehoben aus anderen Gründen durch BFH v. 28.6.2007, II R 21/05, BStBl II 2007, 669 (Stiftung konnte nach den getroffenen Vereinbarungen und Regelungen über das Vermögen im Verhältnis zum Stifter nicht tatsächlich und rechtlich frei verfügen).

3.2 Montage- und Bauunternehmen/Geschäftsreisende

 

Rz. 9a

Bei Montage- bzw. Bauunternehmen liegt die Geschäftsleitung i. d. R. nicht an der einzelnen Baustelle bzw. dem jeweiligen Tätigkeitsort. Vielmehr befindet sich diese dort, wo die mit der Bauausführung zusammenhängenden organisatorischen Maßnahmen (Gespräche mit Bauherren, Erstellung von Leistungsverzeichnissen, Abschluss von Verträgen, Rechnungserstellung, Entscheidung über den Einsatz von Arbeitnehmern und Gerätschaften) getroffen werden.[1] Bei dem jeweiligen Subunternehmer kann die Geschäftsleitung aber ggf. in einem Baucontainer sein, der diesem zu Unterkunftszwecken zur Verfügung gestellt worden ist[2], wenn der Subunternehmer keinen anderweitigen "festen" Standort hat.[3] Einzelmaßnahmen auf Geschäftsreisen sind wegen des der Geschäftsleitung innewohnenden Merkmals der Dauer nicht maßgebend.[4]

3.3 Einzelfälle

3.3.1 Entscheidungen durch nur eine Person

 

Rz. 10

Werden die wichtigen Beschlüsse in einer Gesellschaft oder einem Unternehmen nur von einer Person getroffen, wie z. B. vom Gesellschafter-Geschäftsführer einer Einmann-GmbH, vom einzigen Komplementär einer KG ohne weiteren Geschäftsführer oder von einem Einzelunternehmer, so ist es auch beim Vorhandensein eines gut ausgestatteten Büros möglich, dass die entscheidenden Beschlüsse an einem anderen Ort getroffen werden. In einem solchen Fall wird die Gesellschaft oder das Unternehmen von diesem anderen Ort aus geleitet. Dass eine entsprechende Behauptung nur selten widerlegt werden kann, rechtfertigt kein Abgehen von der Regelung des § 10 AO und ein Anknüpfen an Anhaltspunkte, die sonst für die Geschäftsleitung nicht maßgebend sind.[1] Für die Behauptung bedarf es aber eines spezifizierten, konkreten Vortrags. Insbesondere wenn keine Büro- und Geschäftsräume vorhanden sind (z. B. bei einer Vermögensverwaltung), kommt bei einer einzelnen entscheidenden Person ein Anknüpfen an deren Wohnung bzw. häufigsten Aufenthalt in Betracht.[2]

[1] Felix, DStR 1963, 422.
[2] Niedersäc...

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