Rz. 3

Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (§ 96 Abs. 1 S. 1 FGO). Unter Gesamtergebnis des Verfahrens sind sämtliche tatsächlichen, nicht jedoch die rechtlichen[1] Entscheidungsgrundlagen zu verstehen.[2] § 96 Abs. 1 S. 1 FGO bezieht sich auf Tatsachen und ggf. Beweisergebnisse.[3] Zu ermitteln und ggf. zu beweisen sind daher die Tatsachen, die im Tatbestand der entsprechenden anzuwendenden Rechtsnorm genannt sind.

 

Rz. 4

Gesamtergebnis des Verfahrens ist der gesamte entscheidungserhebliche tatsächliche Prozessstoff, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung oder des schriftlichen Verfahrens war.[4] Dieser ergibt sich nicht nur aus dem Ergebnis einer förmlichen Beweisaufnahme, sondern auch aus dem Vortrag (einschließlich rechtzeitig eingegangener nachgelassener Schriftsätze) und dem prozessualen Verhalten (Mitwirkungspflichten) der Beteiligten sowie aus dem Inhalt sämtlicher vorliegenden Akten, jeweils nachdem die Beteiligten sich dazu äußern konnten (rechtliches Gehör). Der Umfang des Gesamtergebnisses des Verfahrens wird dabei durch das Klagebegehren, die Ermittlungsarbeit des Gerichts und die Mitwirkung der Beteiligten[5] bestimmt.

 

Rz. 5

Das FG verstößt gegen § 96 Abs. 1 S. 1 FGO, wenn es seiner Entscheidung einen Sachverhalt zugrunde gelegt hat, der dem schriftlichen oder protokollierten Vorbringen der Beteiligten nicht entspricht oder wenn es eine nach den Akten klar feststehende Tatsache unberücksichtigt gelassen hat und die angefochtene Entscheidung darauf beruht.[6] Das FG hat den Inhalt der ihm vorliegenden Akten vollständig und einwandfrei zu berücksichtigen. Zwar muss es in seinem Urteil nicht auf jede Einzelheit des Sachverhalts und des Beteiligtenvortrags ausdrücklich eingehen, da davon auszugehen ist, dass das Gericht auch den Akteninhalt in seine Überlegungen einbezieht, mit dem es sich nicht ausdrücklich auseinandersetzt. Es verletzt jedoch seine Pflicht zur vollständigen Berücksichtigung des Streitstoffs, wenn es einen bestimmten Tatsachenvortrag erkennbar unberücksichtigt lässt, obwohl dieser auf der Basis seiner materiell-rechtlichen Auffassung entscheidungserheblich sein kann.[7]

 

Rz. 6

Ausnahmsweise dürfen solche Tatsachen vom Gericht nicht verwertet und in die Urteilsbegründung eingefügt werden, von denen das Gericht zwar Kenntnis erlangt hat, die aber etwa wegen des entgegenstehenden Steuergeheimnisses nicht allen Beteiligten zugänglich gemacht worden sind.[8] Des Weiteren zählen Tatsachen und Beweismittel, die präkludiert sind[9], nicht zum Gesamtergebnis des Verfahrens.[10]

[1] Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 96 FGO Rz. 2; Stapperfend, in Gräber, FGO, 7. Aufl. 2010, § 96 FGO Rz. 10.
[3] Lange, in HHSp, AO/FGO, § 96 FGO Rz. 20.
[4] Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 96 FGO Rz. 9ff.; Stapperfend, in Gräber, FGO, 7. Aufl. 2010, § 96 FGO Rz. 10ff.
[10] Lange, in HHSp, AO/FGO, § 96 FGO Rz. 42; Schmidt-Troje, in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 96 FGO Rz. 8.

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