Rz. 31

Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs kann verletzt sein, wenn

  • das FG eingereichte Schriftsätze oder das Vorbringen eines Beteiligten nicht zur Kenntnis nimmt[1], auch wenn der rechtzeitig eingegangene Schriftsatz dem FG verspätet vorgelegt wurde[2]; es sei denn, der Beteiligte kommt seiner prozessualen Verantwortung nicht nach[3];
  • das FG entscheidet, ohne dass eine ordnungsgemäße Ladung zur mündlichen Verhandlung vorliegt[4], bzw. wenn das FG aufgrund mündlicher Verhandlung entscheidet, an der der Beteiligte deshalb nicht teilgenommen hat, weil er ohne Verschulden davon ausgehen konnte, der Termin sei aufgehoben worden[5];
  • die Ladungsfrist nicht eingehalten wurde[6];
  • das FG einem Antrag auf Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung nicht nachkommt, obwohl erhebliche Gründe für eine Terminsaufhebung oder Terminsverlegung vorgetragen wurden oder ersichtlich sind.[7]

Bei kurzfristigen Verlegungsanträgen sind die Gründe glaubhaft zu machen.[8] Das eingeräumte Ermessen "verdichtet" sich dann zur Pflicht, dem Aufhebungs- oder Verlegungsantrag stattzugeben.[9] Bei Zweifeln am Vorliegen des Verhinderungsgrundes darf das FG den Antrag nicht übergehen oder ablehnen, sondern muss die Glaubhaftmachung verlangen, wenn dies noch zu dem anberaumten Termin erfolgen kann. Andernfalls ist der Termin aufzuheben oder zu verlegen, wenn nach den Umständen des Falls dafür erhebliche Gründe vorliegen.

Ein erheblicher Grund liegt z. B. vor, wenn kurz vor der mündlichen Verhandlung in einer Sache, die in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht nicht einfach ist, ein Wechsel des Prozessbevollmächtigten – ohne Verschulden des Klägers – stattfindet oder die Vertretung durch einen anderen Prozessbevollmächtigten unzumutbar ist.[10] Grds. darf das FG davon ausgehen, dass bei Beauftragung einer Sozietät der Termin durch ein anderes Sozietätsmitglied wahrgenommen werden kann, sofern dagegen nicht substantiiert Gründe vorgetragen werden. Die bloße Behauptung, alle Sozietätsmitglieder seien verhindert, genügt nicht.[11]

Der Verweis auf eine anderweitige Terminvertretung ist unzulässig, wenn die Wahrnehmung des Termins durch eine andere Person als den eigentlichen Sachbearbeiter nicht zumutbar ist.[12]

Ferner liegt ein erheblicher Grund vor bei plötzlicher Erkrankung des Prozessbevollmächtigten[13], wenn der Prozessbevollmächtigte des Klägers wegen eines auf der Fahrt zum Termin erlittenen Unfalls an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen konnte, auch wenn sein Antrag auf Terminsverlegung erst in letzter Minute bei Gericht eingeht und ihm dadurch die beabsichtigte Stellung eines Beweisantrags unmöglich gemacht wird.[14] Etwas anderes gilt, wenn die Terminsverlegung erst am Tag der mündlichen Verhandlung mit der Begründung einer Krankheit erfolgt, die bereits im Zeitpunkt der Ladung zum Termin bekannt war[15], wenn trotz Vorliegens erheblicher Gründe offenkundig Prozessverschleppung vorliegt oder der Kläger seine prozessualen Mitwirkungspflichten in anderer Weise erheblich verletzt hat[16]; bei einem kurzfristigen Verlegungsantrag wegen Krankheit ist diese – regelmäßig durch ein dem Antrag beigefügtes aussagefähiges ärztliches Attest – glaubhaft zu machen[17]; die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung muss ein konkretes Krankheitsbild ergeben bzw. die Diagnose unverschlüsselt ausweisen.[18] Nicht jede Erkrankung ist ein Grund für eine Terminsaufhebung. Die Arbeitsunfähigkeit genügt dazu nicht. Erforderlich ist, dass die Erkrankung so schwer ist, dass für den Prozessbevollmächtigten die Wahrnehmung des Termins unzumutbar ist.[19]

Die Verhinderungsgründe sind so darzulegen, dass es dem Gericht möglich ist, die Verhandlungs- und Reisefähigkeit selbst zu beurteilen.[20]

Bei einer andauernden Erkrankung (COVID-19) ist ein berufsmäßiger Vertreter verpflichtet, Vorsorge für die Terminswahrnehmung zu treffen.[21]

Ferner ist das rechtliche Gehör verletzt, wenn

  • das FG die Verhandlung ohne den Prozessbevollmächtigten eines Beteiligten durchführt und Beweis erhebt, obwohl das Gericht bei dem Prozessbevollmächtigten den Eindruck erweckt hat, den Termin nicht ohne ihn zu beginnen[22];
  • das FG aufgrund einer vorgelegten eidesstattlichen Versicherung entscheidet, ohne nach Schluss der mündlichen Verhandlung die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen[23];
  • das FG vor der vollständigen Durchführung eines Beweisbeschlusses ein Urteil verkündet, ohne die Beteiligten darauf hingewiesen zu haben, dass es die angeordnete Beweisaufnahme – ganz oder teilweise – nicht mehr durchführen werde[24]; ebenso, wenn das FG einen Beweisantrag unberechtigt ablehnt[25];
  • das FG erstmals in der mündlichen Verhandlung zusätzliche Beweisanforderungen stellt, ohne dem beweisbelasteten Beteiligten Gelegenheit zu geben, einen Beweisantrag zu stellen[26];
  • das FG eine zu kurz bemessene Ausschlussfrist setzt und das nach Fristablauf eingereichte Vorbringen nicht berücksichtigt[27];
  • das FG entscheidet, ohne die angekündigte Stellungnahme eines Beteiligten abzuwarten bzw. vor Abl...

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