Rz. 41

Weil die Klage – ebenso wie der Einspruch – grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung hat[1], ist der angefochtene Verwaltungsakt regelmäßig schon vollzogen, wenn er durch Urteil aufgehoben (oder geändert) wird. Der Steuerschuldner hat die rechtswidrig festgesetzten Steuern bereits bezahlt. Es müssen daher die Vollzugsfolgen rückgängig gemacht werden. Nur auf Antrag, nicht von Amts wegen kann das Gericht aussprechen, dass und wie die Behörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat, wenn die Behörde dazu in der Lage und die Sache auch insoweit spruchreif ist[2]. Aus dem Wortlaut der Vorschrift[3] ergibt sich, dass mit dem Urteil in der Anfechtungsklage nur ausgesprochen werden kann, dass und wie der Vollzug des aufgehobenen oder geänderten Verwaltungsakts rückgängig gemacht werden muss, also nur, dass und wie die unmittelbaren Vollzugsfolgen zu beseitigen sind[4]. Nicht möglich ist ein Ausspruch über einen allgemeinen Folgenbeseitigungsanspruch, der auch die mittelbaren Vollzugsfolgen umfasst und zu Schadensersatz führen kann[5]. Möglicherweise kommt aber eine gleichzeitige Verurteilung zu einer Leistung gem. § 100 Abs. 4 FGO in Betracht (s. Rz. 90f.). Der Tenor könnte z. B. lauten: "Die Pfändungsverfügung vom … wird aufgehoben. Der Beklagte hat das beschlagnahmte Kfz … an den Kläger herauszugeben."

 

Rz. 42

Da die Finanzbehörden, an die sich ein solcher Ausspruch richten würde, regelmäßig von sich aus die Urteile der FG befolgen, also rechtsgrundlos gezahlte Steuern auf ein Urteil hin erstatten, fehlt im Allgemeinen das Rechtsschutzbedürfnis für einen solchen Antrag. Der Kläger muss daher für seinen Antrag ein besonderes Rechtsschutzinteresse dartun, will er mit einem solchen Antrag Erfolg haben[6]. Das dürfte, wenn es lediglich um die Erstattung von zu Unrecht gezahlten Steuern geht, regelmäßig nicht gelingen. Anders könnte es liegen, wenn etwa Pfändungsmaßnahmen angefochten und nach deren Aufhebung durch das FG Löschungsbewilligungen u. Ä. von der Behörde verlangt werden.

 

Rz. 43

Die Behörde muss zur Rückgängigmachung in der Lage und die Sache in dieser Frage spruchreif sein[7]. Wird z. B. eine Betriebsprüfungsanordnung aufgehoben, ist die Behörde nur in der Lage, die begonnene Prüfung abzubrechen, was ihr ggf. durch das Gericht aufgegeben werden kann. Nicht in der Lage ist sie, die bereits vollzogenen Prüfungshandlungen rückgängig zu machen. Wertet die Behörde in einem nachfolgenden Bescheid die aus der rechtswidrigen Betriebsprüfung erlangten Kenntnisse aus, so handelt es sich um mittelbare Folgen der Vollziehung der rechtswidrigen Prüfungsanordnung. Ein Verwertungsverbot kann im Rahmen des Urteils wegen Anfechtung der Prüfungsanordnung nicht aufgegeben werden. Es ist bei der Anfechtung des in Auswertung der Prüfung ergangenen Bescheids geltend zu machen und kann zu dessen Rechtswidrigkeit führen. Die Sache ist hinsichtlich der Rückgängigmachung der Vollziehung spruchreif, wenn die tatsächlichen und rechtlichen Umstände der Vollziehung geklärt sind. Handelt es sich z. B. nicht lediglich um die Erstattung von Zahlungen, sondern wurden unübersichtliche Verrechnungen vorgenommen und müsste zur Klärung ein Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 AO ergehen, ist die Sache nicht spruchreif. Der für die Spruchreife maßgebliche Zeitpunkt ist die letzte mündliche Verhandlung in der Anfechtungssache[8]. Ist die Sach- und Rechtslage hinsichtlich der Rechtswidrigkeit und Rechtsverletzung durch den angefochtenen Verwaltungsakt geklärt, hat das Gericht zu entscheiden und nicht allein wegen des Folgenbeseitigungsantrags weiter zu ermitteln.

[4] Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 100 FGO Rz. 44.
[5] Schleeh, AöR 1992, 58.
[6] BFH v. 9.4.1986, I R 62/81, BStBl II 1986, 565; Schmidt-Troje, in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 100 FGO Rz. 34; a. A. Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 100 FGO Rz. 45.
[8] V. Groll, in Gräber, FGO, 7. Aufl. 2010, § 100 Rz. 53.

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