Rz. 21

Auch dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG kommt im Rahmen des Steuerstrafrechts Bedeutung zu. Aus ihm ergibt sich, dass die Stpfl. nicht nur rechtlich, sondern auch tatsächlich gleich zu belasten sind. Damit dies der Fall ist, bedarf es – neben der Gleichheit der Rechtsanwendung – einer Gleichheit der normativen Steuerpflicht. Der Gesetzgeber ist somit verpflichtet, alle unter einen sachgerechten Besteuerungsmaßstab Fallenden als Steuersubjekt zu erfassen und prinzipiell gleichmäßig zu belasten (Rechtsetzungsgleichheit). Ist dies nicht der Fall, so ist das jeweilige Gesetz verfassungswidrig.

Selbst wenn ein materielles Steuergesetz diesen Anforderungen entspricht, sind aber Fälle denkbar, in denen die Verfahrensvorschriften eine gleichmäßige Besteuerung nicht ermöglichen, so dass insoweit die Besteuerungsgleichheit verletzt wird. Bestehen aufgrund der Verfahrensvorschriften strukturelle – einen gleichmäßigen Belastungserfolg prinzipiell verfehlende – Vollzugsdefizite und ist dieses Ergebnis dem Gesetzgeber zuzurechnen, so kann auch dies zur Verfassungswidrigkeit der materiellen Steuerrechtsnorm führen.[1]

 

Rz. 22

Wird eine materielle Steuerrechtsnorm durch das BVerfG für verfassungswidrig und nichtig erklärt, so hat dies nicht nur Wirkungen im materiellen Steuerrecht, sondern durch die Blankettformel des § 370 Abs. 1 AO auch im Steuerstrafrecht. Folglich ist zu differenzieren zwischen Steuergesetzen bzw. einzelnen blankettausfüllenden Normen, die einerseits vom BVerfG für verfassungswidrig und nichtig erklärt wurden und andererseits verfassungswidrigen Normen, deren befristete Weitergeltung das BVerfG angeordnet hat. Kommt das BVerfG zu einer Nichtigerklärung, so entfällt der Steueranspruch ex tunc, sodass von vornherein kein schützenswerter Vermögensbestandteil des Staates gegeben ist und folglich eine Steuerhinterziehung nicht möglich ist. Eine etwaige Verurteilung wegen Hinterziehung einer verfassungswidrigen Steuer würde die Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 20 Abs. 3 GG verletzen.

Ordnet das BVerfG hingegen die befristete Weitergeltung einer verfassungswidrigen Norm an, damit der Gesetzgeber in diesem Zeitraum die Möglichkeit hat, eine verfassungsgemäße Regelung zu schaffen, so ist der in dieser Frist entstandene Steueranspruch auch strafrechtlich geschützt. Dies ergibt sich daraus, dass die verfassungswidrige Norm durch die befristete Weitergeltungsanordnung zu einem Zeitgesetz i. S. d. § 2 Abs. 4 StGB wird und als solches den Blanketttatbestand des § 370 AO ausfüllt. Folglich ist die Hinterziehung solcher Steuern strafbar.[2]

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