Rz. 27

Ausweislich der Gesetzesbegründung zielt § 88b Abs. 1 AO darauf ab, Daten im Rahmen der bestehenden Datenhoheit eines Landes oder des Bundes länderübergreifend bereitzustellen und durch die zuständigen Stellen beim Bund und in den Ländern zu den genannten Zwecken zu nutzen.[1] Mit dieser Bereitstellungs- und Nutzungserlaubnis eröffnet der Gesetzgeber eine erweiterte Aufgabe als Verwaltungsverfahren in Steuersachen. Damit unterfällt diese neue Aufgabe, die bisherigen Verfahren der Finanzverwaltung erweiternd, § 30 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a AO. Dementsprechend erfolgt die Datenbereitstellung dem entsprechend erweiterten Anwendungsbereich des § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO.[2] Die bereitgestellten Daten unterliegen bei den berechtigten Amtsträgern – auch der anderen Länder oder des Bundes – dem Steuergeheimnis. Die Erlaubnisnorm dient der Schaffung von über die bisher von § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO umfassten hinausgehenden Berechtigungen. Eine Mitteilung von Daten von einer speichernden Finanzbehörde eines anderen Landes oder des Bundes ist nach § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO auch ohne vorheriges Ersuchen zulässig.

Dies ergänzend enthält § 30 Abs. 6 AO für bestimmte Anwendungsfälle auch die Berechtigung zum länderübergreifenden Datenabruf. § 88b AO erweitert diese Befugnis auf maschinelle Auswertungsberechtigungen unter Nutzung eines in einer Vielzahl von Datenbanken gespeicherten Datenbestands (vgl. Rz. 11). Gleichzeitig wird auch für diese Zwecke die Nutzung von Klardaten erlaubt.

 

Rz. 28

Die genaue Ausgestaltung des länderübergreifenden Abrufs und der Verwertung der Daten ist im Gesetz zunächst nicht weiter spezifiziert. Zudem können sich aus der Zusammenführung und dem Abgleich der Daten neue aus dem Gesamtblick herleitbare Informationen und Erkenntnisse ergeben.[3] Zwar ließe sich daraus auf eine sehr weite, ausfüllungsbedürftige und vielleicht sogar nicht hinreichend rechtsklare Ermächtigungsnorm schließen. Dabei würde aber übersehen, dass nicht zuletzt auch die (Verfassungs-) Rechtsprechung klare Auslegungskriterien i. S. eines freiheitsschonenden und verhältnismäßigen Gesetzesvollzugs vorgegeben hat. Diesen gilt es bei der Auslegung und Anwendung des § 88b AO Rechnung zu tragen.

[1] BT-Drs. 18/8434, 118.
[2] S. auch zu Rz. 9 und 59; a. A. Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 88b AO Rz. 2; Niewerth, in Lippross/Seibel, Basiskommentar Steuerrecht, § 88b AO Rz. 1.
[3] Beckmann, DStR 2017, 971, 975.

2.1 Gespeicherte Daten

 

Rz. 29

Der Datenpool, der zur gesetzeskonformen Verwendung für einen automationsgestützten Abgleich bereitsteht, ist nicht auf bestimmte Datenbanken der Steuerbehörden beschränkt. Die Berechtigung bezieht sich vielmehr auf von der Finanzverwaltung gespeicherte Daten, sowohl aus Verwaltungsverfahren in Steuersachen[1], als auch aus Strafverfahren wegen einer Steuerstraftat oder aus Bußgeldverfahren wegen einer Steuerordnungswidrigkeit.[2] Insbesondere zählen dazu die Daten i. S. d. § 88a AO; dagegen ist die Norm keine Rechtsgrundlage zur Beschaffung der zu nutzenden Daten.[3] Es stehen aber alle nach § 30 AO geschützten Daten für die Zwecke des § 88b AO zur Verfügung, die von der Finanzverwaltung rechtmäßig gespeichert wurden.

 

Rz. 30

Die zweckgebundene Verwendungsberechtigung bezieht sich auf die gespeicherten Klardaten, ohne dass es einer vorhergehenden Verschlüsselung durch die datenberechtigte Behörde bedarf.

 

Rz. 31

Grundsätzlich ist es für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit eines Eingriffs in Freiheitsrechte relevant, ob der Gesetzgeber lediglich die Nutzung bestimmter, ausdrücklich aufgezählter Informationen zulässt.[4] Dies ist hier insoweit der Fall, als die Norm sich ausdrücklich nur auf die Datenzusammenführung aus den Finanzbehörden ohnehin vorliegenden Informationen beschränkt. Grundsätzlich ist ein Informationsaustausch zwischen verschiedenen Finanzbehörden zulässig. Ebenso handelt es sich – wie auch bei der Sammlung und Auswertung von Daten aus öffentlich zugänglichen Quellen – nicht um einen unmittelbaren Rechtseingriff gegenüber dem Bürger.[5] Dies ist von besonderem Gewicht, da die Abwägung zwischen einem Eingriff in die Freiheitsrechte und der verfassungsrechtlichen Bedeutung des Eingriffsgrundes auch von dem jeweils besonderen Gewicht der gegeneinander streitenden Grundrechte abhängig ist. Entscheidend ist die Eingriffsintensität insbesondere auch mit dem Blick auf die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme.[6] Die Zusammenführung von Daten der Finanzbehörden hat eine geringere Eingriffsqualität, als die Datenbeschaffung etwa durch Auskunftsersuchen oder die Fertigung von Kontrollmitteilungen, die in die Sphäre der Stpfl. eingreifen.[7] § 88b AO hat für diese länderübergreifenden Datenzusammenführungen losgelöst vom Einzelfall eine Rechtsgrundlage geschaffen.

 

Rz. 32

Dass hinsichtlich des grundsätzlich zur Verfügung stehenden Datenumfangs keine Eingrenzungen von Seiten des Gesetzgebers vorgenommen wurden, führt nicht zu einer unakzeptablen Normweite. Typischerweise ist es dem Gesetzgeber gar nicht möglich, abstrakt zu bestimmen, welc...

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