Rz. 49

Jede Sachverhaltsaufklärung birgt auch einen gewissen Grad an Unsicherheit in sich. Die Aufklärung möglicher Unsicherheiten kann ggf. durch allgemeine Erfahrungen der Finanzbehörden zu vergleichbaren Sachverhalten begrenzt werden.[1] Der Rückgriff auf bestehende allgemeine Erfahrungen der Finanzbehörden im Rahmen der Entscheidungen über Art und Umfang der Ermittlungen ist im Grundsatz eine Frage der Effizienz.[2]

 

Rz. 50

Grundsätzlich werden Erfahrungssätze aus der allgemeinen Lebenserfahrung oder einer besonderen Fach- und Sachkunde gewonnen. Die gesetzliche Regelung stellt auf konkrete allgemeine Erfahrungen der Finanzbehörden als Institution ab, nicht auf allgemeine abstrakte Erfahrungssätze oder allgemeine Erfahrungen des individuellen Beamten.[3] Liegen Erfahrungen der Finanzverwaltung aus vergleichbaren steuerlichen Sachverhalten vor, so stellt der Rückgriff auf diese Erfahrungen unter Verzicht auf weitergehende Ermittlungshandlungen keinen Verstoß gegen die Gesetzmäßigkeit und den Gleichmäßigkeitsgrundsatz dar, da das materielle Recht zwar nicht auf den festgestellten, so aber wenigstens auf einen als überwiegend wahrscheinlich anzunehmenden Sachverhalt angewendet wird. Im Rahmen des steuerlichen Massenverfahrens ermöglicht dies, nach Maßgabe des aufgrund solcher Erfahrungen vermuteten Kontrollbedürfnisse sachgerechte Schwerpunkte zu bilden.[4]

 

Rz. 51

Kritisch wird gegen das Abstellen auf allgemeine Erfahrungen der Finanzbehörden vorgebracht, dass dieser unbestimmte Rechtsbegriff ein hohes Maß an Subjektivität aufweise und dass es an einem objektiven Maßstab fehle, der eine objektive Kontrolle ermögliche.[5] Diese Grundsatzkritik ist zwar nachvollziehbar. Der Rückgriff auf Erfahrungen aus einer typisierbaren Vielfalt von vergleichbaren Besteuerungsverfahren ist im Steuerrecht aber keineswegs neu. Gerade im steuerlichen Massenverfahren spielen solche Erfahrungen eine erhebliche praktische Rolle.[6] Der Rückgriff auf die bestehenden Verwaltungserfahrungen insbesondere mit vergleichbaren Fällen ist deshalb auch gar nicht vermeidbar, wenn der Vereinfachungsgedanke im Steuerrecht im Interesse einer Modernisierung des Besteuerungsverfahrens gefördert werden soll (Rz. 6).

Rz. 52 einstweilen frei

[1] Roser, in Gosch, AO/FGO, § 88 AO Rz. 18.
[2] Roser, in Gosch, AO/FGO, § 88 AO Rz. 15.2.
[3] Roser, in Gosch, AO/FGO, § 88 AO Rz. 15.2.
[4] Baum, in eKommentar, § 88 AO Rz. 24.
[5] Roser, in Gosch, AO/FGO, § 88 AO Rz. 15.2 m. w. N.
[6] Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 88 AO Rz. 17.

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