Rz. 8

Nach § 81 Abs. 1 Nr. 1 AO – entspr. § 1913 BGB – kann ein Vertreter von Amts wegen bestellt werden, wenn der Finanzbehörde der Beteiligte unbekannt geblieben ist. Hierbei ist es unerheblich, ob es sich um einen oder eine Mehrheit von unbekannten Beteiligten – wie z. B. mehrere Mitglieder einer Erbengemeinschaft – handelt. Für eine Beteiligtenmehrheit braucht grds. nur ein Vertreter bestellt zu werden.[1] Sind jedoch Interessengegensätze erkennbar, so ist nur die Bestellung von mehreren Vertretern ermessensfehlerfrei.[2] Sind von einer Beteiligtenmehrheit nur einer oder einzelne Beteiligte unbekannt, so ist nur für die Unbekannten ein Vertreter zu bestellen, nicht aber für die bekannten Beteiligten.

 

Rz. 9

Unbekannt i. d. S. ist der Beteiligte, wenn die Finanzbehörde trotz der nach § 88 Abs. 1 AO gebotenen Ermittlungen[3] nicht feststellen kann, wer Stpfl., d. h. Träger der steuerlichen Rechte und Pflichten, in diesem Besteuerungsfall ist.[4] Diese gilt auch für den Fall, dass die Beteiligung umstritten ist.[5] Die Finanzbehörde hat daher nicht allein die Unkenntnis oder Zweifel über die Person als Beteiligte darzulegen, sondern verhältnismäßige und zumutbare Ermittlungsmaßnahmen i. S. d. § 88 AO anzustrengen. Im Regelfall wird hierfür eine Anfrage beim Einwohnermeldeamt ausreichend sein.[6] Ausnahmsweise können aber weitere Ermittlungsmaßnahmen erforderlich sein, wenn diese einfach und schnell durchführbar sind.

Die Bestellung eines Vertreters kommt auch in Betracht, wenn ein Erbe nicht festgestellt werden kann. Die Finanzbehörde kann in diesem Fall beim Nachlassgericht die Bestellung eines Nachlasspflegers beantragen, mit dem Ziel der Feststellung, dass der Fiskus Erbe geworden ist.[7]

[1] Grüneberg/Götz, BGB, 82. Aufl. 2023, § 1913 BGB Rz. 2.
[2] Kobor, in Pfirrmann/Rosenke/Wagner, AO, § 81 AO, Rz. 11.
[3] Koenig/Hahlweg, AO, 4. Aufl. 2021, § 81 Rz. 7; Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 81 AO Rz. 45.
[4] Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 81 AO Rz. 7; Gold, in Zugmaier/Nöcker, AO, § 81 AO Rz. 8.
[5] Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 81 AO Rz. 48; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 23. Aufl. 2022, § 16 Rz. 13; Grüneberg/Götz, BGB, 82. Aufl. 2023, § 1913 BGB Rz. 2.
[6] Kobor, in Pfirrmann/Rosenke/Wagner, AO, § 81 AO Rz. 10.1; Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 81 AO Rz. 9.
[7] Mues, in Gosch, AO/FGO, § 81 AO Rz. 22.

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