Rz. 10

Nach § 81 Abs. 1 Nr. 2 AO 1. Alt. kann – entspr. § 1884 Abs. 1 BGB – ein Vertreter von Amts wegen bestellt werden, wenn der Aufenthalt des bekannten Beteiligten und sein Verbleib – trotz der nach § 88 AO gebotenen Ermittlungen – unbekannt ist.

Nach § 81 Abs. 1 Nr. 2 2. Alt. AO kann – entspr. § 1884 Abs. 2 BGB – ein Vertreter von Amts wegen bestellt werden, wenn der Beteiligte, auch wenn sein Aufenthalt bekannt ist, an der Rückkehr und Besorgung seiner Angelegenheiten für einen nicht absehbaren Zeitraum verhindert ist.

 

Rz. 11

In beiden Fallalternativen ist nach dem eindeutigen Wortlaut der Norm eine Ortsabwesenheit erforderlich. Abwesend ist ein Beteiligter, wenn er sich nicht an seinem Wohnsitz[1] oder gewöhnlichen Aufenthalt[2] aufhält.[3] Eine nur kurzfristige Abwesenheit ist einerseits aufgrund der regelmäßig fehlenden Eilbedürftigkeit der Erledigung der steuerrechtlichen Angelegenheit sowie andererseits wegen der Dauer der Vertreterbestellung von Amts wegen regelmäßig unschädlich und rechtfertigt nicht die Annahme einer Abwesenheit. Insoweit dürfte regelmäßig das Abwarten von mehreren Wochen die Annahme einer Abwesenheit nicht rechtfertigen, wenn absehbar ist, dass eine Rückkehr zum Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt wahrscheinlich oder sicher ist. Eine besondere Eilbedürftigkeit ist von der Finanzbehörde darzulegen.[4]

 

Rz. 12

Unbekannt ist der Aufenthalt, wenn der Beteiligte keine Nachricht über seinen aktuellen Verbleib hinterlassen hat und dieser mit zumutbaren Nachforschungen nicht zu ermitteln ist. Zumutbar ist stets die Kontaktaufnahme mittels gängiger Kommunikationsmittel, wie E-Mail, Telefon etc.

 

Rz. 13

Ein Beteiligter ist an der Besorgung seiner Angelegenheit verhindert, wenn die Aufnahme der Verbindung wesentlich erschwert und er nicht bereit ist, einen Vertreter zu bestellen.[5] Eine Verhinderung ist auch dann anzunehmen, wenn sich der Beteiligte zwar am Wohnort oder gewöhnlichen Aufenthalt aufhält, aber nicht zum Verfahrensort – z. B. die Amtsstelle – kommen kann oder will. Dies setzt jedoch regelmäßig eine – nicht vertretbare – höchstpersönliche Verfahrenshandlung sowie die Notwendigkeit des persönlichen Erscheinens voraus, die im Steuerverfahren regelmäßig nicht gegeben sein wird.[6] Die Gründe sowie ein Verschulden für die Abwesenheit sind ohne Bedeutung bzw. nicht erforderlich, um eine Vertreterbestellung zu rechtfertigen.

[3] Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 81 AO Rz. 11; Kobor, in Pfirrmann/Rosenke/Wagner, AO, § 81 AO Rz. 16; Gold, in Zugmaier/Nöcker, AO, § 81 AO Rz. 9; a. A. Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 81 AO Rz. 62.
[4] Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 81 AO Rz. 14; Kobor, in Pfirrmann/Rosenke/Wagner, AO, § 81 AO Rz. 16; Gold, in Zugmaier/Nöcker, AO, § 81 AO Rz. 11.
[5] Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 81 AO Rz. 13; Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 81 AO Rz. 70; Grüneberg/Götz, BGB, 82. Aufl. 2023, § 1911 BGB Rz. 5, 6.
[6] Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 81 AO Rz. 67.

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