Rz. 29

In einem Ermittlungsverfahren wegen Steuerstraftaten kann sich sehr häufig die Notwendigkeit ergeben, bei einem Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater gem. § 103 StPO zu durchsuchen, weil sich nach Aktenlage dort beweiserhebliche Buchführungsunterlagen befinden. Die Tätigkeit der vorgenannten Berufsträger ist jedoch geprägt von einem engen Vertrauensverhältnis zum Mandanten. Mit der Verschwiegenheitspflicht dieser Berufe[1] korrespondieren das Zeugnisverweigerungsrecht gem. § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO und das relative Beweiserhebungsverbot des § 160a Abs. 2 StPO (s. Rz. 19). Zur Verhinderung von Umgehungen dehnt die Vorschrift des § 53a StPO dieses Recht auf die Berufshelfer (Steuerfachangestellte, Referendare, Bürogehilfen) aus. Eine weitere Umgehung wird verhindert durch das Beschlagnahmeverbot des § 97 StPO, das an das Zeugnisverweigerungsrecht der §§ 53, 53a StPO anknüpft. Voraussetzung für die Anwendung des § 97 StPO ist aber zunächst immer, dass sich der Gegenstand zumindest im Mitgewahrsam der zeugnisverweigerungsberechtigten Person befindet.[2] Mitgewahrsam eines weiteren Zeugnisverweigerungsberechtigten schadet nicht, wohl aber Mitgewahrsam des Beschuldigten.[3] Der Mandant hat an Unterlagen, die sich in den Räumen des Beraters befinden, regelmäßig keinen Mitgewahrsam.[4] Das Beschlagnahmeverbot des § 97 StPO entfällt, wenn der Gewahrsamsinhaber die Gegenstände freiwillig herausgibt oder nicht mehr zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt ist.[5]

Ausnahmsweise kann sich ein Beschlagnahmeverbot auch unmittelbar von Verfassungs wegen ergeben, wenn wegen der Eigenart des Beweisthemas unter Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in grundrechtlich geschützte Bereiche eingegriffen wird.[6]

 

Rz. 30

Die Anwendung des § 97 StPO auf die beim Berater befindlichen Unterlagen, insbesondere die Handakten, ist stark umstritten.[7] Teilweise wird die Meinung vertreten, sämtliche beim Berater befindlichen Unterlagen seien beschlagnahmefrei.[8] Manche Stimmen gehen davon aus, die Unterlagen seien bis zur Bilanzerstellung geschützt[9] bzw. dann beschlagnahmefrei, wenn sie Korrespondenzen mit dem Mandanten darstellen oder aber vom Berufsgeheimnisträger mit Arbeitsvermerken versehen sind.[10] Die mittlerweile wohl h. M. hält beim Steuerberater befindliche Buchführungs- und Bilanzunterlagen für allgemein beschlagnahmefähig.[11] Beschlagnahmefrei sind nach § 97 Abs. 1 StPO lediglich die Aufzeichnungen, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem besonderen Vertrauensverhältnis zwischen Berufsgeheimnisträger und Mandanten stehen. Davon ist auszugehen, wenn die Buchhaltungsunterlagen unmittelbar zur Steuerberatung, insbesondere zur Erstellung der Jahresabschlüsse, dienen.[12]

Anschließend sind sie dem Berater allenfalls zur Archivierung überlassen.[13] § 97 StPO betrifft z. B. die Handakten des Steuerberaters mit seinen persönlichen Aufzeichnungen über Besprechungen mit dem Stpfl.; diese sind unstreitig nicht beschlagnahmefähig.[14]

Die freiwillige Herausgabe kann für einen Berufsträger einen Verstoß gegen das Verbot der Verletzung von Privatgeheimnissen nach § 203 Abs. 1 StGB darstellen. Die so herausgegebenen Unterlagen sind bei vorheriger Belehrung über das Zeugnisverweigerungsrecht, bzw. bei Spontanherausgabe dennoch verwertbar.[15]

Die Mandantenunterlagen stellen aber keine berufsspezifischen Aufzeichnungen des Beraters selbst dar; sie stehen unmittelbar dem Mandanten zu und werden regelmäßig auch von diesem – oder zumindest für diesen – selbst geführt. Beschlagnahmefähig sind weiterhin fertiggestellte Jahresabschlüsse sowie die Steuererklärungen; diese Unterlagen sind dem Berater nicht mehr "anvertraut" i. S. d. § 97 StPO; er hat seine Arbeiten für den Mandanten ab­geschlossen und muss diesem die Arbeitsergebnisse zur Verfügung stellen.[16] Beschlagnahmefähig sind die Buchführungsunterlagen auch, soweit sie Tatwerkzeuge i. S. d. § 97 Abs. 2 S. 3 StPO sind. Bilanzentwürfe gehören jedoch – als eigene Arbeitsleistung des Beraters – noch zu dem beschlagnahmefreien Bereich.[17]

 

Rz. 31

Stets beschlagnahmefrei sind die schriftlichen Mitteilungen zwischen dem Beschuldigten und den Zeugnisverweigerungsberechtigten, namentlich Briefe, sowie Aufzeichnungen derselben über die ihnen vom Beschuldigten anvertrauten Mitteilungen. Unerheblich ist, wo sich die Unterlagen befinden; Verteidigerpost darf die Steuerfahndung nie beschlagnahmen.[18] Die Beschlagnahmefreiheit entfällt jedoch, wenn der Berufsgeheimnisträger im Verdacht steht, sich an der Tat seines Mandanten beteiligt zu haben.[19] Entgegen Burkhard, PStR 2001, 158, 160 hilft es in diesen Fällen auch nichts, im Hinblick auf das unüberwachte Verkehrsrecht des Verteidigers[20] den Berater nach § 392 AO zum Verteidiger zu bestellen. Ob § 148 StPO weiter reicht als die Beschlagnahmefreiheit nach § 97 StPO, ist zweifelhaft. Jedenfalls ist unbeschränkter Verkehr nur zum Zweck der Verteidigung und nicht rechtsmissbräuchlich gestattet.

[1] Ausdrücklich normie...

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