Rz. 22

Aus der Pflicht zur materiellen Nachprüfung resultiert notwendig die Befugnis, einem fehlerhaften und rechtswidrigen Verwaltungsakt abzuhelfen. Die Abhilfebefugnis ist immanenter Bestandteil der Sachentscheidungsbefugnis aufgrund der Anhängigkeit des zulässigen Einspruchs.

Der Begriff Abhilfe hat insoweit zunächst einen materiellen Inhalt. I. d. S. ist Abhilfe die durch die Finanzbehörde durchgeführte, für den Beteiligten günstigere erneute Regelung des Steuerpflichtverhältnisses.

Die Befugnis zur Abhilfe im Einspruchsverfahren ist eine, aus dem Wesen des Einspruchsverfahrens folgende, gegenüber den allgemeinen Korrekturbestimmungen selbstständige Korrekturbefugnis. Beschränkungen der allgemeinen Korrekturbestimmungen gelten insoweit nicht.[1]

 

Rz. 22a

Hierbei ist zu beachten, dass durch die Anhängigkeit des Einspruchsverfahrens der Finanzbehörde nicht die nach den allgemeinen Verfahrensbestimmungen bestehende Dispositionsbefugnis über den Verfahrensgegenstand, also über den mit dem Einspruch angefochtenen Verwaltungsakt, entzogen ist.[2]  Sie kann die Abhilfe im Rahmen der Entscheidung über den Einspruch vornehmen. Diese Abhilfebefugnis der Finanzbehörde wird auch nicht dadurch eingeschränkt, dass andere Beteiligte zum Einspruchsverfahren nach § 360 AO hinzugezogen worden sind.[3]  Die Finanzbehörde ist aber nach § 132 S. 1 AO auch nicht gehindert, den angefochtenen Verwaltungsakt nach den allgemeinen Korrekturbestimmungen außerhalb des Einspruchsverfahrens nach §§ 130f., 172ff. AO ganz oder teilweise zurückzunehmen, zu widerrufen, aufzuheben oder zu ändern.[4]  Gleiches gilt nach § 129 S. 1 AO für die Berichtigung bei offenbaren Unrichtigkeiten, die "jederzeit" erfolgen kann.

In der Verwaltungspraxis wird häufig nicht unterschieden zwischen der vom Einspruchsverfahren unabhängigen Korrektur des angefochtenen Verwaltungsakts nach den allgemeinen Korrekturbestimmungen und der inhaltlichen Modifizierung des angefochtenen Verwaltungsakts aufgrund des Einspruchs, die insoweit als Abhilfe im eigentlichen, materiellen Sinn zu verstehen ist.

 

Rz. 23

Praxisüblich ist, dass die Finanzbehörde im Rahmen der Einspruchsbearbeitung dem Einspruchsführer einen Abhilfevorschlag unterbreitet. Hierbei handelt es sich grundsätzlich um eine den Verfahrensabschluss vorbereitende rechtliche Meinungsäußerung, die noch keine unmittelbare Rechtswirkung entfaltet. Dies hat zur Folge, dass die Finanzbehörde bei einer geänderten Rechtsauffassung oder anderen Sachverhaltserkenntnissen von ihrem Vorschlag wieder abrücken kann und die pflichtgemäß materiell-richtige Entscheidung treffen muss. Ein im Einspruchsverfahren ergehender Abhilfevorschlag der Finanzbehörde stellt grundsätzlich keine bindende Zusage dar.[5]

Etwas anderes muss aber dann gelten, wenn der Einspruchsführer durch den Abhilfevorschlag die Rücknahme des Einspruchs veranlasst. Eine Änderung der finanzbehördlichen Rechtsauffassung führt dann zu einer Unwirksamkeit dieser Einspruchsrücknahme, die nach § 362 Abs. 2 Satz 2 AO geltend gemacht werden kann.

RZ 24-25 einstweilen frei.

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