Entscheidungsstichwort (Thema)

Zustellung gegen Empfangsbekenntnis; Zulassung der Revision durch das FG

 

Leitsatz (NV)

1. Der auf dem Empfangsbekenntnis angegebene Zustelltag ist nicht maßgebend, wenn er unrichtig ist.

2. Das FG kann die Revision auch in den Entscheidungsgründen zulassen.

 

Normenkette

VwZG § 5 Abs. 2; FGO § 115 Abs. 1, § 120 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

Hessisches FG

 

Tatbestand

Das FG hat die Revision in den Entscheidungsgründen zugelassen.

Die Ausfertigungen des Urteils wurden am 2. Oktober 1986 versandt; das Empfangsbekenntnis des FA datiert vom 3. Oktober 1986.

Mit der beim FG am 4. November 1986 eingegangenen Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

Auf Hinweis des Senatsvorsitzenden, daß die Revision verspätet eingelegt worden sei, hat das FA eine dienstliche Äußerung des ständigen Vertreters des Vorstehers, der das Empfangsbekenntnis unterschrieben hatte, vorgelegt. Darin führt dieser aus, das Urteil des FG sei erst am 6. Oktober 1986 zugestellt worden. Die Post des FG habe ebenso wie die Posteingänge der Steuerpflichtigen, die sich bei Dienstbeginn im Briefkasten des FA befunden haben oder bei der Post abgeholt worden sind, den Eingangsstempel des vorhergehenden Arbeitstages (Freitag, 3. Oktober 1986) erhalten. Er könne sich genau erinnern, daß das FG-Urteil am 6. Oktober 1986 eingegangen sei; denn am 3. Oktober 1986 habe der Vorsteher (Geschäftsgangsvermerke in Grün), am 6. Oktober 1986 er als ständiger Vertreter (Geschäftsgangsvermerke in Rot, vgl. Empfangsbekenntnis) die Eingangspost durchgesehen. Im übrigen sei es so gut wie ausgeschlossen, daß die Urteilsausfertigungen vom 2. Oktober bereits am 3. Oktober zugestellt worden seien; denn die Dienstpost zwischen den FÄ und dem FG werde durch einen Tourendienst versandt. Sämtliche Post werde dabei zentral gesammelt und am nächsten Tag ausgeliefert, so daß der Postlauf zwei Tage dauere.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist zulässig.

a) Das FA hat die Revision fristgerecht beim FG eingelegt (§ 120 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Nach § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO ist die Revision beim FG innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils einzulegen. Wird - wie im Streitfall - die Zustellung gegen Empfangsbekenntnis bewirkt (§ 5 Abs. 2 des Verwaltungszustellungsgesetzes - VwZG -), ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - (z. B. Entscheidungen vom 23. Juni 1971 I B 12/71, BFHE 102, 457, BStBl II 1971, 723; vom 24. September 1975 II R 1/75, BFHE 117, 11, BStBl II 1976, 46; vom 30. März 1978 IV R 141/73, BFHE 125, 18, BStBl II 1978, 441, vom 20. August 1982 VIII R 58/82, BFHE 136, 348, BStBl II 1983, 63, m.w.N.), des Bundessozialgerichts - BSG - (z. B. Urteil vom 23. März 1966 9 RV 334/63, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1966, 1382) und des Bundesgerichtshofs - BGH - (z. B. Urteil vom 6. November 1984 VI ZR 2/83, Versicherungsrecht - VersR - 1985, 142 zu § 212a der Zivilprozeßordnung - ZPO -), der sich auch das Bundesverwaltungsgericht - BVerwG - (vgl. z. B. Beschluß vom 1. November 1984 7 B 39.84, Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, 442.40, § 22 des Luftverkehrsgesetzes, Nr. 1) angeschlossen hat, der Zeitpunkt maßgebend, in dem der Aussteller das Schriftstück als zugestellt entgegengenommen hat. Obgleich das Empfangsbekenntnis den vollen Beweis für die Richtigkeit des Datums liefert (vgl. § 418 Abs. 1 ZPO), ist der auf dem Empfangsbekenntnis angegebene Zustelltag nicht maßgebend, wenn er nachgewiesenermaßen unrichtig ist (Entscheidungen in BFHE 102, 457, BStBl II 1971, 723; in BFHE 125, 18, BStBl II 1978, 441; BGH-Beschluß vom 4. Dezember 1985 IVb ZB 68/85, VersR 1986, 371; BVerwG-Beschluß vom 15. Juli 1985 3 B 18.85, Buchholz, BVerwG, 427.6, § 3 des Beweissicherungs- und Feststellungsgesetzes - BFG -, Nr. 18).

Im Streitfall hat das FA durch eine dienstliche Äußerung des ständigen Vertreters nachgewiesen, daß das auf dem Empfangsbekenntnis von dem Beamten vermerkte Datum, das mit dem Datum des Eingangsstempels übereinstimmt, unrichtig ist. Der Beamte hat glaubhaft versichert, daß Posteingänge von Steuerpflichtigen, die sich bei Dienstbeginn im Briefkasten des FA befinden oder bei der Post abgeholt werden, den Eingangsstempel des letzten Arbeitstages erhalten und daß dies auch mit dem am Montag, dem 6. Oktober, eingegangenen Urteil des FG geschehen ist. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Vorbringen des Beamten, sondern auch daraus, daß das Empfangsbekenntnis erst am 8. Oktober 1986 wieder beim FG eingegangen ist.

b) Die Zulassung der Revision durch das FG ist wirksam. Will das FG die Revision zulassen, hat dies aus Gründen der Rechtsklarheit ausdrücklich zu geschehen. Die Zulassung braucht nicht im Urteilstenor zu erfolgen, sie ist auch wirksam, wenn sich - wie im Streitfall - aus den Entscheidungsgründen klar ergibt, daß das FG die Revision zugelassen hat (BFH-Urteil vom 5. Oktober 1971 VI R 284/69, BFHE 103, 477, BStBl II 1972, 139, m.w.N.; BGH-Urteil vom 12. Januar 1970 VII ZR 48/68, BGHZ 53, 152, 155).

 

Fundstellen

Haufe-Index 415502

BFH/NV 1988, 451

BFHE 1988, 29

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge