Rz. 113

Die Aufhebung des Vorbehalts hat durch die gesetzliche Fiktion die Wirkung einer erstmaligen Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung mit dem materiellen Inhalt der Vorbehaltsfestsetzung. Der Stpfl. hat jetzt die Möglichkeit, einen Rechtsbehelf einzulegen, da er möglicherweise mit seinem Vorbringen gegen die Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung bis zur endgültigen Überprüfung des Steuerfalls gewartet hat. Da die Aufhebung des Vorbehalts einem Neuerlass des Steuerbescheids gleichkommt, kann der Stpfl. bei Einlegung eines Einspruchs auch Aussetzung der Vollziehung, § 361 AO, beantragen.[1]

 

Rz. 114

Die Bestimmung, dass die Aufhebung des Vorbehalts die Wirkung einer Steuerfestsetzung hat, hat bei Grundlagenbescheiden zur Folge, dass nunmehr (wiederum) § 171 Abs. 10, § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO Anwendung finden.[2] Wird der Vorbehalt eines Grundlagenbescheids aufgehoben, gilt dies nach § 164 Abs. 3 S. 2 AO i. V. m. § 181 Abs. 1 S. 1 AO als erstmalige Feststellung der Besteuerungsgrundlagen, selbst wenn es sich um einen Änderungsbescheid handelt. Dies bedeutet, dass die in dem Grundlagenbescheid enthaltenen Besteuerungsgrundlagen in vollem Umfang in den Folgebescheid zu übernehmen sind, nicht nur, soweit sich Besteuerungsgrundlagen geändert haben. Da es sich (fiktiv) auch bei einem ändernden Grundlagenbescheid um eine "erstmalige Feststellung" handelt, ist die Bindungswirkung sachlich unbeschränkt, also nicht nur beschränkt auf die Änderungen.[3] Das gilt auch dann, wenn der Vorbehalt der Nachprüfung des Grundlagenbescheids aufgehoben wird, ohne dass eine sachliche Änderung des Grundlagenbescheids erfolgt.[4]

 

Rz. 115

Die Aufhebung des Vorbehalts wirkt aber nur dann als Steuerfestsetzung, wenn die Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung wirksam war. Ist das nicht der Fall, etwa mangels Bekanntgabe dieser Steuerfestsetzung, geht die Aufhebung des Vorbehalts ins Leere. Die Aufhebung des Vorbehalts wirkt dann nicht als neue Steuerfestsetzung und eröffnet dem Stpfl. keine Rechtsbehelfsmöglichkeit.[5] Dies gilt auch, wenn unklar ist, ob der Vorbehaltsbescheid nach § 122 AO wirksam bekannt gegeben worden ist.[6]

 

Rz. 116

Hatte der Stpfl. gegen die Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung einen Rechtsbehelf eingelegt und war er durch rechtskräftige Entscheidung unterlegen, ist er wegen der Rechtskraft des Urteils[7] bei einer Aufhebung des Vorbehalts mit dem im Gerichtsverfahren bereits geprüften Vorbringen, d. h. im Umfang des Entscheidungsgegenstands, ausgeschlossen.[8] War über die Einwendungen dagegen nur durch Einspruchsentscheidung entschieden worden und wurde der Vorbehalt aufrechterhalten, kann jetzt bei Aufhebung des Vorbehalts erneut Einspruch mit derselben Begründung eingelegt werden[9], da die Einspruchsentscheidung im Gegensatz zur gerichtlichen Entscheidung keine Rechtskraft entfaltet, die Bestandskraft durch den Vorbehalt aber ausgeschlossen war (Rz. 73).

 

Rz. 117

Durch die Aufhebung des Vorbehalts entfällt die Möglichkeit, die Steuerfestsetzung nach § 164 Abs. 2 AO zu ändern. Andere Änderungsmöglichkeiten, wie §§ 172ff. AO, bleiben aber ausweislich des Wortlauts des § 172 Abs. 1 Satz 1 AO bestehen.

 

Rz. 118

Die Wirkungen der Aufhebung des Vorbehalts beschränken sich auf das Steuerfestsetzungsverfahren. Hierin liegt kein erneutes und damit erneut anfechtbares Leistungsgebot.[10]

 

Rz. 119

Der Vorbehalt der Nachprüfung kann auch in einer Einspruchsentscheidung aufgehoben werden. Zulässiges Rechtsmittel ist hiergegen die Klage, nach § 348 Nr. 1 AO nicht der erneute Einspruch. Die Aufhebung des Vorbehalts ist, ebenso wie seine Beifügung, eine unselbstständige Nebenentscheidung des Verwaltungsakts i. S. d. § 120 Abs. 1 AO (Rz. 6ff.), und damit untrennbarer Teil der Einspruchsentscheidung. Die Aufhebung des Vorbehalts ist daher nur zusammen mit der Einspruchsentscheidung anfechtbar. Der Fall ist ebenso zu beurteilen, als wenn in der Einspruchsentscheidung die Festsetzung der Steuer geändert worden wäre. Angefochten wird die Steuerfestsetzung nach § 44 Abs. 2 FGO in der Gestalt, die sie durch die Einspruchsentscheidung gefunden hat, also als vorbehaltlose Steuerfestsetzung.[11] Zulässiger Rechtsbehelf ist daher die Klage, nicht ein erneuter Einspruch.

 

Rz. 120

Wird der Vorbehalt von der Finanzbehörde in einem gerichtlichen Verfahren nach § 164 Abs. 3 AO aufgehoben, wird der dadurch erlassene Steuerbescheid nach § 68 S. 1 FGO anstelle des bisherigen Steuerbescheids Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens.[12]

 

Rz. 121

Ändert die Finanzbehörde die Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung durch einen Steuerbescheid ohne Vorbehalt und legt der Stpfl. Einspruch ein, gilt die Beschränkung des § 351 Abs. 1 AO nicht, obwohl die Änderungsfestsetzung eine unanfechtbare Steuerfestsetzung, die Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung, ändert. Da der Stpfl. aber während des Bestehens des Vorbehalts die Möglichkeit hatte, ohne Rücksicht auf die Bestandskraft Änderungsanträge zu ste...

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