Rz. 3

Da die Aufbewahrungspflicht Bestandteil der Buchführungs- und Aufzeichnungspflicht ist (Rz. 1), ist der Personenkreis der Aufbewahrungspflichtigen zunächst identisch mit dem Kreis der Buchführungs- und Aufzeichnungspflichtigen.[1] Darüber hinaus gelten nach § 146 Abs. 6 AO die Ordnungsvorschriften, einschließlich derjenigen hinsichtlich der Aufbewahrung, auch für diejenigen, die freiwillig Bücher führen.[2]

 

Rz. 4

Freiberufler, die ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG ermitteln, müssen zur Ermittlung des Betriebsvermögens die allgemeinen Regeln der kaufmännischen Buchführung befolgen.[3] Hierzu gehört auch die Aufbewahrung der Unterlagen nach den Regelungen des § 147 AO.[4] Bei der Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG folgt aus dem Gesetz notwendig eine Aufzeichnungspflicht hinsichtlich der Betriebseinnahmen und der Betriebsausgaben.[5] Insoweit gilt die allgemeine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 1 AO, wonach Beweismittel für steuerlich erhebliche Tatsachen anzugeben sind. Für die Art und Weise der steuerlich erforderlichen Aufzeichnungen greifen §§ 145, 146 AO ein.[6] Als Annex dieser Aufzeichnungspflicht (s. Rz. 1) ergibt sich damit die Aufbewahrungspflicht nach § 147 AO.[7] Das Gesetz trägt dem durch die Verwendung des Begriffs "Geschäftsbriefe" Rechnung.[8] Für Überschusseinkünfte kann eine Aufbewahrungspflicht nur gem. § 147a in Betracht kommen.[9]

Der BFH hat das Vorstehende insofern eingeschränkt, als er die Auffassung vertritt, dass freiwillig geführte Unterlagen und Daten nicht dem Datenzugriff nach § 147 Abs. 6 AO unterliegen.[10] Wie die Finanzverwaltung mit dieser Entscheidung umgeht, ist indes noch offen.

 

Rz. 5

Verantwortlich für die ordnungsgemäße Aufbewahrung ist der Pflichtenträger (s. Rz. 3) selbst bzw. die für ihn handelnden Personen nach §§ 34, 35 AO. Die Aufbewahrungspflicht ist eine öffentlich-rechtliche Pflicht und kann demgemäß nicht durch private Vereinbarungen abbedungen oder übertragen werden.[11] Der Verantwortliche kann sich aber bei der Erfüllung seiner Verpflichtungen Dritter bedienen, deren Verhalten er sich dann aber zurechnen lassen muss.

 

Rz. 6

Die Verpflichtung geht auch auf den Rechtsnachfolger (z. B. den Erben bzw. den Testamentsvollstrecker) über.[12] Sie besteht im Fall der Unternehmensliquidation fort.[13] Auch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens berührt die allgemeine Buchführungs- und Aufbewahrungspflicht nicht, sodass der Insolvenzverwalter zur Aufbewahrung verpflichtet ist, solange er das Unternehmen weiter betreibt oder abwickelt.[14]

 

Rz. 7

Im Fall der Betriebsveräußerung im Ganzen tritt der Erwerber zwar in die Buchführungspflicht des Veräußerers ein, die Aufbewahrungspflicht für Unterlagen bis zum Zeitpunkt der Veräußerung verbleibt aber beim Veräußerer.[15] Übernimmt der Erwerber die Unterlagen, so wird er nicht selbst Träger der Aufbewahrungspflicht, sondern verwahrt die Unterlagen nur als Erfüllungsgehilfe des Veräußerers.[16]

[2] Dißars, in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, Vor §§ 140–148 AO Rz. 31; Dißars, in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, § 146 AO Rz. 27; vgl. wie hier Koenig/Haselmann, AO, 4. Aufl. 2021, § 147 Rz. 3; Trzaskalik, in HHSp, AO/FGO, § 147 AO Rz. 7; Klein/Rätke, AO, 16. Aufl. 2022, § 147 Rz. 7; Burchert, INF 2002, 680; Schmitz, StBp 2002, 195; a. A. Kromer, DStR 2001, 1018; Schaumburg, DStR 2002, 833; insbesondere Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 147 AO Rz. 4; FG Hamburg v. 13.11.2006, 2 K 198/05, DStRE 2007, 441.
[4] Wohl einschränkend Koenig/Haselmann, AO, 4. Aufl. 2021, § 147 Rz. 5.
[5] Klein/Rätke, AO, 16. Aufl. 2022, § 147 Rz. 4 m. w. N.
[6] FG Hamburg v. 22.3.1991, VII 164/90, EFG 1991, 636; Offerhaus, BB 1977, 1493, 1495; Klein/Rätke, AO, 16. Aufl. 2022, § 147 Rz. 1; a. A. Trzaskalik, in HHSp, AO/FGO, § 147 AO Rz. 6 m. w. N.
[7] Schnepper, DB 1981, 287; s. aber auch Lammerding, DB 1979, 2452.
[8] BT-Drs. 7/4292, 31.
[9] S. Erl. bei Dißars, in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, zu § 147a AO; Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 147 AO Rz. 1; Koenig/Haselmann, AO, 4. Aufl. 2021, § 147 Rz. 5.
[10] BFH v. 12.2.2020, X R 8/18, BFH/NV 2020, 1045; vgl. auch Zugmaier/Nöcker/Kahl-Hinsch, AO, 1. Aufl. 2022, § 147 AO Rz. 10.
[11] Dißars, in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, Vor §§ 140–148 AO Rz. 17; Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 147 AO Rz. 32.
[12] Zugmaier/Nöcker/Kahl-Hinsch, AO, 1. Aufl. 2022, § 147 AO Rz. 12.
[13] Radke, BB 1977, 1529; zur Liquidation einer stillen Gesellschaft s. BFH v. 4.10.1991, VIII B 93/90, BStBl II 1992, 59, 61; auch Koenig/Haselmann, AO, 4. Aufl. 2021, § 147 Rz. 4.
[14] Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 9. Aufl. 2021, 34, 37f.
[15] Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 147 AO Rz. 32; Trzaskalik, in HHSp, AO/FGO, § 147 AO Rz. 9; a. A. Radke, BB 1977, 1529.
[16] Drü...

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