Leitsatz

Die Versagung des Sonderausgabenabzugs nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG für das an ein britisches College gezahlte Schulgeld verletzt jedenfalls dann nicht das gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot, wenn die Höhe des Schulgelds eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern fördert und es deshalb auch beim Besuch einer inländischen Schule steuerlich nicht berücksichtigt werden könnte.

 

Normenkette

Art. 7 Abs. 4 GG , Art. 18 EGV , Art. 39 EGV , Art. 43 EGV , Art. 49 EGV , § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG

 

Sachverhalt

Die Kläger zahlten für ihren im Jahr 1978 geborenen Sohn, der im Streitjahr 1998 das Bellerbys College in Hove, Großbritannien besuchte, ein Schulgeld von 43.230 DM. Daneben fielen noch Kosten für die Unterbringung an.

Das FA versagte den Abzug von 30 % des Schulgelds als Sonderausgaben. Das FG wies die Klage ab. Im Revisionsverfahren rügten die Kläger, dass die Regelung des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG gegen das gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot verstoße, und beantragten, das Verfahren dem EuGH vorzulegen.

 

Entscheidung

Der BFH vertrat die Auffassung, dass eine Vorabentscheidung des EuGH nach Art. 234 EGV nicht einzuholen sei. Er lehnte den Sonderausgabenabzug des Schulgelds mit der Begründung ab, dass auch bei einer vergleichbaren inländischen Privatschule ein Abzug nicht möglich wäre, weil eine solche Schule nach materiellem inländischen Recht aufgrund der hohen Schulgeldzahlungen nicht hätte genehmigt oder anerkannt werden können.

 

Hinweis

1. Die abstrakte Frage, ob die Vorschrift des §10 Abs. 1 Nr. 9 EStG gegen europäisches Gemeinschaftsrecht verstößt, weil sie den Abzug eines Teils des Schulgelds davon abhängig macht, dass es sich bei der Schule um eine gem. Art. 7 Abs. 4 GG staatlich genehmigte oder nach Landesrecht erlaubte Ersatzschule oder anerkannte Ergänzungsschule handelt, ist seit langem umstritten. Der X. Senat des BFH hat die Frage in einem Urteil aus dem Jahr 1997 mit der Begründung verneint, dass der Unterricht an Schulen keine Dienstleistung i.S.d. Art. 49 EGV sei (vgl. BFH, Urteil vom 11.6.1997, X R 74/95, BStBl II 1997, 617).

Dagegen hat die Europäische Kommission im Januar 2004 eine mit Gründen versehene Stellungnahme nach Art. 226 EGV an die Bundesrepublik Deutschland gerichtet, in der sie eine generelle Versagung des Sonderausgabenabzugs für einen Schulbesuch im Ausland als unvereinbar mit dem EG-Recht hält. Die Kommission erkennt einen Verstoß gegen das Recht auf Freizügigkeit (Art. 18, 39, 43, 49 EGV).

Der XI. Senat des BFH konnte mit dem Besprechungsurteil die Frage weder beantworten noch dem EuGH zur Vorabentscheidung nach Art. 234 EGV vorlegen, weil sie hier nicht entscheidungserheblich war. Ein Verstoß gegen das gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot setzt nämlich voraus, dass ein ausländischer Angehöriger eines Mitgliedstaats deshalb benachteiligt wird, weil er von den gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten Gebrauch macht. Eine Benachteiligung liegt aber deshalb nicht vor, weil das Schulgeld auch dann nicht nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG hätte berücksichtigt werden können, wenn es für den Besuch einer vergleichbaren inländischen Privatschule gezahlt worden wäre. Denn einer vergleichbaren inländischen Schule hätte die für den Sonderausgabenabzug erforderliche staatliche Genehmigung oder Erlaubnis gar nicht erteilt werden dürfen.

2. Nach Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG, der als vorrangige Verfassungsnorm auch für die Landesgesetzgebung gilt, darf die Genehmigung für den Betrieb einer (privaten) Ersatz- oder Ergänzungsschule dann nicht erteilt werden, wenn durch die Schule eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern gefördert wird. Das ist nach der Rechtsprechung des BVerfG bereits dann der Fall, wenn die Schule wegen der Höhe des zu zahlenden Schulgelds nicht mehr allgemein zugänglich ist. Denn im Grundsatz müssen alle Schüler ohne Rücksicht auf ihre wirtschaftlichen Verhältnisse die Privatschule besuchen können.

Im Besprechungsfall hatten die Kläger für ihren Sohn ein monatliches Schulgeld von ca. 3.600 DM zu zahlen. Ein derart hohes Schulgeld führt nach Auffassung des BFH zu der verfassungsrechtlich untersagten Sonderung von Schülern nach Besitzverhältnissen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 14.12.2004, XI R 66/03

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