Leitsatz

1. Rückstellungen für Pensionsverpflichtungen sind nicht zu bilden, wenn eine Inanspruchnahme am maßgeblichen Bilanzstichtag infolge eines Schuldbeitritts nicht (mehr) wahrscheinlich ist.

2. Ein Freistellungsanspruch wegen des Schuldbeitritts zu den Pensionsverpflichtungen ist in einem solchen Fall nicht zu aktivieren (gegen BMF-Schreiben vom 16.12.2005, IV B 2 ‐S 2176‐ 103/05, BStBl I 2005, 1052).

 

Normenkette

§ 5 Abs. 1, § 6a EStG, § 421, § 426 BGB, § 246 Abs. 2 Satz 1, § 249 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 HGB, § 4 BetrAVG

 

Sachverhalt

Eine KG hatte ihren Mitarbeitern Pensionszusagen erteilt und dafür eine Pensionsrückstellung gebildet. Im Jahr 2002 vereinbarte sie mit einer konzernverbundenen GmbH, dass diese als weitere Schuldnerin in die Pensionsverpflichtung eintreten sollte. Die Mitarbeiter erhielten dadurch einen eigenen Anspruch gegen die GmbH. Die KG blieb zwar im Außenverhältnis weiter verpflichtet, hatte aber im Innenverhältnis zur GmbH einen Erstattungsanspruch. Dafür erhielt die GmbH einen Geldbetrag, der dem Barwert der Pensionsverpflichtung im Zeitpunkt der Übernahme entsprach. Er war bei Änderung der tatsächlichen Verhältnisse anzupassen.

Die KG wies anschließend keine Pensionsrückstellung mehr aus. Das FA meinte, die Rückstellung sei weiter zu passivieren, während auf der Aktivseite ein Freistellungsanspruch in Höhe des gezahlten Betrags auszuweisen sei.

Das nach erfolglosem Einspruch angerufene FG gab der Klage statt (FG Münster, Urteil vom 19.8.2009, 11 K 2899/06 F, Haufe-Index 2239265, EFG 2009, 1922).

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte das FG-Urteil. Die Rückstellung sei wegen Unwahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme nicht mehr zu passivieren. Der Freistellungsanspruch sei kein bilanzierungsfähiges WG und erschöpfe sich wirtschaftlich darin, dass kein Passivposten mehr auszuweisen sei.

 

Hinweis

1. Die Entscheidung klärt die hoch streitige Frage, ob stille Lasten in Pensionsverpflichtungen durch vertragliche Vereinbarungen aufgedeckt werden können. Die Sonderregelung zur Bewertung von Pensionsverpflichtungen in § 6a EStG führt u.a. durch einen nicht marktgerechten Abzinsungsfaktor dazu, dass Pensionslasten in der Steuerbilanz in der Regel deutlich niedriger als in der Handelsbilanz ausgewiesen werden. Die Hebung der darin liegenden stillen Last kann deshalb ein Gestaltungsziel sein.

2. Eine stille Last wird grundsätzlich dadurch realisiert, dass man sich gegen Entgelt von der zugrunde liegenden Verpflichtung befreit. Bei Pensionsverpflichtungen ist aber aus arbeitsrechtlichen Gründen eine befreiende Schuldübernahme meist ausgeschlossen. Lediglich ein Schuldbeitritt mit Schaffung eines zweiten Schuldners für die versprochene Pension verbunden mit einer internen Regelung über die alleinige Lastentragung durch den Beitretenden kommt dann in Betracht. Bucht man infolge des Schuldbeitritts die (unterbewertete) Rückstellung aus und vermindert sich zugleich die Aktivseite der Bilanz um das markt­angemessene Entgelt, realisiert sich der in der stillen Last gespeicherte Verlust.

Nach Meinung der Finanzverwaltung sollte die stille Last dadurch aber nicht beseitigt werden. Vielmehr sei die Pensionsrückstellung weiter auszuweisen, während der Abgang an Barvermögen durch einen gleich hohen Aktivposten für einen Freistellungsanspruch ersetzt werde.

Der BFH hat sich dieser Auffassung nicht angeschlossen und lässt damit auch ohne vollständige rechtliche Befreiung von der Schuld eine Realisierung der stillen Last zu. Es wird abzuwarten sein, ob dies zusammen mit den Entscheidungen des BFH zur Aufdeckung stiller Lasten durch steuerliche Passivierungsverbote für Drohverlust- und Jubiläumsrückstellungen (Urteile v. 16.12.2009, I R 102/08, BFH/NV 2010, 517 und vom 14.12.2011 I R 72/10, BFH/PR 2012, 147) dazu führt, dass die Finanzverwaltung sich der Rechtsprechung anschließt oder aber eine gesetzliche Regelung anregt.

3. Über die Bilanzierung durch denjenigen, der den Schuldbeitritt erklärt, hatte der BFH hier nicht zu entscheiden. Der hinzutretende Schuldner hat auf der Aktivseite der Bilanz den Zugang an Barmitteln und auf der Passivseite in derselben Höhe die Freistellungsverpflichtung mit ihren Anschaffungskosten zu zeigen. Das betrifft auch die Steuerbilanz, denn § 6a EStG ist auf derartige Verpflichtungen nicht anzuwenden. Es kann also auch nicht zu einem Gewinnausweis durch Abwertung der Rückstellung in der nächsten Schlussbilanz kommen, was die Finanzverwaltung ja im Fall "erworbener" Drohverlust­rückstellungen fordert (BMF vom 24.6.2011, BStBl I 2011, 627, Rdnr. 4; dagegen aber das oben genannte BFH-Urteil vom 14.12.2011, I R 72/10).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 26.4.2012 – IV R 43/09

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