Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 24.04.1995; Aktenzeichen 1 BvR 231/89)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Anwendung des Progressionsvorbehaltes gemäß § 32 b Abs. 1 Nr. 1 (Arbeitslosengeld) Einkommensteuergesetz (EStG).

Die miteinander verheirateten Kläger (KI.) sind türkische Staatsangehörige. Sie haben fünf Kinder. Die Klägerin (Klin.) bezog einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 33.919 DM. Der Kläger (KI.) ist arbeitslos und erhielt im Streit jahr 1984 als Lohnersatz ein Arbeitslosenentgelt in Höhe von 7.237 DM.

Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer (ESt) durch Bescheid vom 17. Juli 1985 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. Januar 1986 wich das beklagte Finanzamt (FA) nicht von den erklärten Angaben ab. Für die Berechnung des Steuersatzes berücksichtigte es jedoch das Arbeitslosengeld des Kl. Hierum geht der Rechtsstreit. Das Arbeitslosenentgelt in Höhe von 7.237 DM rechnete das FA durch Anwendung einer Tabelle in Bundessteuerblatt (BStBl) I 1983, 537 auf den Bruttolohn in Höhe von 10.488 DM hoch. Diesen Betrag verminderte es dann wieder durch Abzug des Weihnachts- und Arbeitnehmerfreibetrages in Höhe von 1.080 DM und des Werbungskosten (WK) Pauschbetrages von 564 DM und ermittelte so den zu berücksichtigenden Betrag von 8.844 DM.

Diesen Betrag von 8.844 DM ließ das FA zwar gemäß § 3 Nr. 2 EStG steuerfrei, wendete aber wegen dieses Betrages einen besonderen Steuersatz an, der sich ergibt, wenn man den oben bezeichneten Betrag von 8.844 DM bei der Berechnung der ESt einbezieht.

Hiergegen richtet sich die Klage, die am 3. März 1986 rechtshängig geworden ist. Die Kl. tragen vor: Das zu versteuernde Einkommen sei zwar in nicht zu beanstandender Weise auf 23.530 DM festgesetzt worden, nicht zulässig sei es jedoch, einen besonderen Steuersatz nach § 32 b EStG zu berücksichtigen. Diese Vorschrift sei nichtig. Die gesetzgeberische Konzeption des § 32 b EStG sei fehlerhaft, denn sie stehe im Widerspruch zu § 3 Nr. 2 EStG und verstoße damit gegen gleichrangiges Recht. § 32 b EStG stehe außerdem auch nicht im Einklang mit dem Sozialstaatsprinzip und mit Art. 3 des Grundgesetzes (GG) und sei demzufolge verfassungswidrig. Die steuerliche Ungleichbehandlung von Lohnersatzleistung beziehenden Arbeitslosen und lohnempfangenden Arbeitnehmern durch Schaffung eines Progressionsvorbehalts sei nicht gerechtfertigt. Das Arbeitslosengeld des Kl. betrage lediglich 68 % des letzten Nettoentgelts. Es sei unverständlich, warum der Arbeitslose neben dem geringen Arbeitslosenentgelt auch noch zusätzlich eine größere Steuerlast tragen solle. Das mit der Schaffung des § 32 b EStG bezweckte gesetzgeberische Ziel könnte allenfalls dadurch verwirklicht werden, daß die Lohnersatzleistungen der Steuer- und Sozialabgabepflicht unterworfen werden. Er rege deshalb an, die Vorschrift des § 32b EStG dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur Überprüfung seiner Verfassungsmäßigkeit vorzulegen. Hilfsweise verlangten die Kl., daß § 32b Abs. 2 Nr. 1 EStG zutreffend angewendet werde. Das FA gehe durch Anwendung des Erlasses des Bundesministers der Finanzen (BStBl I 1983, 527) von einem fiktiven Bruttoarbeitslohn aus, statt auf die tatsächlich ausgezahlten Lohnersatzleistungen ohne Berücksichtigung der gesetzlichen Lohnabzüge abzustellen. Die Arbeitslosenbezüge des Kl. in Höhe von 7.229 DM seien um den Weihnachts- und Arbeitnehmerfreibetrag und um die WK-Pauschale auf 5.585 DM zu vermindern. Dann ergebe sich statt einer ESt von 3.811 DM eine ESt in Höhe von 3.661 DM.

Die Kl. beantragen,

den ESt-Bescheid vom 17. Juli 1985 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. Januar 1986 zu ändern und die ESt auf 3.302 DM,

hilfsweise,

auf 3.661 DM herabzusetzen und die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es trägt vor, der in der Bescheinigung des Arbeitsamtes für den Kl. ausgewiesene „Bruttobetrag für das Finanzamt” in Höhe von 10.488 DM ergebe sich aus der Tabelle des Bundesministers der Finanzen. Dabei seien auch die gewöhnlich anfallenden gesetzlichen Abzüge (Vorsorgeaufwendungen) berücksichtigt worden. § 32 b EStG sei nicht verfassungswidrig. Ohne den besonderen Steuersatz des § 32 b EStG ergaben sich früher steuerliche Auswirkungen (Erstattungen), die nicht dem arbeits- und sozialpolitischen Ziel des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) vom 25. Juni 1969 entsprachen (vgl. dazu Begründung zum Regierungsentwurf, Bundestagsdrucksache 9/842 S. 67).

Beigezogen und Gegenstand des Verfahrens war die ESt-Akte des beklagten FA.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Die von den Kl. beanstandeten gesetzlichen Regelungen des ESt-Rechts sind mit dem GG vereinbar; der angefochtene Bescheid ist ohne erkennbare Fehler auf der Grundlage des EStG 1984 erlassen worden.

Hat ein unbeschränkt Steuerpflichtiger (Stpfl.) Arbeitslosengeld (steuerfrei gemäß § 3 Nr. 2 EStG) bezogen, so ist gemäß § 32 b Ab...

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