Entscheidungsstichwort (Thema)

Verzögerungsgeld - Begründung des Entscheidungsermessens

 

Leitsatz (redaktionell)

Nach § 146 Abs. 2b AO "kann" ein Verzögerungsgeld von 2.500 € bis 250.000 € festgesetzt werden. Es handelt sich somit um eine Ermessensentscheidung der Finanzbehörde, die zunächst entscheiden muss, ob sie ein Verzögerungsgeld festsetzt ("Entschließungsermessen") und auf der nächsten Stufe, in welcher Höhe ("Auswahlermessen"), § 5 AO. Die Ermessensentscheidung der Finanzbehörde ist gemäß § 102 FGO gerichtlich nur eingeschränkt dahingehend überprüfbar, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist. Da die Vorschrift des § 146 Abs. 2b AO - im Unterschied zu den in § 152 Abs. 2 AO enthaltenen Regelungen zum Verspätungszuschlag - keine ausdrücklichen Ermessensleitlinien oder -grenzen vorsieht, hat die Behörde die anzustellenden Ermessenserwägungen nach den in § 5 AO geregelten allgemeinen Grundsätzen auszurichten. Ob die Behörde ihr Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt hat, kann nur auf der Grundlage der Verhältnisse beurteilt werden, die der Behörde im Zeitpunkt der letzten Ermessensentscheidung bekannt waren oder bekannt sein mussten. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ermessensausübung der Finanzbehörden kommt es mithin auf die Sach- und Rechtslage in dem Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung an. Die Rechtmäßigkeit der Entscheidung kann nicht von der späteren Entwicklung der tatsächlichen Verhältnisse oder auch der Erkenntnisse der ermessensausübenden Behörde abhängen.

 

Normenkette

AO § 146 Abs. 2b

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Aufhebung einer Verzögerungsgeldfestsetzung nach § 146 Abs. 2b Abgabenordnung (AO), da das Finanzamt sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt habe.

Die Klägerin ist in den Bereichen Installation von Heizung, Lüftung sowie Klimatechnik und Behälterbau tätig. Sie beschäftigt drei Arbeitnehmer.

Mit Verwaltungsakt vom 03. April 2008 wurde eine Lohnsteuer-Außenprüfung für den Zeitraum 01. Dezember 2003 bis zum 31. Dezember 2007 angeordnet, die am 30. April 2008 begonnen hatte. Diese Prüfungsanordnung wurde nicht angefochten. Aufgrund einer Betriebsprüfung durch das Finanzamt A, die für die anderen Steuerarten zuständig war, wurde die Lohnsteuer-Außenprüfung zeitweise unterbrochen und die Prüfungsanordnung vom 03. April 2008 mit Schreiben vom 09. Dezember 2010 insoweit ergänzt, dass der Prüfungszeitraum auf den Zeitraum 01. Dezember 2005 bis 30. November 2010 neu festgelegt wurde. Auch gegen diese Prüfungsanordnung erfolgte keine Anfechtung.

Das Finanzamt ... (FA) forderte die Klägerin mit Schreiben vom 22. Dezember 2010 auf, bis zum 18. Januar 2011, folgende Unterlagen zur Prüfungsfortsetzung einzureichen:

1. sämtliche Brutto/Nettoabrechnungen, Lohnkonten und Lohnjournale für den Zeitraum 01.01.2008 - 30.11.2010

2. Kassenbücher und Kassenbelege der Jahre 2008 - 11/2010,

3. ggf. Nachweis über Prüfungsberichte der Deutschen Rentenversicherung,

4. Anstellungsvertrag sowie sämtliche Änderungsbeschlüsse für den Gesellschafter/Geschäftsführer für den mit Schreiben vom 09.12.2010 festgelegten Prüfungszeitraum,

5. Daten-CD für die Finanzbuchhaltung für den Zeitraum 12/2005-11/2010 nach GdPdU-Format,

6. Angaben zum Fahrzeug mit dem Kennzeichen ... (Kopie des Fahrzeugscheins, Nutzer, Privatnutzung, Berechnungsgrundlage, ggf. Fahrtenbuch).

Die Abgabefrist wurde aufgrund einer Nachfrage der Klägerin bis zum 02. Februar 2011 verlängert. Da die Klägerin die angeforderten Unterlagen bis zu diesem Zeitpunkt nicht übersandt hatte, wies das FA sie mit Schreiben vom 07. Februar 2011 auf die Möglichkeit der Festsetzung eines Verzögerungsgeldes nach § 146 Abs. 2b AO hin und forderte sie nochmals auf, die erforderlichen Unterlagen nun bis zum 03. März 2011 einzureichen. Die Klägerin übersandte daraufhin mit Schreiben vom 02. März 2011 einen Teil der angeforderten Unterlagen, jedoch fehlten weiterhin die Unterlagen zu 2. und 5. Die Klägerin führte aus, dass die Unterlagen vom Steuerberater dem Finanzamt in den nächsten Tagen zugehe. Das FA forderte die fehlenden Unterlagen mit Schreiben vom 23. März 2011 nochmals an, setzte eine Frist bis zum 11. April 2011 und wies nochmals auf die Möglichkeit der Festsetzung eines Verzögerungsgeldes hin.

Mit Verwaltungsakt vom 13. Mai 2011 setzte das FA wegen Nichtbefolgung der "Aufforderungen vom 07. Februar 2011 und 23. März 2011" ein Verzögerungsgeld nach § 146 Abs. 2b AO in Höhe von 2.500,-- € fest, auf den Bescheid wird Bezug genommen.

Hiergegen wurde am 23. Mai 2011 Einspruch eingelegt und die Bank- und Kassenunterlagen für die Jahre 2008-2010 sowie die entsprechenden DATEV-Konten vorgelegt. Die Festsetzung des Verzögerungsgeldes werde für ermessensfehlerhaft gehalten. Die Finanzbuchhaltung sei benötigt worden, damit die Steuererklärungen 2009 erstellt werden konnten. Das zuständige Finanzamt A habe zeitgleich mit der Aufforderung des FA eine...

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