Leitsatz

1. Weder die Kenntnis der Steuerfahndungsbehörden von der Anzahl und der Kursentwicklung der am deutschen Aktienmarkt in einem bestimmten Zeitraum eingeführten Neuemissionen noch die Kenntnis über das Erklärungsverhalten aller Steuerpflichtigen bezüglich der Einkünfte aus Spekulationsgeschäften lassen Rückschlüsse auf tatsächlich erzielte Spekulationsgewinne von Kunden eines bestimmten Kreditinstituts zu. Ein hinreichender Anlass für Ermittlungen der Steuerfahndung zur Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle bei irgendeinem Kreditinstitut liegt daher nicht vor. Ein solcher ist aber dann zu bejahen, wenn die Steuerfahndung darüber hinaus Kenntnis davon erhalten hat (hier durch sparkasseninterne Informationen), dass gerade Kunden dieses Kreditinstituts in erheblicher Zahl in einem bestimmten Marktsegment innerhalb der Spekulationsfrist Aktiengeschäfte getätigt und Spekulationsgewinne realisiert haben.

2. Ist ein hinreichender Anlass für Ermittlungsmaßnahmen der Steuerfahndung gegeben, scheidet die Annahme einer Rasterfahndung oder einer Ermittlung ins Blaue selbst dann aus, wenn gegen eine große Zahl von Personen ermittelt wird. Aus Gründen der Steuergleichheit und Steuergerechtigkeit darf die Steuerfahndung ihre Ermittlungsmaßnahmen insoweit auch an dem vom Gesetz vorgegebenen "Erheblichkeitswert" orientieren.

3. Der Schutz des Bankkunden vor unberechtigten (Sammel)Auskunftsersuchen ist nur an der Regelung des § 30a Abs. 2 i.V.m. § 30a Abs. 5 AO zu messen. Liegen die Voraussetzungen der §§ 93, 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO vor, dürfen die Finanzbehörden Auskünfte – auch Sammelauskünfte – bei den Kreditinstituten einholen. Eine Erweiterung des Bankkundenschutzes durch eine entsprechende Anwendung des § 30a Abs. 3 AO ist nicht geboten.

 

Normenkette

§ 30a AO , § 93 AO , § 208 Abs. 1 Satz 1 AO , § 903 BGB , § 1004 BGB , § 23 EStG , § 114 Abs. 1 Satz 1 FGO

 

Sachverhalt

Eine Sparkasse begehrte, der Steufa zu untersagen, wegen auf Grund eines Sammelauskunftsersuchens gewonnener Erkenntnisse über die Spekulationsgewinne von deren Kunden Kontrollmitteilungen an die Wohnsitzfinanzämter zu versenden.

Die Steufa hatte Einsicht u.a. in sämtliche Wertpapierabrechnungen und Orderaufträge über Veräußerungsgeschäfte für in- und ausländische Aktien und Fondsanteile von den namhaft zu machenden Kunden für die Zeit vom 1.5.1998 bis zum 31.12.1999 begehrt und erhalten, soweit die so genannten "Neuen Märkte" betroffen waren, ferner in sämtliche Wertpapierabrechnungen und Orderaufträge über Kaufgeschäfte, die sich darauf beziehen, und in die diesbezüglichen Buchungen.

Die Sparkasse hielt das Vorgehen der Steufa für eine unzulässige Rasterfahndung. Insbesondere seien es die sehr hohe Zahl der betroffenen Kunden, das Prinzip der vollständigen Erfassung sowie die nicht ausreichende Differenzierung, welche die Ermittlungen unzulässig machten.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wurde vom FG abgelehnt. Diese Entscheidung hat der BFH bestätigt.

 

Entscheidung

Die Steufa habe sich im Rahmen des ihr durch § 208 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 AO zugewiesenen Aufgabenbereichs gehalten. Sie sei erklärtermaßen im Besteuerungsverfahren zur Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle tätig geworden.

Ihr Aufgabenkreis umfasse insofern Nachforschungen sowohl nach unbekannten Steuerpflichtigen als auch nach bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten. Kontrollmitteilungen über den erzielten Veräußerungspreis von Wertpapieren der Bankkunden einerseits und deren Anschaffungskosten andererseits innerhalb des zeitlichen Rahmens des § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG ermöglichten die Kontrolle, ob der betreffende Bankkunde Spekulationsgewinne einer Besteuerung unterworfen habe.

 

Hinweis

1. Die schwierige, aber für die Befugnisse der Steufa wesentliche Abgrenzung zwischen der Tätigkeit der Steufa zum Zweck strafrechtlicher Ermittlungen und derjenigen zum Zweck steuerrechtlicher Sachverhaltsaufklärung (unbekannte Steuerfälle) nimmt der BFH danach vor, wie die Steufa die Ziele ihres eigenen Tuns selbst definiert. Allerdings hat der BFH insoweit in dem Beschluss vom 25.7.2000, VII B 28/99 (BStBl II 2000, 643) gleichsam eine Schlüssigkeitsprüfung des Vorbringens der Steufa angestellt, auf Grund dieser deren Verhalten selbst (abweichend) interpretiert und dadurch den vorgenannten Ansatz relativiert.

2. Die Rechtsprechung – auch die Besprechungsentscheidung – geht gern von dem rechtlichen Obersatz aus, Ermittlungen "ins Blaue hinein", Rasterfahndungen, Ausforschungsdurchsuchungen oder ähnliche Ermittlungsmaßnahmen seien unzulässig (vgl. BFH-Entscheidungen vom 29.10.1986, VII R 82/85, BStBl II 1988, 359; vom 24.3.1987, VII R 30/86, BStBl II 1987, 484; vom 17.3.1992, VII R 122/91, BFH/NV 1992, 791).

Was eine Rasterfahndung ist, wird indes im Allgemeinen nicht oder nur beiläufig und mitunter zweifelhaft definiert. Die Besprechungsentscheidung spricht davon, nur eine "Totalerfassung aller positiven Spekulationsgewinne" sei Rasterfahndung. Der Beschluss in ...

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