Leitsatz (amtlich)

Der Steuerfahndungsbehörde ist es nicht grundsätzlich verwehrt, an ein Kreditinstitut ein Sammelersuchen um Auskunft über seine Provisionszahlungen an alle in einer bestimmten Zeit für das Kreditinstitut tätig gewordenen Kreditvermittler zu richten.

 

Orientierungssatz

1. Die Steuerfahndungsbehörde bedarf für das Tätigwerden nach § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO 1977 eines hinreichenden Anlasses. Dieser liegt vor, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte oder aufgrund allgemeiner Erfahrung eine Anordnung bestimmter Art angezeigt ist. Für die Einholung einer Auskunft nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 bestehen dabei keine höheren Anforderungen. Es genügt, daß die Möglichkeit einer objektiven Steuerverkürzung besteht (so auch BFH-Urteil vom 29.10.1986 VII R 82/85).

2. Die Finanzbehörde (hier: Steuerfahndung) ist aufgrund des § 93 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 befugt, einen Dritten um Auskunft zu ersuchen, wenn sie im Rahmen ihrer Prognoseentscheidung im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung nach pflichtgemäßem Ermessen zu dem Ergebnis gelangt, daß die Auskunft zu steuererheblichen Tatsachen zu führen vermag. Ein Auskunftsverlangen ist aber im Regelfall als nicht notwendig bzw. als unverhältnismäßig und unzumutbar zu werten, wenn die Finanzbehörde von einem Dritten Auskünfte fordert, die sie auf andere Weise einfacher und ohne größere Belastung Dritter erlangen kann (so auch BFH-Urteil vom 29.10.1986 VII R 82/85).

3. NV: § 122 Abs. 1 FGO ist nur auf solche Fälle anzuwenden, in denen die örtliche Zuständigkeit des FA gewechselt hat oder die sachliche Zuständigkeit zum Teil auf ein anderes FA übergegangen ist. Dagegen wechselt die Passivlegitimation, wenn die sachliche Zuständigkeit im Laufe des Revisionsverfahrens ganz auf eine andere Behörde übergegangen ist (vgl. BFH-Urteil vom 19.11.1974 VIII R 192/72).

4. NV: Wird ein Auskunftsersuchen der Oberfinanzdirektion während des Revisionsverfahrens gegen dieses Ersuchen (Bescheid) durch eine wortgleiche Verfügung eines nunmehr sachlich zuständigen FA ersetzt, steht einem Antrag nach § 68 FGO nicht entgegen, daß gegen den Ersetzungsbescheid bereits Beschwerde eingelegt worden ist (vgl. Literatur).

5. NV: Ist ein neuer oder geänderter Verwaltungsakt nach § 68 FGO Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden, bedarf es einer Zurückverweisung an das FG nicht, wenn die Sache spruchreif ist. Davon ist auszugehen, wenn der BFH in der Lage ist, nach Maßgabe der vom FG festgestellten Tatsachen in der Sache selbst zu entscheiden, d.h. wenn die tatsächlichen Grundlagen des Streitstoffes durch den neuen Bescheid nicht berührt worden sind (vgl. BFH-Rechtsprechung).

 

Normenkette

AO 1977 § 93 Abs. 1 S. 1, § 208 Abs. 1 Nr. 3, § 5; FGO § 122 Abs. 1, §§ 68, 123 S. 2, § 127

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), ein Kreditinstitut, tätigt u.a. Kreditgeschäfte, die durch gewerbliche Kreditvermittler zustande kommen. Die Kreditvermittler erhalten für ihre Tätigkeit Vermittlungsprovision. Die "Steuerfahndungsstelle bei der Oberfinanzdirektion X" (im folgenden: Oberfinanzdirektion --OFD--) forderte mit Verfügung vom 8.September 1981 unter Berufung auf § 208 Abs.1 Nr.3, § 93 der Abgabenordnung (AO 1977) die Klägerin auf, anzugeben "Namen und Anschrift aller Provisionsempfänger mit Wohnsitz in Z" sowie "Höhe der Zahlungen/Gutschriften im Kalenderjahr 1979 (Vermittlungsprovision, Gebühren, Packing, Courtage usw.)". In der Verfügung heißt es weiter, die Provisionen seien nach Provisionsarten getrennt anzugeben und es könnten Vermittler entfallen, die jährlich unter 1 000 DM erhalten hätten. Zur Begründung wies die Behörde darauf hin, es sei "bekanntgeworden, daß Steuerpflichtige für Vermittlungsleistungen von Kreditinstituten Provisionen erhalten und diese dem Finanzamt gegenüber nicht erklärt haben". Die Klägerin lehnte die Erteilung der Auskunft mit dem Hinweis ab, in dieser allgemeinen Form sei das Auskunftsersuchen nicht zulässig. ++/ Daraufhin wiederholte die OFD ihr Auskunftsersuchen mit Verfügung vom 6. Oktober 1981. /++

Das Finanzgericht (FG) hob das Auskunftsersuchen auf und ließ die Revision zu. ++/ Zur Begründung führte es aus:

Zu Unrecht stütze sich die Finanzbehörde auf § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO 1977. Der Begriff "unbekannte Steuerfälle" in dieser Vorschrift umfasse auch die Nachforschungsbefugnis nach unbekannten Steuerpflichtigen. Die Vermutung, ein unbekannter Steuerpflichtiger könne eine Straftat oder eine Steuerordnungswidrigkeit begangen haben, müsse aber konkret sein und dürfe nicht nur auf einer angenommenen abstrakten Gefahr beruhen. Deshalb seien Ermittlungen "ins Blaue hinein" unzulässig. So aber liege der Streitfall. Denn die Behörde wolle sich für eine unbestimmte Anzahl von Steuerpflichtigen erst das Material beschaffen, um dann ggf. weiter zu ermitteln. Das sei unzulässiges Übermaß. Die Fahndungsbehörde dürfe außenstehende Dritte nur im Fall des Verdachts einer Steuerverfehlung heranziehen. Die gegenteilige Auffassung hätte zur Folge, daß eine Bank nicht nur Auskünfte über Einnahmen der Kreditvermittler, sondern auch über die anderen Berufsgruppen zu erteilen hätte. Bis zur Offenbarungspflicht von Zinseinnahmen sämtlicher privater Sparer wäre es dann nur noch ein kleiner Schritt. Dadurch würde nahezu jeder Bankkunde zu einem potentiellen Straftäter.

Es spiele keine Rolle, ob die Behörde sich darauf beschränke, nur Angaben über die mit der Klägerin zusammenarbeitenden Kreditvermittler zu erhalten, oder ob sie, um die gewünschte "vollständige Erfassung der Provisionsempfänger" zu gewährleisten, wie sie vortrage, sämtliche Kreditinstitute in Z um entsprechende Auskünfte ersuche. In jedem Fall wäre eine solche Maßnahme als stichprobenartige Kontrolle im Rahmen einer generellen Steuerüberwachung unzulässig. Der Behörde stünden Möglichkeiten zur Verfügung, die Namen derjenigen Kreditvermittler, die sie zu überprüfen wünsche, auf anderem Weg und einfacher zu erfahren. Die Eintragungen im Telefonbuch ("gelbe Seiten", Stichwort: Finanzierungen), die Werbung im Anzeigenteil der lokalen Tageszeitungen und Wochenzeitungen oder die Anmeldung des Gewerbes nach der Gewerbeordnung seien zureichende Beispiele. Diese und andere allgemein zugängliche Informationsquellen könnten und dürften im Rahmen der Vorfeldermittlungen ausgewertet werden. Im Fall des Vorliegens von Verdachtsmomenten gegen einen bestimmten Kreditvermittler könnten Auskünfte von Dritten verlangt werden.

Mit ihrer Revision macht die Behörde folgendes geltend:

Es seien keine Ermittlungen "ins Blaue hinein" erfolgt. Die Steuerfahndungsstelle habe aufgrund von Verfahren nach § 208 Abs. 1 AO 1977 festgestellt, daß Provisionen des hier in Betracht kommenden Personenkreises nicht ordnungsgemäß versteuert würden. Die Provisionsempfänger, die für ein Konkurrenzunternehmen der Klägerin tätig seien, hätten in nicht unerheblichem Maß ihre Provisionseinnahmen nicht ordnungsgemäß verbucht. Die rechtskräftigen Mehrsteuern aus diesem Verfahren hätten pro Fall bis ... DM betragen. Bei einer ähnlichen Branche wie der, in der die Klägerin tätig sei (Bausparkassen), hätten die Ermittlungen nach § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO 1977 ergeben, daß bei 25% der Provisionsempfänger Verfahren nach § 208 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 hätten eingeleitet werden müssen. Zusätzlich gingen bei den Finanzämtern (FÄ) in Z eine größere Zahl von Selbstanzeigen ein. Es bestehe somit die konkrete Möglichkeit, daß die Provisionsempfänger der Klägerin ebenfalls zu einem nicht unerheblichen Prozentsatz ihre Einnahmen nicht der Besteuerung unterworfen hätten.

Entgegen der Auffassung des FG bestehe für die Steuerfahndungsstelle auch keine andere Möglichkeit, die Namen der Provisionsempfänger der Klägerin zu erhalten. Die Klägerin und auch Konkurrenzunternehmen arbeiteten überwiegend mit Gebrauchtwagenhändlern, Wohnwagenhändlern, Möbelhändlern und Elektrohändlern sowie mit ähnlichen Branchen zusammen, die beim Verkauf ihrer Produkte dem Käufer bei der Klägerin einen Kredit vermittelten. Bei der Vermittlung erhalte dieser Personenkreis Provisionen und Package-Zahlungen, die in vielen Fällen nicht als Einnahmen verbucht würden. Da die Provisionseinnahmen nicht über in der Buchhaltung enthaltene Bankverbindungen liefen, würden die Geschäftsverbindungen mit der Klägerin auch bei einer Betriebsprüfung nicht aufgedeckt. Außerdem könne die Klägerin ohne weiteres und ohne Mühe Auskunft geben.

Die Klägerin trägt dagegen vor: Es reiche entgegen der Auffassung der OFD nicht aus, daß nur "Anhaltspunkte" vorlägen, die ihrerseits auf einer gewissen, wenn auch zweifelhaften Wahrscheinlichkeit beruhten. Eine derart weitreichende Auslegung des Tatbestandsmerkmals "Verdacht" sei nicht gerechtfertigt. Wenn einzelne Steuerpflichtige aus einer einzelnen Branche ihrer Steuerpflicht nicht nachkämen, rechtfertige das nicht die Behauptung der OFD, daß eine bestehende Berufsgruppe die Steuerpflicht nicht erfülle. Dies gelte sowohl hinsichtlich der Berufsgruppe Kreditvermittler als auch für Kreditvermittlungen aus Warenfinanzierungen aus den von der OFD genannten Branchen. Es sei von dem Grundsatz auszugehen, daß alle gewerblich Tätigen im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit ordnungsgemäß die Steuerpflicht erfüllten. Außerdem habe die OFD die einfache Möglichkeit, anhand der ihr bekannten oder leicht feststellbaren Firmen deren Steuererklärungen zu überprüfen. Sie, die Klägerin, zu befragen, sei unzumutbares Übermaß.

Zu dem den Beteiligten von der Geschäftsstelle des erkennenden Senats übersandten Urteil des Senats vom 29. Oktober 1986 VII R 82/85 (BFHE 148, 108) nimmt die Klägerin wie folgt Stellung: Das Urteil bestätige mit seinen Ausführungen, daß eine Ermittlung "ins Blaue hinein" unberechtigt sei, ihre Auffassung. Der Senat habe die Voraussetzungen für ein Auskunftsersuchen bei einem konkret vorliegenden bekannten Fall als gegeben erachtet. Ein vergleichbarer Fall liege hier nicht vor. Der konkrete Anlaß des Verdachts einer Steuerhinterziehung werde hier nicht einmal behauptet. Ein allgemeiner Erfahrungssatz derart, daß eine bestimmte Berufsgruppe Steuern hinterziehe, bestehe nicht. Es fehlten hier irgendwelche Anhaltspunkte für steuererhebliche Umstände. Es handle sich vielmehr um eine Ermittlung "ins Blaue hinein". Es sei unverhältnismäßig, eine unbeteiligte Person mit einem Auskunftsersuchen zu belegen, um dann überhaupt erst tätig zu werden. Es sei der Behörde zuzumuten, erst einmal Steueraufsichtsverfahren gegenüber in Betracht kommenden Steuerpflichtigen in die Wege zu leiten. Bei ihr, der Klägerin, würden auch keinesfalls Aufwandskonten und ähnliches geführt. Vielmehr würden Provisionsfälle ausschließlich in den Kundenverträgen erfaßt, bei denen Vermittlungstätigkeiten in Betracht kämen. Die Vermittlungsprovisionen trügen die Kunden. Das Auskunftsersuchen verstoße daher gegen das Gebot der Verhältnismäßigkeit der Mittel.

Durch die Steuerfahndungszuständigkeitsverordnung vom ... wurden die Aufgaben der Steuerfahndung für die Bezirke der FÄ ... mit Wirkung vom 1. Januar 1987 auf das FA Z übertragen. Mit Verfügung vom 5. Januar 1987 hob die OFD ihre Verfügungen vom 8. September und 6. Oktober 1981 auf und teilte der Klägerin mit, daß das nunmehr zuständige FA Z umgehend ein entsprechendes Auskunftsersuchen an sie richten werde. Das "FA Z --Steuerfahndungsstelle für den Bereich der FÄ ..." (Beklagter und Revisionskläger; im folgenden Finanzamt --FA--) richtete unter dem 9. Januar 1987 an die Klägerin ein Auskunftsersuchen, das wörtlich den gleichen Inhalt wie das Auskunftsersuchen der OFD vom 8. September 1981 hat. Gegen dieses Auskunftsersuchen hat die Klägerin mit Schreiben vom 14. Januar 1987 Beschwerde eingelegt. Mit Schreiben vom 26. Februar 1987 beantragte die Klägerin, in Anwendung des § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) den Bescheid des FA vom 9. Januar 1987 zum Gegenstand des Verfahrens zu machen.

Das FA hat keinen ausdrücklichen Antrag gestellt; die OFD hatte ursprünglich beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt nunmehr, das Auskunftsersuchen in Form des Bescheides vom 9. Januar 1987 aufzuheben. /++

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

++/ I. 1. Das FA ist Beteiligter im anhängigen Revisionsverfahren geworden. Zwar schreibt § 122 Abs. 1 FGO vor, daß Beteiligter am Verfahren über die Revision ist, wer am Verfahren über die Klage beteiligt war. Danach wäre die OFD Beteiligte, da sie im Verfahren über die Klage Beklagter war. Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) wendet jedoch einschränkend die Bestimmung des § 122 Abs. 1 FGO nur auf solche Fälle an, in denen die örtliche Zuständigkeit gewechselt hat oder die sachliche Zuständigkeit zum Teil auf ein anderes FA übergegangen ist. Dagegen wechselt die Passivlegitimation, wenn die sachliche Zuständigkeit im Laufe des Revisionsverfahrens wie hier ganz auf eine andere Behörde übergegangen ist (vgl. BFH-Urteil vom 19. November 1974 VIII R 192/72, BFHE 114, 390, BStBl II 1975, 210, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). Der Berichterstatter hat die Beteiligten auf diese Rechtslage hingewiesen. Sie haben keine Einwendungen erhoben.

Im Verfahren hat bisher lediglich die OFD Stellungnahmen abgegeben und Anträge gestellt. Nach den Umständen ist davon auszugehen, daß das FA sich diese zu eigen macht.

2. Der Bescheid des FA vom 9. Januar 1987 ist nach den Umständen seines Erlasses an die Stelle der Bescheide der OFD vom 8. September und 6. Oktober 1981 getreten. Er hat diese also i.S. des § 68 FGO "ersetzt". Die Klägerin war somit nach dieser Vorschrift befugt zu beantragen, diesen Bescheid zum Gegenstand des Verfahrens zu machen. Dieser Antrag kann auch noch während des Revisionsverfahrens gestellt werden (vgl. § 123 Satz 2 FGO). Dem steht nicht entgegen, daß die Klägerin gegen den Bescheid vom 9. Januar 1987 bereits Beschwerde eingelegt hat (vgl. Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 68 Anm. 5, mit Hinweisen auf Rechtsprechung und Literatur).

a) Durch den Antrag der Klägerin nach § 68 FGO ist kraft Gesetzes das Auskunftsersuchen des FA vom 9. Januar 1987 Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden. Über dieses Ersuchen hat das FG nicht entschieden. Nach § 127 FGO kann der BFH, wenn während des Revisionsverfahrens ein neuer oder geänderter Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens geworden ist, das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverweisen. Einer solchen Zurückverweisung bedarf es jedoch nicht, wenn die Sache spruchreif ist (vgl. BFH-Urteil vom 15. Februar 1984 II R 219/81, BFHE 140, 489, BStBl II 1984, 458, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des BFH). Davon ist auszugehen, wenn der BFH in der Lage ist, nach Maßgabe der vom FG festgestellten Tatsachen in der Sache selbst zu entscheiden, d.h. wenn die tatsächlichen Grundlagen des Streitstoffes durch den neuen Bescheid nicht berührt worden sind (BFH-Urteil vom 26. Oktober 1972 I R 229/70, BFHE 107, 265, BStBl II 1973, 121). Die Sache ist jedoch im Streitfall nicht spruchreif.

b) Der Bescheid, der nunmehr Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, ist vom FA erlassen worden. Es bedarf daher nicht mehr der Entscheidung der Frage, ob die OFD mit der Wahrnehmung der Befugnisse der Steuerfahndung betraut werden durfte und damit für den Erlaß der Bescheide vom 8. September und 6. Oktober 1981 sachlich zuständig war. /++

II. 1. Das FA hat das Auskunftsersuchen damit begründet, es sei bekanntgeworden, daß Steuerpflichtige für Vermittlungsleistungen von Kreditinstituten Provisionen erhielten und diese dem FA gegenüber nicht erklärt hätten. Das FG hat nicht ermittelt, ob diese Behauptung des FA zutrifft. Hätte es festgestellt, daß nach den Erfahrungen der Finanzbehörden eine verhältnismäßig große Anzahl von Kreditvermittlern Steuern in bezug auf ihre Provisionseinkünfte verkürzen, so hätte es grundsätzlich zum Ergebnis kommen müssen, daß für die Finanzbehörde ein hinreichender Anlaß bestand, nach § 208 Abs.1 Nr.3 AO 1977 tätig zu werden und nach § 93 Abs.1 Satz 1 AO 1977 entsprechende Auskünfte von der Klägerin auch in der gewählten Form eines Sammelauskunftsersuchens zu verlangen.

a) Die Steuerfahndungsbehörde darf nach § 208 Abs.1 Nr.3 AO 1977 zur "Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle" tätig werden. Sie bedarf dazu eines hinreichenden Anlasses. Dieser liegt vor, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte oder aufgrund allgemeiner Erfahrung eine Anordnung bestimmter Art angezeigt ist. Im Rahmen dieser sachlichen Zuständigkeit darf sich die Steuerfahndungsbehörde nach § 208 Abs.1 Satz 2 AO 1977 u.a. der Befugnis des § 93 Abs.1 Satz 1 AO 1977 bedienen, andere Personen als die Beteiligten um Auskünfte zu ersuchen, die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlich sind. Für die Einholung einer solchen Auskunft durch die Steuerfahndungsbehörde bestehen keine höheren Anforderungen als für das Tätigwerden nach § 208 Abs.1 Nr.3 AO 1977. Es genügt, daß die Möglichkeit einer objektiven Steuerverkürzung besteht (vgl. im einzelnen Urteil des Senats in BFHE 148, 108). Die Anwendung der Grundsätze dieser Entscheidung ergibt, daß das FG zu Unrecht ohne weitere Ermittlungen die Rechtmäßigkeit des vorliegenden Auskunftsersuchens mit der Begründung verneint hat, die Fahndungsbehörde dürfe außenstehende Dritte nicht zur Beschaffung von Besteuerungsgrundlagen für eine Vielzahl unbekannter Steuerpflichtiger heranziehen.

b) Der Fall gleicht dem vom erkennenden Senat im Urteil in BFHE 148, 108 entschiedenen insoweit, als sich auch hier der Anlaß für das Tätigwerden der Steuerfahndung auf Erfahrungen in einem bestimmten Umfeld gründet, ohne daß diese konkret genug wären, für den einzelnen betroffenen Steuerpflichtigen einen Verdacht der Steuerverkürzung zu rechtfertigen. Der Senat hat entschieden, daß solche Umstände --vorausgesetzt, daß die Finanzbehörden solche Erfahrungen tatsächlich gemacht haben-- grundsätzlich einen hinreichenden Anlaß für ein Tätigwerden der Steuerfahndung bieten. Es besteht in solchen Fällen die Möglichkeit, daß die Auskunft zur Aufdeckung von Fällen der Steuerverkürzung führt.

c) Der vorliegende Fall unterscheidet sich aber von dem entschiedenen dadurch, daß sich das Auskunftsersuchen nicht auf einen konkreten Einzelfall bezieht, sondern auf eine nach allgemeinen Kriterien umschriebene, möglicherweise zahlenmäßig umfangreiche Gruppe von Steuerpflichtigen (alle für die Klägerin tätig gewordenen Kreditvermittler, die im Jahre 1979 Provisionen von 1 000 DM oder mehr bezogen haben). Es unterliegt keinem Zweifel, daß solche Sammelauskunftsersuchen besonders sorgfältig daraufhin zu überprüfen sind, ob sie mit dem Recht im Einklang stehen.

Nach § 93 Abs.1 Satz 1 AO 1977 haben auch dritte Personen der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Dem Wortlaut dieser Vorschrift ist nicht zu entnehmen, diese Auskunftspflicht bestehe nur, wenn sich das Ersuchen auf einen Einzelfall bezieht. Die Vorschrift ist vielmehr dahin auszulegen, daß die Finanzbehörde befugt ist, einen Dritten um Auskunft zu ersuchen, wenn sie im Rahmen ihrer Prognoseentscheidung im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung nach pflichtgemäßem Ermessen zum Ergebnis gelangt, daß die Auskunft zu steuererheblichen Tatsachen zu führen vermag (BFHE 148, 108, Nr.3 a der Gründe). Diese Voraussetzungen können auch bei einem Sammelauskunftsersuchen erfüllt sein.

Die grundsätzliche Zulässigkeit eines Sammelauskunftsersuchens ergibt sich auch aus der Wertung des Gesetzgebers, wie sie aus den §§ 85 ff. AO 1977 zu entnehmen ist. Danach können die Finanzbehörden zur Wahrnehmung ihrer Aufgabe, die gleichmäßige Erhebung der Steuer in der Realität sicherzustellen (§ 85 AO 1977), sich nach ihrem Ermessen aller gesetzlich vorgesehenen Beweismittel bedienen (BFHE 148, 108, Nr.3 b der Gründe). Zu diesen Beweismitteln gehört auch das Auskunftsersuchen nach § 93 AO 1977. Nach dieser Vorschrift trifft im Interesse einer zutreffenden Besteuerung, die nicht den Steuerunehrlichen zu Lasten der Steuerehrlichen begünstigt, auch jeden Dritten eine im wesentlichen uneingeschränkte Auskunftspflicht. Der Gesetzgeber hat damit deutlich gemacht, daß er das Interesse der Allgemeinheit an einer möglichst lückenlosen Verhinderung von Steuerverkürzungen im Grundsatz höher wertet als das Interesse des unbeteiligten Dritten, unbehelligt von staatlichen Eingriffen zu bleiben (vgl. BFHE 148, 108, Nr.2 b aa der Gründe; vgl. auch Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12.Aufl., § 93a AO 1977 Anm.2). Es kann deshalb davon ausgegangen werden, daß der Gesetzgeber Sammelauskunftsersuchen der vorliegenden Art nicht von vornherein ausgeschlossen wissen wollte.

Der Senat folgt nicht der Auffassung des FG, ein solches Sammelauskunftsersuchen sei eine unzulässige Ermittlung "ins Blaue hinein". Nach dem Urteil des Senats in BFHE 148, 108, träfe das nur zu, wenn es an einem hinreichenden Anlaß für das Tätigwerden der Steuerfahndung und an der Möglichkeit einer objektiven Steuerverkürzung fehlte. Das ist aber nicht der Fall, wenn der Ausgangspunkt des FA zutreffen sollte, daß nach allgemeinen Erfahrungen verhältnismäßig viele Kreditvermittler Steuern in bezug auf ihre Provisionseinkünfte verkürzen.

d) Nicht gegen die Zulässigkeit des Auskunftsersuchens spricht, daß der Ersuchte ein Kreditinstitut ist. Dieser Umstand wäre möglicherweise dann von Bedeutung, wenn das Auskunftsersuchen das Verhältnis zwischen dem Kreditinstitut und seinen Kunden berühren würde. Das ist hier aber nicht der Fall. Das Auskunftsersuchen betrifft allein das Verhältnis der Klägerin zu den für sie tätig gewordenen Kreditvermittlern. Es ist daher nicht anders zu werten als Ersuchen des FA an einen Unternehmer, steuerlich möglicherweise erhebliche Tatsachen mitzuteilen, die seine Mitarbeiter betreffen. Die vom FG für seine andere Auffassung in Betracht gezogenen Fälle (Offenbarungspflicht der Kreditinstitute hinsichtlich Zinseinnahmen privater Sparer oder Einnahmen anderer Berufsgruppen) stehen hier also nicht zur Entscheidung.

2. Zu Unrecht verweist das FG das FA auf die Möglichkeit, die Namen der Kreditvermittler auf anderem Weg in Erfahrung zu bringen. Nach § 208 Abs.1 Satz 3 AO 1977 ist die Steuerfahndung von der Einschränkung des § 93 Abs.1 Satz 3 AO 1977, zuerst die Beteiligten zu befragen, freigestellt. Daraus ergibt sich, daß nach dem Willen des Gesetzgebers die Steuerfahndung auch bei anderen Ermittlungsmöglichkeiten grundsätzlich nicht gehindert ist, zuerst über ein Auskunftsersuchen an einen Dritten zu versuchen, die erforderlichen Angaben zu erhalten. Allerdings kann die Steuerfahndung, wie der Senat im Urteil in BFHE 148, 108 (Nr.4 der Gründe) ausgeführt hat, eine Auskunft nur verlangen, wenn sie zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und seine Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist. Ein Auskunftsverlangen der Steuerfahndung wäre im Regelfall als nicht notwendig bzw. als unverhältnismäßig und unzumutbar zu werten, wenn die Steuerfahndung von einem Dritten Auskünfte fordern würde, die sie auf andere Weise einfacher und ohne größere Belastung Dritter erlangen könnte. So liegt der Fall hier aber nicht. Zwar könnte die Steuerfahndung auf dem vom FG aufgezeigten Weg (Gelbe Seiten des Telefonbuchs, Anzeigenteil der Tageszeitungen, Gewerbeanmeldungen) zu Erkenntnissen gelangen. Diese wären aber notwendig lückenhaft, weil zumindest die nur gelegentlichen Kreditvermittler auf diese Weise nicht erfaßt werden könnten. Überdies bedeutete diese Vorgehensweise auch für die Steuerfahndung eine erhebliche zusätzliche Belastung, auf die sie dann nicht verwiesen werden darf, wenn die Belastung der Klägerin durch die Erteilung der Auskunft nicht unverhältnismäßig und daher nicht unzumutbar ist (vgl. auch BFHE 148, 108, Nr.4 c der Gründe mit Hinweisen auf die Rechtsprechung).

3. Nach allem war die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen. Das FG wird festzustellen haben, ob die Voraussetzungen zutreffen, von denen das FA bei seinem Auskunftsersuchen ausgegangen ist, nämlich ob nach den Erfahrungen der Finanzbehörden eine verhältnismäßig große Anzahl von Kreditvermittlern Steuern in bezug auf ihre Provisionseinkünfte verkürzt. Kommt das FG dabei zu einem positiven Ergebnis, so ist das Auskunftsersuchen rechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden.

Das FG wird bei seiner neuerlichen Entscheidung folgendes zu beachten haben:

a) Nach dem Vorbringen der Verwaltung in der Revisionsinstanz ist nicht auszuschließen, daß die Steuerbehörden ins Gewicht fallende negative Erfahrungen nur mit Kreditvermittlern gemacht haben, die dieses Gewerbe nebenberuflich betreiben (z.B. Kreditvermittlungen beim Verkauf von Gebrauchtwagen). Wenn das zutrifft, d.h. wenn die Verwaltung nicht darlegen kann, daß entsprechende (über das normale Maß hinausgehende) negative Erfahrungen auch in bezug auf die hauptberuflichen Kreditvermittler vorliegen, stellt sich die Frage, ob das FA das angefochtene Auskunftsersuchen entsprechend hätte einschränken müssen (Auskünfte im vorgesehenen Umfang nur über die genannten nebenberuflichen Kreditvermittler). Diese Frage wäre zu bejahen (d.h. das uneingeschränkte Auskunftsersuchen wäre rechtswidrig und aufzuheben), wenn der Klägerin auch die Erteilung der eingeschränkten Auskunft möglich und zumutbar und nicht mit einer unverhältnismäßigen Belastung verbunden wäre. Erfüllte jedoch das so eingeschränkte Ersuchen diese Voraussetzungen nicht, so könnte allerdings der Mangel der Einschränkung nicht als fehlerhaft angesehen werden. Denn sonst müßte das Auskunftsersuchen --gleich ob eingeschränkt oder nicht-- in vollem Umfang als unrechtmäßig angesehen werden. Das aber hätte zur Folge, daß der Steuerfahndung Ermittlungen gerade im (möglicherweise) besonders sensiblen Bereich der nebenberuflichen Kreditvermittler unmöglich oder zumindest wesentlich erschwert würden. Diese Folge muß aber vermieden werden, wie die in solchen Fällen erforderliche, den Wertungen des Gesetzgebers entsprechende Interessenabwägung zeigt (vgl. auch BFHE 148, 108, Nr.2 b aa der Gründe). Bei der vorrangigen Bedeutung, die der Gesetzgeber dem Interesse der Allgemeinheit an einer möglichst lückenlosen Verhinderung von Steuerverkürzungen beimißt, ist davon auszugehen, daß im geschilderten Fall das Interesse der Angehörigen jenes Teiles der Gruppe der Kreditvermittler, die für sich allein nicht Gegenstand eines Sammelauskunftsersuchens werden könnten, von derartigen Auskunftsersuchen verschont zu bleiben, weniger schwer wiegt als das genannte Interesse der Allgemeinheit der Steuerzahler daran, unbekannte Steuerfälle im Bereich der anderen Teilgruppe aufzudecken.

b) Die Finanzbehörden können, wie ausgeführt, eine Auskunft nur verlangen, wenn sie zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und seine Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist. Die Klägerin kann sich in diesem Zusammenhang nicht darauf berufen, daß die Erteilung der Auskunft ihr Verhältnis zu den für sie tätigen Kreditvermittlern belasten würde. Anders wäre es nur dann, wenn sich dadurch die Wettbewerbslage der Klägerin gegenüber anderen Kreditinstituten verschlechtern würde. Das ist aber schon deswegen nicht der Fall, weil die anderen Kreditinstitute der gleichen Auskunftspflicht unterliegen (vgl. auch Urteil des Senats vom 20.Februar 1979 VII R 16/78, BFHE 127, 104, 114, BStBl II 1979, 268). Nach dem Vorbringen der Klägerin in der Revisionsinstanz ist es aber nicht ausgeschlossen, daß Umstände gegeben sind, die die Erteilung der geforderten Auskunft für die Klägerin als nicht zumutbar oder gar als unmöglich erscheinen lassen. Die Klägerin hat auf die Schwierigkeit der Auskunftserteilung in jenen Fällen hingewiesen, in denen die Provisionsleistungen Eingang nur in die Kundenverträge gefunden haben. Das FG wird Feststellungen auch zu dieser Frage zu treffen haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 61944

BStBl II 1987, 484

BFHE 149, 404

BFHE 1987, 404

BB 1987, 1308

BB 1987, 1308-1309 (ST)

DB 1987, 1619-1620 (ST)

HFR 1987, 443-443 (ST)

StRK, R.8 (LT)

NJW 1988, 2502

NJW 1988, 2502-2504 (LT)

DStZ/E 1987, 221-221 (ST)

GmbH-Rdsch 1987, R 74 (ST)

ZfZ 1987, 242-244 (ST)

CR 1988, 562-562 (L)

WM IV 1987, 884-886 (ST)

WuB, I B Nr 3 Bankgeheimnis 4.87 (ST)

JuS 1988, 996-997 (KT)

RDV 1987, 248-249 (ST)

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