Leitsatz

1. Säumniszuschläge sind i.d.R. zur Hälfte zu erlassen, wenn ihre Funktion als Druckmittel ihren Sinn verliert (ständige Rechtsprechung).

2. Die gesetzgeberische Entscheidung in § 240 Abs. 1 Satz 4 AO, dass Säumniszuschläge nicht akzessorisch zur Hauptschuld sind, ist auch dann zu beachten, wenn die angefochtene Steuerfestsetzung nach Konkurseröffnung ersatzlos aufgehoben wird, ohne dass der Steuerpflichtige Aussetzung der Vollziehung beantragt hatte, obwohl ihm dies möglich gewesen wäre.

3. Ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung kann auch nach Anordnung der Sequestration zur Beseitigung von Wirkungen vollziehbarer Steuerfestsetzungen geboten sein, die – wie das Anfallen von Säumniszuschlägen – nicht in Vollstreckungsmaßnahmen liegen.

 

Normenkette

§ 227, § 233a Abs. 3 Satz 3, § 234 Abs. 1 Satz 2, § 237 Abs. 1, § 240 Abs. 1 Satz 4 AO, § 14, § 63 Nr. 1, § 106 KO

 

Sachverhalt

Umstritten war, ob das FA die bis zur Eröffnung eines Konkursverfahrens verwirkten Säumniszuschläge zur USt nicht nur – wie geschehen – zur Hälfte, sondern ganz erlassen muss.

Der Konkursverwalter und das FG meinten, sie seien ganz zu erlassen, soweit sie nach Anordnung der Sequestration verwirkt worden seien; denn nach diesem Zeitpunkt hätte das FA nicht mehr vollstrecken dürfen.

Für einen Antrag auf AdV habe deshalb kein Anlass bestanden.

 

Entscheidung

Die Grundsätze sind in den Praxis-Hinweisen erläutert. Die Revision des Klägers hatte keinen Erfolg.

 

Hinweis

Die Entscheidung ist von Bedeutung für Insolvenzverwalter. Eine Herabsetzung der Steuer kann sich auf die Säumniszuschläge nur auswirken, wenn mit Erfolg Aussetzung der Vollziehung beantragt worden ist.

1. Auch bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung sind Säumniszuschläge aus sachlichen Billigkeitsgründen nur zur Hälfte zu erlassen – sie verfehlen insoweit den Zweck, den Steuerpflichtigen zur Zahlung anzuhalten. Der Zweck, Zins- und Verwaltungsaufwand abzugelten, bleibt unberührt.

2. Maßgebend ist allein die Höhe der festgesetzten (bzw. angemeldeten) Steuer, die bei Fälligkeit nicht erfüllt worden ist. Nachträgliche Erhöhungen der Bemessungsgrundlage bleiben deshalb genauso unberücksichtigt wie deren nachträgliche Ermäßigung (§ 240 Abs. 1 Satz 4 AO). Der Gesetzgeber hat mit der ausdrücklichen Regelung in § 240 Abs. 1 Satz 4 AO bewusst in Kauf genommen, dass Säumniszuschläge auch dann zu entrichten sind, wenn sich die Steuerfestsetzung später als unrechtmäßig erweist. Dem Rechtsschutzbedürfnis des Steuerpflichtigen ist – so das BVerfG – durch die Möglichkeit des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Steuerfestsetzung selbst hinreichend Genüge getan.

3. Die Änderung der Bemessungsgrundlage zugunsten des Steuerpflichtigen rechtfertigt deshalb keinen Billigkeitserlass. Der säumige Gemeinschuldner darf nicht besser gestellt werden als ein Steuerpflichtiger, dem Aussetzung der Vollziehung (§ 361 AO) oder Stundung (§ 222 AO) gewährt wurde. Bei Herabsetzung der Steuer bleiben entstandene Stundungszinsen unberührt (§ 234 Abs. 1 Satz 2 AO).

Aussetzungszinsen sind zwar akzessorisch (§ 237 Abs. 1 AO); Voraussetzung ist aber ein Aussetzungsantrag. Der ist auch bei Sequestration nicht entbehrlich, denn Säumniszuschläge sind als solche keine Vollstreckungsmaßnahmen; Säumniszuschläge sind vielmehr Zinsen i.S.d. § 63 Nr. 1 KO (BFH, Urteil vom 9.7.2003, V R 57/02, BStBl II 2003, 901), die erst ab Konkurseröffnung nicht mehr geltend gemacht werden können.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 30.03.2006, V R 2/04BFH, Urteil vom 30.06.2006, V R 2/04

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