Entscheidungsstichwort (Thema)

Reisekostenvergütung. Schulfahrt. Verzicht

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Erwartet die Schulbehörde von Lehrern die Durchführung von als pädagogisch notwendig erachteten Schul- bzw Klassenfahrten, so kann sie die Genehmigung hierzu nicht von einem Verzicht der Lehrer auf die Reisekostenvergütung gem. § 42 Abs. 1 BAT-O abhängig machen.

2. Ein vorheriger Verzicht auf die Reisekostenvergütung gem. § 42 BAT-O ist in einem tarifgebunden Arbeitsverhältnis gem. § 4 Abs. 1 und 3 TVG unwirksam.

 

Normenkette

BAT-O § 42 Abs. 1a; TVG § 4 Abs. 1, 3

 

Verfahrensgang

ArbG Dresden (Urteil vom 05.12.2000; Aktenzeichen 7 Ca 4216/00)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 09.10.2003; Aktenzeichen 6 AZR 438/02)

 

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 05.12.2000 – 7 Ca 4216/00 – wird auf Kosten des Beklagten mit der Maßgabe

zurückgewiesen,

dass Ziffer 1 des Tenors des Urteils vom 05.12.2000 lautet:

Das Versäumnisurteil vom 26.09.2000 wird aufgehoben.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 187,00 DM (jetzt: 95,61 EUR) nebst 4 % Zinsen hieraus seit 26.03.2000 zu zahlen.

2. Die Revision wird für den Beklagten zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Verpflichtung des Beklagten, der Klägerin Auslagen zu erstatten, die dieser anlässlich einer sog. Schulfahrt entstanden sind.

Die Klägerin steht im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses als Vollzeitlehrerin im staatlichen Schuldienst des Beklagten. Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich gemäß beiderseitiger Tarifbindung, daneben auch mittels arbeitsvertraglicher Inbezugnahme (siehe Änderungsvertrag vom 10.09.1991, Bl. 31 d. A.) nach dem BAT-O. Die Klägerin erhält Vergütung nach der Vergütungsgruppe IV b BAT-O.

Am 23.11.1999 beantragte die Klägerin für ihre Klasse 3 b unter Verwendung des Formulars „Antrag auf Genehmigung von Schulwanderungen und Schulfahrten” bei ihrer Schulleitung die Genehmigung einer Landheimfahrt zur Jugendfreizeitstätte „…” in … für die Zeit vom 06. bis 10.12.1999 mit ihrer Person als Leiterin sowie einer Begleitperson. Der Antrag galt gleichzeitig als Dienstreiseantrag. Der gesondert von ihr und der Begleitperson unterzeichnete Abschnitt C „Erklärung zum Verzicht auf Erstattung von Reisekostenvergütung nach Maßgabe des Sächsischen Reisekostengesetzes” (Bl. 35 d.A.) lautet:

„Ich wurde vom Schulleiter/der Schulleiterin/der personalverwaltenden Stelle darauf hingewiesen, dass die zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel für eine Abrechnung der durch die o. g. Maßnahme anfallenden Kosten nach Maßgabe des Sächsischen Reisekostengesetzes ggf. nicht ausreichend sind.

Da die Veranstaltung trotzdem durchgeführt werden soll, verzichte ich auf die Zahlung der Reisekostenvergütung, soweit die für die Maßnahme zugewiesenen Pauschalbeträge zur Deckung der anfallenden Kosten nicht ausreichend sind.”

Der Antrag wurde hierauf von der Schulleitung genehmigt.

Die Veranstaltung fand statt. Hierbei entstanden der Klägerin Kosten für vier Übernachtungen mit Vollverpflegung, zwei Tagesfahrten mit Reisebus, An- und Abfahrt sowie Eintrittsgelder in Museen in Höhe von insgesamt 187,00 DM (siehe Quittung Bl. 11 d. A.). Diese Kosten machte die Klägerin unter Verwendung eines Reisekostenabrechnungs-Formulars mit Schreiben vom 26.03.2000 (Bl. 36 d.A.) beim zuständigen Regionalschulamt Dresden geltend. Sie „widerrief” gleichzeitig ihre Verzichtserklärung vom 23.11.1999.

Das Regionalschulamt wies die Forderung auf Erstattung der Kosten mit Schreiben vom 16.05.2000 (Bl. 13 d. A.) zurück. In diesem Schreiben wird u. a. darauf verwiesen, dass Schulfahrten „ein wesentlicher Bestandteil der Erziehungs- und Bildungsarbeit der Schule” seien, dass bedacht werden möge, „wie wichtig diese Projekte für die Entwicklung der Kinder sind”.

Mit am 09.06.2000 beim Arbeitsgericht eingegangener Klage verfolgt die Klägerin ihren Anspruch weiter. Sie hat u. a. darauf verwiesen, dass gemäß § 4 Abs. 4 TVG nicht wirksam auf tarifliche Ansprüche – um einen solchen handelt es sich hier – verzichtet werden könne.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 187,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 26.03.2000 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach Ansicht des Beklagten läge ein wirksamer Verzicht vor. § 42 BAT-O verweise auf das Beamtenrecht. Dort sei ein Verzicht auf Reisekosten möglich.

Nachdem für die Klägerin im Termin am 26.09.2000 niemand erschienen war, hatte das Arbeitsgericht auf Antrag des Beklagten ein klageabweisendes Versäumnisurteil verkündet. Auf Einspruch der Klägerin verurteilte das Arbeitsgericht mit Urteil vom 05.12.2000 den Beklagten gemäß Klageantrag, legte dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auf, setzte den Streitwert auf 187,00 DM fest und ließ die Berufung zu. In den Entscheidungsgründen, auf welche im Übrigen Bezug genommen wird (Bl. 88/89 d. A.), führte das Arbeitsgericht aus, die Klägerin hätte nicht wirksam gemäß § 4 Abs. 4 TVG verzichten können, der Anspruch ergäbe sich hier nicht aus der unm...

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