rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeit eines Antrags auf mündliche Verhandlung nur bei eigenhändiger Unterschrift. keine Wiedereinsetzung bei erst kurz vor Fristablauf gestelltem, nicht eigenhändig unterzeichneten Antrag auf mündliche Verhandlung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Für den Antrag auf mündliche Verhandlung nach Erhalt eines Gerichtsbescheids gilt die für die Klageerhebung vorgesehene Schriftform des § 64 Abs. 1 FGO entsprechend, d. h., der Antrag muss eigenhändig unterschrieben sein (vgl. FG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil v. 1.12.2010, 3 K 1160/06, EFG 2011 S. 897).

2. Geht der nicht unterschriebene Antrag auf mündliche Verhandlung erst zwei Arbeitstage bzw. vier Kalendertage vor Ablauf der Monatsfrist des § 90a Abs. 2 Satz 1 FGO beim Finanzgericht ein, hätte dieses bei einem ordnungsmäßen Geschäftsgang den Kläger nicht mehr so rechtzeitig auf die fehlende Unterschrift hinweisen können, dass der Mangel innerhalb der noch zur Verfügung stehenden Zeit ohne Weiteres hätte behoben werden können. Dem Kläger ist in diesem Fall keine Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Stellung eines wirksamen Antrag auf mündliche Verhandlung zu gewähren.

 

Normenkette

FGO § 56 Abs. 1-2, § 64 Abs. 1, § 90a Abs. 2 S. 1

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 15.12.2020; Aktenzeichen VIII B 5/20)

 

Tenor

Es wird festgestellt, dass der Gerichtsbescheid vom 19. Juli 2019 als Urteil wirkt.

 

Tatbestand

Mit Gerichtsbescheid des Berichterstatters vom 19. Juli 2019 (Bl. 51 GA) wurde die Klage des A abgewiesen. Der Gerichtsbescheid wurde dem A am 3. Aug. 2019 zugestellt. Am 30. Aug. 2019 ging ein Schriftsatz des A bei Gericht ein, in dem dieser mündliche Verhandlung beantragt (Bl. 58 GA). Der Schriftsatz war nicht unterschrieben. Hierauf wurde der A in der Ladung vom 6. Sept. 2019 hingewiesen. Die Ladung wurde dem A am 10. Sept. 2019 zugestellt. Am 16. Sept. 2019 ging ein Schriftsatz des A bei Gericht ein, in dem es u.a. heißt:

„Zum Verfahren:

Nach den Einlassungen des Gerichtsbeschlusses gilt derzeit der Beschluss als nicht ergangen. Also sind alle Anträge und Einlassungen zulässig.”

Mit Beschluss vom 17. Sept. 2019 wurde der Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

A beantragt,

die Bescheide über gesonderte Feststellung für 2006 bis 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15. Juli 2015 dahin zu ändern, dass

  • Entnahmen nach der 1-%-Regelung nicht angesetzt werden,
  • der Ansatz von langfristigen Zinsen als Gewinnerhöhung rückgängig gemacht wird,
  • Verpflegungsmehraufwendungen in allen drei Jahren für jeweils drei Tage bei Abwesenheit von jeweils über acht Stunden berücksichtigt werden.

B beantragt,

Klageabweisung.

B meint, dass hier eine Klageänderung vorliege. Dieser stimmt B nicht zu.

 

Entscheidungsgründe

1. Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil, da A nicht rechtzeitig mündliche Verhandlung beantragt hat (§ 90a Abs. 3 FGO).

a) A hat nicht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheides mündliche Verhandlung beantragt (s. § 90a Abs. 2 S. 1 FGO).

Der Gerichtsbescheid wurde A ausweislich der Zustellungsurkunde am 3. Aug. 2019 zugestellt. Die Frist des § 90a Abs. 2 S. 1 FGO lief am 3. Sept. 2019, einem Dienstag, ab. Zwar ging am 30. Aug. 2019 (Freitag) und damit innerhalb der Frist ein Schreiben mit einem Antrag auf mündliche Verhandlung bei Gericht ein. Dieses war jedoch nicht unterzeichnet und stellt daher keine wirksame Prozesshandlung dar. Für den Antrag auf mündliche Verhandlung gilt die für die Klageerhebung vorgesehene Schriftform des § 64 Abs. 1 FGO entsprechend (FG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 1. Dez. 2010 – 3 K 1160/06, EFG 2011, 897 Rz. 20 f.; Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 90a FGO Rz. 8), d. h., der Antrag muss eigenhändig unterschrieben sein (FG des Landes Sachsen-Anhalt in EFG 2011, 897 Rz. 21).

b) A ist auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist des § 90a Abs. 2 Satz 1 FGO zu gewähren.

Nach § 56 Abs. 1 FGO ist demjenigen, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Wurde die versäumte Rechtshandlung innerhalb der Antragsfrist (zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses) nachgeholt, kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden (56 Abs. 2 FGO).

A hat keinen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt. Nachdem er auf das Fehlen der Unterschrift in dem am 30. Aug. 2019 eingegangenen Schreiben hingewiesen worden war, ging am 16. Sept. 2019 ein unterschriebener Schriftsatz des A bei Gericht ein. Ob in diesem Schriftsatz die Nachholung der versäumten Rechtshandlung Handlung (schriftlicher Antrag auf mündliche Verhandlung) gesehen werden kann, erscheint zweifelhaft. Die Bemerkung „zum Verfahren” („Nach den Einlassungen des Gerichtsbeschlusses gilt derzeit der Beschluss als nicht ergangen. Also sind alle Anträge und Einlassungen zulässig.”) spricht dafür, dass A nicht zur Kenntnis genommen hat, dass sein vorheriges Schre...

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