rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Ermäßigte Besteuerung einer Entschädigung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Zusammenballung von Einkünften. Einbeziehung von Lohnersatzleistungen in die Vergleichsrechnung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Voraussetzung für die ermäßigte Besteuerung einer Entschädigung wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist eine Zusammenballung von Einkünften. Eine solche liegt vor, wenn der Steuerpflichtige in dem jeweiligen Veranlagungszeitraum einschließlich der Entschädigung insgesamt mehr erhält, als er bei ungestörter Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erhalten hätte.

2. Bei der Vergleichsberechnung ist das, was der Steuerpflichtige in dem betreffenden Veranlagungszeitraum einschließlich der Entschädigung insgesamt erhält „Ist-Größe”), den Einkünften gegenüberzustellen, die er bei ungestörter Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses erhalten hätte „Soll-Größe”).

3. Bei der „Ist-Größe” sind auch Lohnersatzleistungen wie im Streitfall das nach § 3 Nr. 2 EStG steuerfreie Arbeitslosengeld zu berücksichtigen.

 

Normenkette

EStG § 34 Abs. 2 Nr. 2, § 24 Nr. 1 Buchst. a, § 3 Nr. 2

 

Tenor

1. Der Bescheid vom 27. Aug. 2008 über Einkommensteuer 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. Sept. 2009 wird dahin geändert, dass die Einkommensteuer auf 210 EUR herabgesetzt wird.

2. Dem Beklagten werden die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob eine 2007 gezahlte Entlassungsentschädigung eine Zusammenballung von Einkünften begründet, die zu einer ermäßigten Besteuerung nach § 34 EStG führt.

2006 erzielte der Kläger Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i.H.v. 16.503 EUR (Einnahmen: 19.155 EUR). 2007 erzielte der Kläger Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.H.v. 4.647 EUR. Außerdem erhielt er einen Bruttoarbeitslohn von 581 EUR für die Zeit vom 1. Febr. bis 31. Mai (Lohnsteuerbescheinigung, Bl. 25 Rb), Lohnersatzleistungen (Arbeitslosengeld) von 3.693 EUR und aufgrund eines Vergleichs vor dem Arbeitsgericht Leipzig eine Abfindung i.H.v. 10.000 EUR „für den Verlust des Arbeitsplatzes” von seinem Arbeitgeber (Bl. 10 ESt-Akte). In seiner Einkommensteuererklärung für 2007 beantragte der Kläger, 10.000 EUR von den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit (i.H.v. insgesamt 10.581 EUR) ermäßigt zu besteuern.

Das FA setzte mit Bescheid vom 27. Aug. 2008 (Bl. 6 GA) die Einkommensteuer auf 1.346 EUR fest. Es lehnte eine ermäßigte Besteuerung der Entschädigung i.H.v. 10.000 EUR mit der Begründung ab, dass die Entschädigung die entgangenen Einnahmen aus dem Vorjahr i.H.v. 19.155 EUR nicht übersteige, weswegen es an einer Zusammenballung der Einkünfte fehle. Der hiergegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 16. Sept. 2009, Bl. 19 GA).

Der Kläger meint, dass die Lohnersatzleistungen in die Vergleichsrechnung der Einkünfte einzubeziehen seien.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 27. Aug. 2008 über Einkommensteuer 2007 und die Einspruchsentscheidung vom 16. Sept. 2009 dahin zu ändern, dass die Einkommensteuer auf 210 EUR festgesetzt wird.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es meint, dass Lohnersatzleistungen nur bei einer Vergleichsrechnung der Einnahmen einzubeziehen seien. Es weist darauf hin, dass die Steuer für 2007 bei regulärer Besteuerung niedriger sei als im Vergleichzeitraum 2006.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 FGO). Die Voraussetzungen einer als außerordentliche Einkünfte begünstigt zu besteuernden Entschädigung nach § 24 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG liegen vor.

Nach § 34 Abs. 1 S. 1 EStG ist die auf außerordentliche Einkünfte entfallende Einkommensteuer nach § 34 Abs. 1 S. 2 bis 4 EStG (Fünftelregelung) zu berechnen. Als außerordentliche Einkünfte kommen nur die in § 34 Abs. 2 EStG aufgeführten Einkünfte in Betracht. Nach dem in § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG aufgeführten § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG gehören zu den Einkünften i.S.d. § 2 Abs. 1 EStG auch Entschädigungen, die gewährt worden sind als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen. Dass die Voraussetzungen des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG vorliegen, steht zwischen den Beteiligten nicht im Streit. Das allein führt aber nicht dazu, dass die 2007 vereinnahmte Entschädigung ermäßigt zu besteuern ist. Vielmehr ist der Wortlaut des § 34 Abs. 2 EStG entsprechend dem Normzweck, die Auswirkungen des progressiven Tarifs abzuschwächen, auf solche Einkünfte zu beschränken, die „zusammengeballt” zufließen (BFH-Urteil vom 27. Jan. 2010 – IX R 31/09, BFHE 229, 90 = BStBl II 2011, 28 Rz. 9, teleologische Reduktion der Norm, Rz. 12). Davo...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge