Gleichlauf von Steuer- und Vorsteuerkorrektur: Auch der Verweis auf § 17 Abs. 1 UStG spricht für einen Gleichlauf der Korrektur der Steuer und der Vorsteuer. Dieser Verweis gilt nämlich nach dem Gesetzeswortlaut gem. § 17 Abs. 1 Satz 1 und Satz 8 UStG zum einen für die Korrektur der Steuerschuld des Leistenden, zum anderen gem. § 17 Abs. 1 Satz 2 und Satz 8 UStG für die Korrektur der Vorsteuer des Leistungsempfängers. Beide haben also die Korrekturen "ex nunc" durchzuführen. Dies war auch die Vorstellung des Gesetzgebers, die in der – bei der Auslegung der Vorschrift zu berücksichtigenden – Gesetzesbegründung bei der Einfügung des § 14c UStG zum Ausdruck kam.[29] Mit diesem Verständnis des Gesetzgebers, das bei der Auslegung der Vorschrift zu beachten ist, würde sich die Frage der fehlenden Neutralität bei der Berichtigung gem. § 14c Abs. 1 UStG erst gar nicht stellen.

Verweis auf Genius Holding: In der Rechtsprechung und teilweise in der Literatur wird angeführt, einem solchen Verständnis stünde das Urteil Genius Holding des EuGH entgegen. Hierin hat der Gerichtshof festgestellt, dass Steuer, die allein aufgrund eines Ausweises in der Rechnung geschuldet werde, nicht als Vorsteuer abzugsfähig sei. Hieraus wird z.T. geschlossen, der Verweis auf § 17 Abs. 1 Satz 2 und Satz 8 UStG habe keinen Regelungsgehalt. Da die zu Unrecht in Rechnung gestellte Steuer nie abzugsfähig sei, stelle sich die Frage nach dem Zeitpunkt der Vorsteuerkorrektur erst gar nicht.[30] Diese Begründung greift im vorliegenden Zusammenhang aber nicht durch.

Feststellungen des EuGH: Zum einen ist nämlich zu beachten, dass der EuGH im Urteil Genius Holding gar nicht gesagt hat, dass die vom Lieferanten zu Unrecht in Rechnung gestellte Steuer nie als Vorsteuer abzugsfähig sei. Er hat vielmehr festgestellt, dass der ursprüngliche Vorsteuerabzug gem. Art. 184 MwStSystRL[31]zu berichtigen sei.[32] Der entsprechende Berichtigungsmechanismus ist im deutschen Gesetz (wenn überhaupt) in § 17 UStG umschrieben. Es gilt daher der Grundsatz "ex nunc". Das macht – zumindest in den Fällen in denen die Beteiligten gutgläubig sind, d.h. wenn sie sich z.B. auf Rechtsprechung, Verwaltungsanweisungen oder Auskünfte verlassen oder wenn sie mangels entsprechender Vorgaben die steuerlichen Fragen selbst sorgfältig geprüft haben – Sinn. Die Steuerpflichtigen werden nämlich als Steuereinnehmer für den Staat tätig.[33] Haben die Steuerpflichtigen von ihrem "Geschäftsherrn" also entsprechende Vorgaben bekommen, müssen sie auf diese vertrauen dürfen und dürfen nicht mit einer Versagung des Vorsteuerabzugs plus Zinsen bestraft werden, wenn sich diese als falsch erweisen. Aber auch, wenn der "Geschäftsherr" keine Vorgaben gemacht hat, erscheint es treuwidrig, wenn er die steuerliche Beurteilung den "Auftragnehmern" überlässt und diesen, wenn sich ihre redlich gewonnene Auffassung später als fehlerhaft herausstellt[34] nicht nur den Vorsteuerabzug versagt, sondern sie auch mit Zinsen belastet, ohne dass sie einen Liquiditätsvorteil gehabt haben.[35]

Berufung auf nationales Recht: Zum anderen könnte sich der Steuerpflichtige zu seinen Gunsten auf nationales Recht berufen, selbst wenn dieses nicht mit dem Unionsrecht in Einklang stünde.[36] § 14c Abs. 1 Satz 2 UStG ist mit seinem Verweis auf § 17 Abs. 1 UStG und der Gesetzesbegründung relativ eindeutig: Berichtigt der Leistende den Steuerbetrag gegenüber dem Leistungsempfänger, ist § 17 Abs. 1 UStG entsprechend anzuwenden mit der Folge, dass der Leistungsempfänger eventuell zu hoch geltend gemachte Vorsteuerbeträge in diesem Zeitpunkt an das Finanzamt zurückzahlen muss.[37] Die Korrektur der Steuerschuld und der Vorsteuer sollen also zeitlich parallel erfolgen. Das heißt also alles "ex nunc" (oder alles "ex tunc").[38] Am Wortlaut der Vorschrift mit ihrem Verweis auf § 17 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 UStG kommt man im Wege der Auslegung jedenfalls nicht vorbei.[39]

Ergebnis entspricht mehrwertsteuerlicher Neutralität: Nota bene hätte wohl auch der EuGH mit einer solchen Berufung auf die nationalen Vorschriften keine größeren Probleme, da sie letztendlich sogar zu einem den mehrwertsteuerlichen Grundsätzen entsprechenden Ergebnis führt. Dieses Ergebnis läge zumindest eher auf seiner Linie als das Verständnis des BFH, das ein den Neutralitätsgrundsatz verletzendes Ergebnis (rückwirkender Wegfall des Vorsteuerabzugs und Zinslast, aber keine rückwirkende Korrektur der Steuer und keine Erstattungszinsen) zur Folge hat.

[29] Entwurf des StÄndG 2003, BT-Drucks. 15/1562 v. 23.9.2003, 50, zur Einfügung des § 14c UStG zum 1.1.2004: "Wie bisher kann der Unternehmer den Steuerbetrag gegenüber dem Leistungsempfänger berichtigen. In diesem Fall ist § 17 Abs. 1 UStG entsprechend anzuwenden mit der Folge, dass der Leistungsempfänger eventuell zu hoch geltend gemachte Vorsteuerbeträge an das Finanzamt zurückzahlen muss." Ebenso zumindest für die Fälle, in denen eine Berichtigung des ursprünglichen Besteuerungszeitraums abgabenrechtlich nicht möglich...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge