Rz. 16

Analog zu den Ein- und Zweifamilienhäusern hat der Gesetzgeber zur Gewährleistung einer relations- und realitätsgerechten Bewertung auch die in § 256 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BewG für Wohnungseigentum normierten Zinssätze in Korrelation zu bestimmten Bodenrichtwertniveaus abgestuft.[1] Nach § 256 Abs. 3 BewG verringert sich der Liegenschaftszinssatz bei Wohnungseigentum um jeweils 0,1 Prozentpunkte je volle 100 EUR, die der Bodenrichtwert oder Bodenwert nach § 247 Abs. 3 BewG je m² Grundstücksfläche die Grenze von 2.000 EUR/m² Grundstücksfläche übersteigt. Ab einem Bodenrichtwert oder Bodenwert nach § 247 Abs. 3 BewG je m² Grundstücksfläche von 3.000 EUR/m² Grundstücksfläche wird ein einheitlicher Liegenschaftszinssatz von 2,0 % angewendet. Im Ergebnis wird eine Gleitzone eingeführt, in der der Liegenschaftszinssatz in Stufen je 100 EUR Bodenrichtwert von 3 % (bis 2.099 EUR Bodenrichtwert) auf 2 % (ab 3.000 EUR Bodenrichtwert) absinkt und ab diesem Bodenrichtwert konstant bleibt.[2]

Abstufung der Liegenschaftszinssätze bei Wohnungseigentum

In § 256 Abs. 3 S. 1 BewG wird unzutreffend auf den Zinssatz nach § 256 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BewG verwiesen. Es dürfte sich allerdings um eine offenbare Unrichtigkeit handeln, die vom Gesetzgeber zeitnah behoben wird. Bereits aus dem Sinneszusammenhang ergibt sich, dass sich § 256 Abs. 3 BewG nicht auf den Zinssatz für Ein- und Zweifamilienhäuser (§ 256 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BewG), sondern auf den Zinssatz für Wohnungseigentum nach § 256 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BewG bezieht.

Die vorstehenden Ausführungen zur gestuften Absenkung der Liegenschaftszinssätze bei Ein- und Zweifamilienhäusern in Gebieten mit hohen Bodenrichtwertniveaus gelten analog auch für die Grundstücksart Wohnungseigentum (Rz. 15).

 
Praxis-Beispiel

Ermittlung des Liegenschaftszinssatzes für ein Wohnungseigentum bei hohem Bodenrichtwertniveau[3]

Ein Wohnungseigentum befindet sich in einer Bodenrichtwertzone mit einem Bodenrichtwert von 2.500 EUR/m².

Der Liegenschaftszinssatz für Wohnungseigentum beträgt grundsätzlich 3 %. Da im vorliegenden Fall der Bodenrichtwert von 2.500 EUR/m² die Grenze von 2.000 EUR/m² um 5 volle 100 EUR übersteigt, reduziert sich der Liegenschaftszinssatz um 0,5 Prozentpunkte (5 x 0,1 Prozentpunkte) auf 2,5 %.

Der Liegenschaftszinssatz für Wohnungseigentum beträgt grundsätzlich 3 %. Da im vorliegenden Fall der Bodenrichtwert von 2.500 EUR/m² die Grenze von 2.000 EUR/m² um 5 volle 100 EUR übersteigt, reduziert sich der Liegenschaftszinssatz um 0,5 Prozentpunkte (5 x 0,1 Prozentpunkte) auf 2,5 %.

Teilweise wird in der Fachkommentierung Unverständnis darüber geäußert, warum eine vergleichbare Sonderregelung zur Absenkung der Liegenschaftszinssätze nicht auch für Mietwohngrundstücke eingeführt worden ist. So sei z. B. verfassungsrechtlich bedenklich, dass sich erhebliche Bewertungsunterschiede ergeben, wenn von 2 in räumlicher Nähe liegenden neu bebauten Mietwohngrundstücken mit 4 Wohnungen nur 1 Mietwohngrundstück in Wohnungseigentum aufgeteilt wird. Während für das nicht aufgeteilte baugleiche "Schwestergrundstück" ein Liegenschaftszinssatz von 4 % angewendet wird, kommt für die 4 wirtschaftlichen Einheiten des Wohneigentums nach der Sonderregelung in § 256 Abs. 3 BewG ein Liegenschaftszinssatz von 2 % zur Anwendung. Bei einer Restnutzungsdauer von 80 Jahren ergibt sich dann für das Mietwohngrundstück ein Vervielfältiger (Anlage 37 zum BewG) von 23,92 und für die wirtschaftlichen Einheiten des Wohneigentums jeweils ein Vervielfältiger von 39,74.[4] Nach der hier vertretenen Auffassung treten diese Bewertungsunterschiede zurecht auf. Es wäre vielmehr nicht relations- und realitätsgerecht, wenn die 4 wirtschaftlichen Einheiten des Wohneigentums insgesamt mit dem gleichen Wert wie das nicht aufgeteilte Mietwohngrundstück bewertet werden würden. Es handelt sich hier um 2 verschiedene Grundstücksteilmärkte, wobei für Wohnungseigentum (Eigentumswohnungen) wesentlich höhere Wohnflächenpreise als für Mietwohngrundstücke (Mehrfamilienhäuser) erzielt werden. Während die mittleren Wohnflächenpreise im Jahr 2020 für neu gebaute Eigentumswohnungen 3.420 EUR/m² und für gebrauchte Eigentumswohnungen 1.940 EUR/m² betrugen, lagen die mittleren Wohnflächenpreise für kleine Mehrfamilienhäuser (3 – 6 Wohneinheiten) im Jahr 2020 nur bei 1.350 EUR/m².[5]

[1] S.Begründung zum Entwurf eines Grundsteuer-Reformgesetzes, zu § 256 Abs. 3 BewG, BT-Drs. 19/11085 v. 25.6.2019, 116.
[2] Grootens, in Grootens, GrstG/BewG, zu § 256 BewG Rz. 52.
[4] Grootens, in Grootens, GrStG/BewG, zu § 256 BewG, Rz. 55.
[5] S. Immobilienmarktbericht Deutschland 2021 der Gutachterausschüsse in der Bundesrepublik Deutschland, S. 80, 84 und 98, www.immobilienmarktbericht-deutschland.info.

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