Es sind nur solche Anteilsübergänge zu berücksichtigen, die nach dem 30.6.2021 erfolgen. Alle mit Ablauf des 30.6.2021 Beteiligten gelten als Altgesellschafter.

Ist eine Kapitalgesellschaft unmittelbar oder mittelbar an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft beteiligt, kann nur die beteiligte Kapitalgesellschaft selbst unmittelbare oder mittelbare Alt- oder Neugesellschafterin in Bezug auf die grundbesitzende Kapitalgesellschaft sein, die Gesellschafter der unmittelbar oder mittelbar an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft beteiligten Kapitalgesellschaft jedoch nicht.

Eine als Altgesellschafterin geltende unmittelbar oder mittelbar beteiligte Kapitalgesellschaft wird in vollem Umfang zur fiktiven Neugesellschafterin, wenn sich die Beteiligungsverhältnisse an ihr unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar zu mindestens 90 % ändern.[1] Dies gilt unabhängig davon, ob die Änderung der Beteiligungsverhältnisse bei der Kapitalgesellschaft den Tatbestand des § 1 Abs. 3 GrEStG[2] erfüllen würde.

Bei mehrstufigen mittelbaren Beteiligungen ist die Prüfung, ob die 90 %-Grenze erreicht ist, für jede Beteiligungsebene gesondert vorzunehmen. Ist die 90 %-Grenze erreicht, ist die mittelbare Beteiligung in voller Höhe zu berücksichtigen (nicht nur in Höhe von 90 %).

 
Praxis-Beispiel

Änderung des Gesellschafterbestands in Bezug auf beteiligte Kapitalgesellschaften[3]

An einer grundbesitzenden A-GmbH sind A zu 85 %, B zu 10 % und die C-GmbH zu 5 % beteiligt. Die Anteile der C-GmbH halten D zu 85 %, E zu 10 % und F zu 5 %.

Im Jahr 01 überträgt A seine Beteiligung an der A-GmbH auf X. Im Jahr 02 übertragen D und F ihre Anteile an der C-GmbH auf Y und Z.

Ausgangs- und Zielstruktur

Die Übertragung der Beteiligung des A auf X führt im Jahr 01 zu einem unmittelbaren Gesellschafterwechsel i. H. v. 85 %. Durch die Übertragungen von D auf Y und F auf Z im Jahr 02 wird die C-GmbH fiktive Neugesellschafterin der A-GmbH,[4] da mindestens 90 % der Anteile an der C-GmbH (85 % + 5 %) auf Neugesellschafter in Bezug auf die C-GmbH (Y und Z) übergegangen sind. Die mittelbare Anteilsänderung ist nicht anteilig (90 % von 5 %), sondern voll mit 5 % zu berücksichtigen.

Der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG ist im Jahr 02 erfüllt, da innerhalb von 10 Jahren mindestens 90 % der Anteile am Kapital der A-GmbH (Jahr 01: 85 % + Jahr 02: 5 %) auf Neugesellschafter in Bezug auf die A-GmbH (X und C-GmbH) übergegangen sind.

Die Eigenschaft als Altgesellschafterin der unmittelbar oder mittelbar beteiligten Kapitalgesellschaft bleibt erhalten, wenn sich lediglich die Kette der an ihr beteiligten Kapitalgesellschaften verkürzt. Eine solche Beteiligungskette liegt vor, soweit Kapitalgesellschaften auf jeder Stufe über eine Beteiligung von mindestens 90 % miteinander verbunden sind. Das Gleiche gilt bei Beteiligungsketten, in denen sowohl Kapital- als auch Personengesellschaften beteiligt sind.

Bei Personengesellschaften in der Kette ist zu beachten, dass die 90 %-ige Beteiligung auf jeder Stufe bei der Durchrechnung noch vorhanden ist. Bei der Verkürzung der Kette muss die der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft am nächsten stehende Kapitalgesellschaft erhalten bleiben.

 
Praxis-Beispiel

Keine Verkürzung der Beteiligungskette[5]

Am Kapital der grundbesitzenden X-GmbH ist die M-GmbH zu 100 % beteiligt. 100 % der Anteile an der M-GmbH hält die Z-GmbH, deren Anteile i. H. v. von 60 % von der H-GmbH gehalten werden.

Nachdem die Beteiligungen seit Ablauf des 30.6.2021 unverändert geblieben waren, überträgt die Z-GmbH ihre Anteile an der M-GmbH auf die H-GmbH.

Durch die Übertragung von der Z-GmbH auf die H-GmbH wird die M-GmbH fiktive Neugesellschafterin der grundbesitzenden X-GmbH,[6] da mindestens 90 % der Anteile an der M-GmbH (100 %) auf die H-GmbH als Neugesellschafterin der M-GmbH übertragen wurden. Eine Verkürzung der Beteiligungskette liegt nicht vor, da die H-GmbH an der Z-GmbH nur zu 60 % beteiligt war.

Der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG ist erfüllt, da innerhalb von 10 Jahren mindestens 90 % der Anteile am Kapital der X-GmbH (100 %) auf Neugesellschafter in Bezug auf die X-GmbH (M-GmbH) übergegangen sind.

[2] Vgl. unter 5.
[3] Vgl. die gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 10.5.2022, BStBl 2022 I S. 821, unter 5.3.3.
[5] Vgl. die gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 10.5.2022, BStBl 2022 I S. 821, unter 5.3.8.

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