[Ohne Titel]

RA/FAStR Dirk Beyer[*]

Hängt eine Steuerfestsetzung von den Voraussetzungen einer verlängerten steuerlichen Verjährung ab, so drehen sich Einspruchs- und Klageverfahren oftmals im Kern um diese Frage. In der Beratung ist es dann hilfreich, die Voraussetzungen und die Grundsätze der Darlegungs- und Feststellungslast für die Anwendung der verlängerten Verjährung bei Leichtfertigkeit oder Vorsatz (§ 169 Abs. 2 S. 2 AO) zu kennen. Dieser Beitrag weist auf praxisrelevante Aspekte anhand eines Beispielfalles hin.

[*] Der Autor ist Rechtsanwalt bei der Kölner Sozietät LHP.

I. Einleitung

In Einzelfällen berufen sich Finanzämter auf eine verlängerte steuerliche Verjährungsfrist von fünf bzw. zehn Jahren bei Leichtfertigkeit bzw. Vorsatz (§ 169 Abs. 2 S. 2 AO). Dann kommt es darauf an, für welche Umstände das FA die Darlegungs- und Feststellungslast trägt. Hierbei ist zu sehen, dass es sich bei Verschulden i.S.d. § 169 Abs. 2 S. 2 AO um eine bußgeld- bzw. strafrechtliche Vorfrage im Steuerverfahren handelt und das FA sich somit mit dieser anderen Rechtsmaterie inzident befassen muss. In der Praxis ist es daher oft hilfreich, wenn der Steuerstrafverteidiger, welcher den Steuerpflichtigen im Steuerstrafverfahren verteidigt, auch das korrespondierende steuerliche Einspruchs- oder Klageverfahren führt oder im Beraterteam mitwirkt.

Im hier zu besprechenden Fall bestand die Besonderheit, dass ein Steuerberater einen "Doppelfehler" machte und hierdurch dem FA die Entschuldigung des beschuldigten Mandanten, sich auf seinen Berater verlassen zu haben, unglaubwürdig erschien. Dennoch musste auch hier das Steuerstrafverfahren gegen den Mandanten eingestellt und der angefochtene Steuerbescheid wegen Festsetzungsverjährung aufgehoben werden.

Die folgenden Darlegungen und Hinweise können analog auch in den Beratungsfällen nützlich sein, in denen sich bei sonstigen steuerlichen Rechtsnormen die Vorfrage einer Steuerhinterziehung stellt (z.B. ob die Voraussetzungen von Hinterziehungszinsen gem. § 235 AO vorliegen).

II. Sachverhalt

In der Sache selbst ging es um einen Tausch von Gesellschaftsanteilen zwischen Mutter und Sohn im Jahr 2013 im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge. Für Mutter und Sohn entstanden hierbei sowohl Schenkungsteuer als auch Einkommensteuer. Der steuerliche Berater, welcher die Familie seit Jahrzehnten zuverlässig beraten hatte, wurde von Mutter und Sohn mit der steuerlichen Begleitung dieser Transaktion beauftragt. Hierbei wies der Berater auf die Schenkungssteuerpflicht hin. Jedoch übersah er, dass der Anteilstausch auch Einkommensteuer für beide Beteiligten auslöste (§ 23 EStG: private Veräußerungsgeschäfte). Dementsprechend gingen Mutter und Sohn davon aus, dass sie allein die Schenkungssteuer zu erklären hatten. An die Pflicht zur einkommensteuerlichen Erklärung dachten beide nicht und vertrauen auf ihren Berater. Der Berater entwarf dementsprechend allein eine Schenkungssteuererklärung für den Sohn (die auch Wirkung für die Mutter hatte).

Die Jahre vergingen, bis ein Prüfer den Berater in einer steuerlichen Außenprüfung bei einer Gesellschaft, an der die Familie beteiligt war, im Oktober 2018 daraufhin ansprach, ob die einkommensteuerliche Seite der Transaktion durch ihn geprüft worden sei. Daraufhin wurde dem Steuerberater plötzlich "sehr warm" und er bemerkte nach eigener Prüfung die einkommensteuerliche Relevanz des Anteilstausches, wobei er – erneut fehlerhaft – diese Relevanz nur für die Mutter und nicht auch für den Sohn sah. Daraufhin wies er die Mutter auf diesen offenen Punkt bei der ESt 2013 hin. Die Mutter gab anschließend im Oktober 2018 unverzüglich eine steuerliche Nacherklärung für die ESt 2013 ab. Ob diese Erklärung als eine Berichtigung gem. § 153 AO oder gar als eine straf- oder bußgeldbefreiende Selbstanzeige zu werten war, konnte das FA offenlassen, da jedenfalls die Voraussetzungen einer Selbstanzeige vorlagen. Der Steuerberater hatte wohlweislich die Nacherklärung inhaltlich so aufbereitet, dass diese notfalls als eine Selbstanzeige gewertet werden konnte (vgl. hierzu Heuel/Beyer, AO-StB 2015, 129).

Der Berater hatte jedoch im Oktober 2018 nicht die weitere Konsequenz gezogen, auch für den Sohn die einkommensteuerliche Seite zu prüfen. Erst im Oktober 2019 entdeckte der Steuerberater seine Falschberatung beim Sohn, als die steuerliche Nacherklärung der Mutter zu einem geänderten Bescheid bei dieser führte und der Berater sich in diesem Zusammenhang nochmals mit dem Fall befasste. Anschließend informierte er sofort den Sohn. Dieser gab dann unverzüglich im Oktober 2019 eine geänderte Steuererklärung für ESt 2013 ab. Anschließend wurde gegen ihn ein Steuerstrafverfahren eingeleitet. Das FA änderte den Bescheid für 2013 entsprechend der Nacherklärung.

Im Einspruchsverfahren berief der Sohn sich auf die steuerliche Festsetzungsverjährung, da für ihn mangels Verschuldens die Regelverjährung von vier Jahren gelte, so dass bereits zum 31.12.2018 (Abgabe der ursprünglichen Erklärung in 2014) Festsetzungsverjährung eingetreten s...

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